Alex - eine Kinderwunschgeschichte
Moderator: Züri Mami
Alex 57
Kaum dass Hannah die Tür geöffnet hatte, nahm sie Alex schon liebevoll in den Arm. Es war eine dieser festen Umarmungen, die volles Verständnis ohne Worte ausdrückten. Dann gingen beide in das Wohnzimmer, wo Hannah ihrer Freundin ungefragt einen Becher Kaffee hinstellte, und zwar ihren Lieblingsbecher, den Alex noch gut kannte. Dass sie aus diesem Heiligtum trinken durfte, zeigte, dass Hannah den Ernst der Lage erkannt hatte.
„Na, nun erzähl’ ‚mal, nur der Anmarsch der Mens wird es ja nicht gewesen sein, sondern eher eine zauberhaft herunterziehende Kombination aus vielem. Stress mit Matthias?“ Sie hatte sich in einen Sessel sinken lassen und schaute Alex erwartungsvoll.
„Bea ist schwanger“, platzte es aus dieser heraus. Hannah hätte sich beinahe an ihrem Kaffee verschluckt.
„Was ist sie? Bea? Das glaub’ ich nicht!“ Empörung war aus ihrer Stimme zu hören, und genau diese Empfindung tat Alex gut. Auch Hannah war offensichtlich nicht dazu in der Lage, ein begeistertes „Ach wie schön“ herauszubringen. Sie hatte sich im Sessel vorgebeugt und forderte durch diese Geste auf, weiter zu erzählen.
„Peter wollte kein Kind von ihr, und da war sie so sauer, dass sie die Pille mal eben so ein oder zwei Male lustig weggelassen hatte, und bums ist sie schwanger.“ Alex schaute kampflustig.
„Du meinst, nach dem Motto „Dasselbe-Handtuch-benutzt“?“
„Schlimmer, Handtuch vor dem Mann benutzt und trotzdem schwanger.“
Es trat eine kurze Pause ein, dann platzte Alex: „Das ist so ungerecht, wir tun und machen, um überhaupt die Chance zu bekommen, irgendwann einmal ein Kind zu haben, und die will eigentlich nicht, und dann das.“ Heiß stiegen die Tränen wieder auf, als sie an das Gespräch mit Bea dachte, und sie nahm schnell den Kaffee. „Und weißt du noch `was: Die will das Kind gar nicht, habe ich das Gefühl. Ich meine, wie ungerecht ist das denn?“ Alex sah Hannah herausfordernd an.
„Magst du ein Glas Sekt? Oder geht es derzeit nicht?“ Alex klärte sie ganz faktisch über den negativen Schwangerschaftstest auf. „Wenn der Test negativ war, steht dem ja nichts mehr entgegen...Ich bin gerade erst durch.“ Hannahs Stimme klang traurig, und sie stand auf, um zwei Gläser und den Sekt zu holen, Alex ging ihr in die Küche hinterher, sie konnte nicht allein warten. Etwas an den Bewegungen Hannahs war ihr aufgefallen, sie waren so mechanisch, und als sie ihrer Freundin in die Augen schaute, merkte sie, dass auch dort Tränen schimmerten.
„Ach Mensch Hannah, wir schaffen das schon, es ist bloss so ungerecht.“ Mit diesen Worten nahm sie sie in den Arm. Hannah schniefte.
„Ich weiß, das sage ich mir auch immer, und ich bin auch eigentlich gar kein neidischer Mensch. Aber ausgerechnet bei Bea empfinde ich es fast als eine Art Niederlage. Warum muss ihr sofort gelingen, was mir verwehrt bleibt. Naja, natürlich, ich versuche es ja auch noch einmal, aber warum klappt es bei Frauen, die eigentlich nicht wollen und bei uns nicht. Muss ich mich jetzt hinsetzen und mir sagen „ich will nicht, ich will nicht, ich will nicht“? das ist doch völliger Quatsch. Es wäre auch okay, wenn es irgendwo eine meinetwegen auch kostenpflichtig einsehbare Liste gäbe, in der stünde: „Sie müssen 2 Jahre und 4 Monate ab erstem Kinderwunsch warten, dann werden Sie schwanger“, aber stattdessen geht es bunt durcheinander. ...Prost, auf uns, wir schaffen das!“
„Genau, wir schaffen das!“ Es war wie ein Schwur zur Waffenbrüderschaft, und es erleichterte beide unglaublich, dass sie erneut merkten, sie waren nicht allein.
Kaum dass Hannah die Tür geöffnet hatte, nahm sie Alex schon liebevoll in den Arm. Es war eine dieser festen Umarmungen, die volles Verständnis ohne Worte ausdrückten. Dann gingen beide in das Wohnzimmer, wo Hannah ihrer Freundin ungefragt einen Becher Kaffee hinstellte, und zwar ihren Lieblingsbecher, den Alex noch gut kannte. Dass sie aus diesem Heiligtum trinken durfte, zeigte, dass Hannah den Ernst der Lage erkannt hatte.
„Na, nun erzähl’ ‚mal, nur der Anmarsch der Mens wird es ja nicht gewesen sein, sondern eher eine zauberhaft herunterziehende Kombination aus vielem. Stress mit Matthias?“ Sie hatte sich in einen Sessel sinken lassen und schaute Alex erwartungsvoll.
„Bea ist schwanger“, platzte es aus dieser heraus. Hannah hätte sich beinahe an ihrem Kaffee verschluckt.
„Was ist sie? Bea? Das glaub’ ich nicht!“ Empörung war aus ihrer Stimme zu hören, und genau diese Empfindung tat Alex gut. Auch Hannah war offensichtlich nicht dazu in der Lage, ein begeistertes „Ach wie schön“ herauszubringen. Sie hatte sich im Sessel vorgebeugt und forderte durch diese Geste auf, weiter zu erzählen.
„Peter wollte kein Kind von ihr, und da war sie so sauer, dass sie die Pille mal eben so ein oder zwei Male lustig weggelassen hatte, und bums ist sie schwanger.“ Alex schaute kampflustig.
„Du meinst, nach dem Motto „Dasselbe-Handtuch-benutzt“?“
„Schlimmer, Handtuch vor dem Mann benutzt und trotzdem schwanger.“
Es trat eine kurze Pause ein, dann platzte Alex: „Das ist so ungerecht, wir tun und machen, um überhaupt die Chance zu bekommen, irgendwann einmal ein Kind zu haben, und die will eigentlich nicht, und dann das.“ Heiß stiegen die Tränen wieder auf, als sie an das Gespräch mit Bea dachte, und sie nahm schnell den Kaffee. „Und weißt du noch `was: Die will das Kind gar nicht, habe ich das Gefühl. Ich meine, wie ungerecht ist das denn?“ Alex sah Hannah herausfordernd an.
„Magst du ein Glas Sekt? Oder geht es derzeit nicht?“ Alex klärte sie ganz faktisch über den negativen Schwangerschaftstest auf. „Wenn der Test negativ war, steht dem ja nichts mehr entgegen...Ich bin gerade erst durch.“ Hannahs Stimme klang traurig, und sie stand auf, um zwei Gläser und den Sekt zu holen, Alex ging ihr in die Küche hinterher, sie konnte nicht allein warten. Etwas an den Bewegungen Hannahs war ihr aufgefallen, sie waren so mechanisch, und als sie ihrer Freundin in die Augen schaute, merkte sie, dass auch dort Tränen schimmerten.
„Ach Mensch Hannah, wir schaffen das schon, es ist bloss so ungerecht.“ Mit diesen Worten nahm sie sie in den Arm. Hannah schniefte.
„Ich weiß, das sage ich mir auch immer, und ich bin auch eigentlich gar kein neidischer Mensch. Aber ausgerechnet bei Bea empfinde ich es fast als eine Art Niederlage. Warum muss ihr sofort gelingen, was mir verwehrt bleibt. Naja, natürlich, ich versuche es ja auch noch einmal, aber warum klappt es bei Frauen, die eigentlich nicht wollen und bei uns nicht. Muss ich mich jetzt hinsetzen und mir sagen „ich will nicht, ich will nicht, ich will nicht“? das ist doch völliger Quatsch. Es wäre auch okay, wenn es irgendwo eine meinetwegen auch kostenpflichtig einsehbare Liste gäbe, in der stünde: „Sie müssen 2 Jahre und 4 Monate ab erstem Kinderwunsch warten, dann werden Sie schwanger“, aber stattdessen geht es bunt durcheinander. ...Prost, auf uns, wir schaffen das!“
„Genau, wir schaffen das!“ Es war wie ein Schwur zur Waffenbrüderschaft, und es erleichterte beide unglaublich, dass sie erneut merkten, sie waren nicht allein.
Alex 58
Kurz darauf saßen beide gut gelaunt und herzhaft lachend in ihren Sesseln; jede erzählte der anderen die komischsten Geschichten um den Kinderwunsch, und endlich waren sie dazu in der Lage, sich von außen zu sehen und die Komik der Sachlage zu entdecken.
„Weißt du, wie bescheuert ich bin? Ich habe gerade angefangen, morgens den Muttermund abzutesten. Also, ich sage dir, dieses Ding ist für mich ja auch ein Buch mit sieben Siegeln. Immerhin weiß ich jetzt immer, ob mein Dickdarm voll ist…“ Hannah brach in Gelächter über sich selbst aus.
„Also, jeden Morgen kommt nun wie bei einem Chirurg eine Handwaschorgie, die von einer intensiven Seifenentfernung abgelöst wird. Nur kein Schmutz, wenn ich an meiner goldenen Pforte herumpopele, sage ich mir.“ Hannah musste erneut vor Lachen über sich selbst keuchen und wischte sich eine Lachträne aus dem Gesicht. “Und dann erfolgt die Muttermundprüfgrätschstellung, aber immer gleich, sonst funktioniert das nicht. Und wenn ich Glück habe, weiß ich dann, ob der Muttermund weich und offen, gnubbelig oder fest oder spitz oder so ist. Und dann schaue ich im Internet nach, wie das Ding denn wann sein soll.“
„Also ich finde da nie was, ist alles immer weich und nie gnubbelig.“ Alex zog die Stirn kraus. „Moment mal“, mit diesen Worten verschwand sie im Bad. Hannah hörte intensives Rauschen des Wasserhahnes, dann Stille, Bewegungen im Bad, dann wieder Rauschen. Kurz darauf kam Alex leicht erhitzt und zerzaust aus dem Bad. Auf ihrem Gesicht ein triumphierendes Lachen.
„Rein um der Wissenschaft willen“, dabei zwinkerte sie Hannah verschwörerisch zu, „habe ich mal eben die ultimative Muttermundrecherche gemacht: Wenn ich entspannt mit dem Rücken nach hinten abtaste, ist der Muttermund "relativ" weit vorne. Sobald ich aber mit dem Oberkörper vorgehe, geht er nach oben und ist fast weg, so dass ich meinen Finger ganz lang machen muss. Bin mehrmals hin und her und tatsächlich "schaukelt" der Muttermund mit.“ Sie schaute Hannah erwartungsvoll an, die sich vor Lachen bog.
„Da bin ich ja froh, dass auch bei dir der Rücken hinten ist“, brachte sie gerade noch hervor, um dann hinzuzufügen: “Kannst ja froh sein, dass es keine Damentoilette in einem Bürogebäude ist, das wäre der Hammer gewesen. Und dass der Muttermund mitschaukelt, wusste ich nicht, aber ich probier das mal.“ Noch immer lachend machte sie sich nun ihrerseits auf den Weg ins Bad, um dann triumphierend herauszukommen. „Stimmt, er schaukelt mit, wieder was gelernt.“ Beide kicherten froh darüber, dass sie diese wichtigen wissenschaftlichen Erkenntnisse miteinander teilen konnten.
„Aber dieses gnubbelige spüre ich nicht“, fügte Alex sinnierend an. „Erklär mal anders, damit ich Pappkopp das auch raffe, das macht mich irre, wenn ich das nicht verstehe. Das ist wie ein Spiel, deren Spielregel ich nicht ganz weiß, das ich aber unbedingt mitspielen will. Ich habe nur das Gefühl, mein Gegenspieler erklärt mir nur die Hälfte…“ Mit einem Grinsen schob Alex ihre Schmolllippe vor.
Gutmütig erklärte Hannah erneut: „Ich habe das früher auch nie verstanden, im Internet steht das so toll beschrieben, aber anfühlen tut sich das anders. Aber als ich Thomas vorgestern mal einen kleinen Ditscher auf die Nase gegeben habe, da wusste ich, was gemeint ist. Hier, probier mal, aber nicht zu fest.“ Hannah hielt Alex das Gesicht hin, damit die ihre Nase prüfen konnte. „Hmm, kapier ich nicht…“ maulte Alex. Ungerührt nahm Hannah Alex Zeigefinger und führte ihn zu ihrer Nase. Und am Gesicht von Alex konnte sie sehen, dass diese nun endlich wusste, welches Gefühl sie an ihrer – wie hatte Hannah so schön gesagt? – goldenen Pforte erwartete. Beide lachten erneut befreit los. „Mann, bin ich froh, dass uns hier keiner gesehen hat!“
Vom Muttermundtest ausgehend tauschten sie Erfahrungen mit der Konsistenz des Zervixschleimes und den Einsatz von Ovaria comp. in der ersten Zyklushälfte aus. Endlich waren beide dort angelangt, wo viele Frauen mit Kinderwunsch nie anlangen, in der Vertrautheit eines Gesprächs über die scheinbar einfachste Sache der Welt.
Kurz darauf saßen beide gut gelaunt und herzhaft lachend in ihren Sesseln; jede erzählte der anderen die komischsten Geschichten um den Kinderwunsch, und endlich waren sie dazu in der Lage, sich von außen zu sehen und die Komik der Sachlage zu entdecken.
„Weißt du, wie bescheuert ich bin? Ich habe gerade angefangen, morgens den Muttermund abzutesten. Also, ich sage dir, dieses Ding ist für mich ja auch ein Buch mit sieben Siegeln. Immerhin weiß ich jetzt immer, ob mein Dickdarm voll ist…“ Hannah brach in Gelächter über sich selbst aus.
„Also, jeden Morgen kommt nun wie bei einem Chirurg eine Handwaschorgie, die von einer intensiven Seifenentfernung abgelöst wird. Nur kein Schmutz, wenn ich an meiner goldenen Pforte herumpopele, sage ich mir.“ Hannah musste erneut vor Lachen über sich selbst keuchen und wischte sich eine Lachträne aus dem Gesicht. “Und dann erfolgt die Muttermundprüfgrätschstellung, aber immer gleich, sonst funktioniert das nicht. Und wenn ich Glück habe, weiß ich dann, ob der Muttermund weich und offen, gnubbelig oder fest oder spitz oder so ist. Und dann schaue ich im Internet nach, wie das Ding denn wann sein soll.“
„Also ich finde da nie was, ist alles immer weich und nie gnubbelig.“ Alex zog die Stirn kraus. „Moment mal“, mit diesen Worten verschwand sie im Bad. Hannah hörte intensives Rauschen des Wasserhahnes, dann Stille, Bewegungen im Bad, dann wieder Rauschen. Kurz darauf kam Alex leicht erhitzt und zerzaust aus dem Bad. Auf ihrem Gesicht ein triumphierendes Lachen.
„Rein um der Wissenschaft willen“, dabei zwinkerte sie Hannah verschwörerisch zu, „habe ich mal eben die ultimative Muttermundrecherche gemacht: Wenn ich entspannt mit dem Rücken nach hinten abtaste, ist der Muttermund "relativ" weit vorne. Sobald ich aber mit dem Oberkörper vorgehe, geht er nach oben und ist fast weg, so dass ich meinen Finger ganz lang machen muss. Bin mehrmals hin und her und tatsächlich "schaukelt" der Muttermund mit.“ Sie schaute Hannah erwartungsvoll an, die sich vor Lachen bog.
„Da bin ich ja froh, dass auch bei dir der Rücken hinten ist“, brachte sie gerade noch hervor, um dann hinzuzufügen: “Kannst ja froh sein, dass es keine Damentoilette in einem Bürogebäude ist, das wäre der Hammer gewesen. Und dass der Muttermund mitschaukelt, wusste ich nicht, aber ich probier das mal.“ Noch immer lachend machte sie sich nun ihrerseits auf den Weg ins Bad, um dann triumphierend herauszukommen. „Stimmt, er schaukelt mit, wieder was gelernt.“ Beide kicherten froh darüber, dass sie diese wichtigen wissenschaftlichen Erkenntnisse miteinander teilen konnten.
„Aber dieses gnubbelige spüre ich nicht“, fügte Alex sinnierend an. „Erklär mal anders, damit ich Pappkopp das auch raffe, das macht mich irre, wenn ich das nicht verstehe. Das ist wie ein Spiel, deren Spielregel ich nicht ganz weiß, das ich aber unbedingt mitspielen will. Ich habe nur das Gefühl, mein Gegenspieler erklärt mir nur die Hälfte…“ Mit einem Grinsen schob Alex ihre Schmolllippe vor.
Gutmütig erklärte Hannah erneut: „Ich habe das früher auch nie verstanden, im Internet steht das so toll beschrieben, aber anfühlen tut sich das anders. Aber als ich Thomas vorgestern mal einen kleinen Ditscher auf die Nase gegeben habe, da wusste ich, was gemeint ist. Hier, probier mal, aber nicht zu fest.“ Hannah hielt Alex das Gesicht hin, damit die ihre Nase prüfen konnte. „Hmm, kapier ich nicht…“ maulte Alex. Ungerührt nahm Hannah Alex Zeigefinger und führte ihn zu ihrer Nase. Und am Gesicht von Alex konnte sie sehen, dass diese nun endlich wusste, welches Gefühl sie an ihrer – wie hatte Hannah so schön gesagt? – goldenen Pforte erwartete. Beide lachten erneut befreit los. „Mann, bin ich froh, dass uns hier keiner gesehen hat!“
Vom Muttermundtest ausgehend tauschten sie Erfahrungen mit der Konsistenz des Zervixschleimes und den Einsatz von Ovaria comp. in der ersten Zyklushälfte aus. Endlich waren beide dort angelangt, wo viele Frauen mit Kinderwunsch nie anlangen, in der Vertrautheit eines Gesprächs über die scheinbar einfachste Sache der Welt.
Alex 59
Im Gegensatz zu Alex fühlte sich Matthias an diesem Tag äußerst einsam. Nachdem er mutig beschlossen hatte, ein Spermiogramm von seiner wertvollsten Körperflüssigkeit erstellen zu lassen, fand er irgendwie bereits den gesamten Vormittag nicht die Zeit, sich ernsthaft mit dem Thema zu beschäftigen. Mittags war er dann bei einem „Ich mach’ das ja auch nur, um Alex endlich zu beweisen, dass sie bei mir völlig schief liegt“ und am frühen Nachmittag war er dankbar für jede noch so kleine Unterbrechung und Ablenkung.
Dennoch gelang es ihm nicht ganz, die unangenehmen Dinge, die er am Vortag erfahren hatte, erfolgreich zu verdrängen.
„So ein Quatsch, mag ja sein, dass bei anderen Kinderlosen der Anteil der Männer mit Zeugungsproblemen bei 40% liegen mag, aber was hat das mit mir zu tun?“ Solche und ähnliche Überlegungen gingen ihm immer wieder durch den Kopf. Allerdings hatte er sich unter Mühen damit beschäftigt, einen Arzt zu suchen, bei dem er – „…wenn denn dann alle Stricke reissen…“ dachte er beim Blättern im virtuellen Telefonbuch – eine Probe abgeben könne. Dieser Arzt war Androloge.
„Das hört sich ja schon besser an als Urologe, weil sich das nach Blasenentzündung oder Darmspiegelung anhört“, Matthias gruselte sich, als er an die Musterung beim Bund dachte. „Allerdings, die machen das auch in Kinderwunschpraxen… Quatsch, was soll ich denn da, nachher kennt mich da noch jemand…nee… keine zehn Pferde bringen mich da rein…“ Derartige und andere Gedanken gingen ihm den ganzen Tag durch den Kopf. Und als er nachmittags den Tee wegbringen musste, pinkelte erneut nicht der Emaillefliege aufs Insektenhaupt, sondern schloss sich in der Kabine ein. Diesmal galt die prüfende Handhabung einerseits der Temperatur – in dieser Hinsicht hatte er durch die Unterhose vom Vortag ja schon enorme Fortschritte erzielt - sondern auch der unterschiedlichen Größe der Hoden, einer Verdickung, die auf eine Krampfader hindeuten konnte, der Beweglichkeit im Hodensack, die auf Vernarbungen schließen lassen konnten und zum Schluss der unterschiedlichen Temperatur von Hoden und Nebenhoden, von der er gelesen hatte, dass kundige Mediziner diese durch Handprüfung feststellen konnten.
Diese gesamten Prüfungen nahmen geraume Zeit in Anspruch und es war dazu nötig, zumindest einen Schuh auszuziehen, um das Bein auf den Toilettenrand stellen und somit entlasten zu können. Da allerdings beide Seiten kostbaren Gutes wenn auch nicht gleichgroß so doch gleichberechtigt sein mussten, entschloss sich Matthias, die Hose gänzlich auszuziehen. Leider befinden sich in Herrentoiletten anders als in Damentoiletten nicht traditionsgemäß Haken für das Aufhängen der Handtasche, und deshalb warf sich Matthias die Hose zunächst über die Schulter. Aber auch er musste – wie viele Menschen vor ihm - feststellen, dass sich ein gekrümmter Rücken mit einer Neigung nach vorne winkelmäßig schlecht mit einem rutschenden Kleidungsstück vereinbart und so war seine intensive Tätigkeit unten von intensiver Haltungserhaltung oben unterbrochen. Völlig entnervt und etwas gedankenlos legte er schließlich wie in der Kabine beim Herrenausstatter sein Beinkleid über die Tür.
„So, nun kann nichts mehr passieren“, dachte sich Matthias und ging seinen diversen Verrichtungen nach. Völlig vertieft darein, unverkrampft zu fühlen, hörte er plötzlich, wie die Tür zum Flur geöffnet wurde, und beim Versuch, die Hose aus der Sichtweite zu ziehen, verhakte sich der Gürtel. Der Klügere gibt nach, und in diesem Fall war es die Hose, die mit einem deutlichen Rissgeräusch nach dem Motto „Nach fest kommt lose“ in die Kabine zurückglitt. Allerdings hatte sie nun im Schritt einen etwa fingerlangen Riss.
„Mist, verdammter…“, entfuhr es Matthias, als er ein „kann ich Ihnen irgendwie helfen, verehrter Herr Kollege?“ im Vorraum hörte.
„Nein, danke, alles okay…“ entgegnete Matthias mit grimmiger Stimme.
„Ach, der Herr mit der schweren Verdauung! Ich empfehle getrocknete Pflaumen! Schönen Tag noch!“ schallte es fröhlich zurück, und Matthias hatte das Gefühl, dass sich sein Kollege ein lautes Lachen nur deshalb verkniff, weil man in dieser Firma nie wusste, wer in Zukunft wessen Chef sein würde…
„Wenn Sie Ihr Portemonnaie suchen, ich lege es hier auf das Waschbecken, Herr äh, Moment… Manthei. Na sehen Sie, jetzt sind wir uns immerhin schon bekannt, wenn wir uns hier immer treffen.“ Mit diesen Worten fiel die Tür ins Schloss, und Matthias hatte das Gefühl, dass sich hiermit auch eine Tür zu einem unbeschwerten Gang auf die Toilette für lange Zeit geschlossen hatte.
Im Gegensatz zu Alex fühlte sich Matthias an diesem Tag äußerst einsam. Nachdem er mutig beschlossen hatte, ein Spermiogramm von seiner wertvollsten Körperflüssigkeit erstellen zu lassen, fand er irgendwie bereits den gesamten Vormittag nicht die Zeit, sich ernsthaft mit dem Thema zu beschäftigen. Mittags war er dann bei einem „Ich mach’ das ja auch nur, um Alex endlich zu beweisen, dass sie bei mir völlig schief liegt“ und am frühen Nachmittag war er dankbar für jede noch so kleine Unterbrechung und Ablenkung.
Dennoch gelang es ihm nicht ganz, die unangenehmen Dinge, die er am Vortag erfahren hatte, erfolgreich zu verdrängen.
„So ein Quatsch, mag ja sein, dass bei anderen Kinderlosen der Anteil der Männer mit Zeugungsproblemen bei 40% liegen mag, aber was hat das mit mir zu tun?“ Solche und ähnliche Überlegungen gingen ihm immer wieder durch den Kopf. Allerdings hatte er sich unter Mühen damit beschäftigt, einen Arzt zu suchen, bei dem er – „…wenn denn dann alle Stricke reissen…“ dachte er beim Blättern im virtuellen Telefonbuch – eine Probe abgeben könne. Dieser Arzt war Androloge.
„Das hört sich ja schon besser an als Urologe, weil sich das nach Blasenentzündung oder Darmspiegelung anhört“, Matthias gruselte sich, als er an die Musterung beim Bund dachte. „Allerdings, die machen das auch in Kinderwunschpraxen… Quatsch, was soll ich denn da, nachher kennt mich da noch jemand…nee… keine zehn Pferde bringen mich da rein…“ Derartige und andere Gedanken gingen ihm den ganzen Tag durch den Kopf. Und als er nachmittags den Tee wegbringen musste, pinkelte erneut nicht der Emaillefliege aufs Insektenhaupt, sondern schloss sich in der Kabine ein. Diesmal galt die prüfende Handhabung einerseits der Temperatur – in dieser Hinsicht hatte er durch die Unterhose vom Vortag ja schon enorme Fortschritte erzielt - sondern auch der unterschiedlichen Größe der Hoden, einer Verdickung, die auf eine Krampfader hindeuten konnte, der Beweglichkeit im Hodensack, die auf Vernarbungen schließen lassen konnten und zum Schluss der unterschiedlichen Temperatur von Hoden und Nebenhoden, von der er gelesen hatte, dass kundige Mediziner diese durch Handprüfung feststellen konnten.
Diese gesamten Prüfungen nahmen geraume Zeit in Anspruch und es war dazu nötig, zumindest einen Schuh auszuziehen, um das Bein auf den Toilettenrand stellen und somit entlasten zu können. Da allerdings beide Seiten kostbaren Gutes wenn auch nicht gleichgroß so doch gleichberechtigt sein mussten, entschloss sich Matthias, die Hose gänzlich auszuziehen. Leider befinden sich in Herrentoiletten anders als in Damentoiletten nicht traditionsgemäß Haken für das Aufhängen der Handtasche, und deshalb warf sich Matthias die Hose zunächst über die Schulter. Aber auch er musste – wie viele Menschen vor ihm - feststellen, dass sich ein gekrümmter Rücken mit einer Neigung nach vorne winkelmäßig schlecht mit einem rutschenden Kleidungsstück vereinbart und so war seine intensive Tätigkeit unten von intensiver Haltungserhaltung oben unterbrochen. Völlig entnervt und etwas gedankenlos legte er schließlich wie in der Kabine beim Herrenausstatter sein Beinkleid über die Tür.
„So, nun kann nichts mehr passieren“, dachte sich Matthias und ging seinen diversen Verrichtungen nach. Völlig vertieft darein, unverkrampft zu fühlen, hörte er plötzlich, wie die Tür zum Flur geöffnet wurde, und beim Versuch, die Hose aus der Sichtweite zu ziehen, verhakte sich der Gürtel. Der Klügere gibt nach, und in diesem Fall war es die Hose, die mit einem deutlichen Rissgeräusch nach dem Motto „Nach fest kommt lose“ in die Kabine zurückglitt. Allerdings hatte sie nun im Schritt einen etwa fingerlangen Riss.
„Mist, verdammter…“, entfuhr es Matthias, als er ein „kann ich Ihnen irgendwie helfen, verehrter Herr Kollege?“ im Vorraum hörte.
„Nein, danke, alles okay…“ entgegnete Matthias mit grimmiger Stimme.
„Ach, der Herr mit der schweren Verdauung! Ich empfehle getrocknete Pflaumen! Schönen Tag noch!“ schallte es fröhlich zurück, und Matthias hatte das Gefühl, dass sich sein Kollege ein lautes Lachen nur deshalb verkniff, weil man in dieser Firma nie wusste, wer in Zukunft wessen Chef sein würde…
„Wenn Sie Ihr Portemonnaie suchen, ich lege es hier auf das Waschbecken, Herr äh, Moment… Manthei. Na sehen Sie, jetzt sind wir uns immerhin schon bekannt, wenn wir uns hier immer treffen.“ Mit diesen Worten fiel die Tür ins Schloss, und Matthias hatte das Gefühl, dass sich hiermit auch eine Tür zu einem unbeschwerten Gang auf die Toilette für lange Zeit geschlossen hatte.
Alex 60
Matthias setzte sich etwas entnervt auf den Klodeckel und sinnierte darüber, wie er ziemlich sicher folgenden Kommentaren entgegnen konnte, und kurz darauf stand er bekleidet mit am Schritt eingerissener Hose aber gut gewappnet gegen Frotzeleien in der Tür. Auf dem Flur herrschte reges Treiben, und schon kam Ralph um die Ecke, dessen Blick sich an Matthias Hose festheftete. Mit gesenkter Stimme sagte dieser: „Matthias, hast du schon bemerkt, dass deine Hose am … ähem… da…“ Er zeigte verstohlen mit dem Finger auf den Riss, „ein Loch hat?“
Matthias schaute scheinbar erstaunt nach unten, begutachtete den Riss, schnalzte mit der Zunge und sagte kopfschüttelnd: „ Mensch Ralph, das passiert mir so oft, wenn ich an Alex denke, dann ist dem…“ erneut folgte ein Blick nach unten „…kein Stoff gewachsen. Ich kaufe mir nachher eine Bundfaltenhose, vielleicht hilft die, die ist da weiter.“ Und mit hocherhobenem Kopf ließ er einen völlig verwirrten und grübelnden Ralph zurück, während er hinter seiner Bürotür verschwand.
Nach einer kurzen Verschnaufpause im seinem Büro schnappte er sich sein Sakko und verließ das Gebäude Richtung Herrenausstatter, wo er zunächst seinem altbekannten Kleidungsexperten erläuterte, dass er – der Mode zum Trotz – passend zum Sakko eine Bundfaltenhose benötigte und auch sonst auf diese Paßform übergehen wollte. Der Mann, gut geschult und Kummer gewohnt, verzog keine Miene, allerdings warf er eine kurzen Kommentar über den derzeitig angesagten Hosenschnitt ein, der von Matthias mit einem ebenso kurzen, freundlichen „ja, das ist mir bekannt“ abgeschnitten wurde.
Kurz darauf konnte Matthias mit einer neuen Hose am Leibe und einer in der Tüte das obere Stockwerk mit den Anzügen und Hosen in Richtung „Herrentrikotagen“ im Erdgeschoss verlassen. Dort erwartete ihn eine beflissene zum Glück ältere Verkäuferin, die ihr Warensortiment in Größe 7 vorlegte.
„Dieses hier wird gerne genommen, Feinripp mit deutlich verstärktem Zwickel. Möchten Sie mit oder ohne Eingriff?“ Sie schaute ihn erwartungsvoll über den Brillenrand hin an.
„Haben Sie auch so eine Art Boxershorts, aber dennoch ein bisschen, na, Sie wissen schon, so …“ Matthias wand sich, er konnte wohl kaum sagen, dass er eigentlich „sexy“ meinte.
„Meinen Sie, eine Hose, die an den Rundungen locker aber gewissenhaft anliegt, Freiheit lässt und dennoch Vorzüge verdeutlicht?“ Die Frau hatte das Ganze mit Ernsthaftigkeit gesagt, doch hinter den Gläsern der Brille funkelte es schalkhaft und gleichzeitig verständnisvoll. „Ich glaube, ich weiß schon, was Sie meinen, Slip- und Tangaformen können bei auch nur leicht abweichender Form zu enormen Hautreizungen und Unbequemlichkeiten führen, aber es soll ja dennoch auch der Gattin gefallen, oder?“
Matthias lächelte die Dame, die in seiner Achtung von einer Bedienung zu eben selbiger aufgestiegen war, dankbar an. Dann schaute er zu, wie sie ein Sortiment an Unterhosen aus einer Schublade zog, die er früher nie in Erwägung gezogen hätte, deren Anblick ihn aber im Vergleich zu den normalen Boxershorts enorm beruhigte. Hier würde er sicher etwas Passendes finden.
Kurz darauf waren die beiden in ein Fachgespräch vertieft, dessen Inhalt Stoff – natürlich nur ökologisch unbedenkliche Baumwolle mit entsprechender Strickverarbeitung -, Passform und Farbe waren.
„Wie wär’s mit rot?“ fragte Matthias unsicher.
„Ehrlich gesagt,“ die Dame senkte ihre Stimme, obwohl sie ohnehin alleine in der Abteilung waren, „die wenigsten Frauen mögen helles Rot an ihren Männern. Wie wäre es denn mit schwarz?“ Beherzt hielt sie ein schwarzes Exemplar mit weißen Paspeln in die Höhe. „Das wird gerne genommen, und sehen Sie, hier…“ Sie zeigte den Zwickel „..ist schön viel Platz, da engt nichts ein.“
Inzwischen waren zwei attraktive Frauen in die Abteilung gekommen, die für zumindest einen männlichen Anhang in Abwesenheit ebenfalls Trikotagen erwerben wollten.
„Oh, kann ich die mal sehen?“ Sie zeigte auf das schwarz-weiße Unterhosenmodell.
„Die finde ich gut, die hätte ich gerne in Größe 7.“
Die Verkäuferin schaute kurz nach: „Das ist die letzte davon, ich könnte sie nachbestellen…“
Die junge Brünette mit ihrer Freundin schaute Matthias freundlich an.
„Ich möchte Sie aber nicht Ihrer potentiellen Hose berauben,“ sagte sie lachend, und kurz darauf standen alle vier ganz traut zusammen und berieten, welche Hose der Freund der Brünetten und welche Matthias erhalten sollte. Selten hatte er so gerne und ungezwungen eingekauft, und zum Abschluss sagte er verschmitzt zu den drei Damen: „Jetzt habe ich drei Damen, die mich an der Unterwäsche erkennen würden!“
Matthias setzte sich etwas entnervt auf den Klodeckel und sinnierte darüber, wie er ziemlich sicher folgenden Kommentaren entgegnen konnte, und kurz darauf stand er bekleidet mit am Schritt eingerissener Hose aber gut gewappnet gegen Frotzeleien in der Tür. Auf dem Flur herrschte reges Treiben, und schon kam Ralph um die Ecke, dessen Blick sich an Matthias Hose festheftete. Mit gesenkter Stimme sagte dieser: „Matthias, hast du schon bemerkt, dass deine Hose am … ähem… da…“ Er zeigte verstohlen mit dem Finger auf den Riss, „ein Loch hat?“
Matthias schaute scheinbar erstaunt nach unten, begutachtete den Riss, schnalzte mit der Zunge und sagte kopfschüttelnd: „ Mensch Ralph, das passiert mir so oft, wenn ich an Alex denke, dann ist dem…“ erneut folgte ein Blick nach unten „…kein Stoff gewachsen. Ich kaufe mir nachher eine Bundfaltenhose, vielleicht hilft die, die ist da weiter.“ Und mit hocherhobenem Kopf ließ er einen völlig verwirrten und grübelnden Ralph zurück, während er hinter seiner Bürotür verschwand.
Nach einer kurzen Verschnaufpause im seinem Büro schnappte er sich sein Sakko und verließ das Gebäude Richtung Herrenausstatter, wo er zunächst seinem altbekannten Kleidungsexperten erläuterte, dass er – der Mode zum Trotz – passend zum Sakko eine Bundfaltenhose benötigte und auch sonst auf diese Paßform übergehen wollte. Der Mann, gut geschult und Kummer gewohnt, verzog keine Miene, allerdings warf er eine kurzen Kommentar über den derzeitig angesagten Hosenschnitt ein, der von Matthias mit einem ebenso kurzen, freundlichen „ja, das ist mir bekannt“ abgeschnitten wurde.
Kurz darauf konnte Matthias mit einer neuen Hose am Leibe und einer in der Tüte das obere Stockwerk mit den Anzügen und Hosen in Richtung „Herrentrikotagen“ im Erdgeschoss verlassen. Dort erwartete ihn eine beflissene zum Glück ältere Verkäuferin, die ihr Warensortiment in Größe 7 vorlegte.
„Dieses hier wird gerne genommen, Feinripp mit deutlich verstärktem Zwickel. Möchten Sie mit oder ohne Eingriff?“ Sie schaute ihn erwartungsvoll über den Brillenrand hin an.
„Haben Sie auch so eine Art Boxershorts, aber dennoch ein bisschen, na, Sie wissen schon, so …“ Matthias wand sich, er konnte wohl kaum sagen, dass er eigentlich „sexy“ meinte.
„Meinen Sie, eine Hose, die an den Rundungen locker aber gewissenhaft anliegt, Freiheit lässt und dennoch Vorzüge verdeutlicht?“ Die Frau hatte das Ganze mit Ernsthaftigkeit gesagt, doch hinter den Gläsern der Brille funkelte es schalkhaft und gleichzeitig verständnisvoll. „Ich glaube, ich weiß schon, was Sie meinen, Slip- und Tangaformen können bei auch nur leicht abweichender Form zu enormen Hautreizungen und Unbequemlichkeiten führen, aber es soll ja dennoch auch der Gattin gefallen, oder?“
Matthias lächelte die Dame, die in seiner Achtung von einer Bedienung zu eben selbiger aufgestiegen war, dankbar an. Dann schaute er zu, wie sie ein Sortiment an Unterhosen aus einer Schublade zog, die er früher nie in Erwägung gezogen hätte, deren Anblick ihn aber im Vergleich zu den normalen Boxershorts enorm beruhigte. Hier würde er sicher etwas Passendes finden.
Kurz darauf waren die beiden in ein Fachgespräch vertieft, dessen Inhalt Stoff – natürlich nur ökologisch unbedenkliche Baumwolle mit entsprechender Strickverarbeitung -, Passform und Farbe waren.
„Wie wär’s mit rot?“ fragte Matthias unsicher.
„Ehrlich gesagt,“ die Dame senkte ihre Stimme, obwohl sie ohnehin alleine in der Abteilung waren, „die wenigsten Frauen mögen helles Rot an ihren Männern. Wie wäre es denn mit schwarz?“ Beherzt hielt sie ein schwarzes Exemplar mit weißen Paspeln in die Höhe. „Das wird gerne genommen, und sehen Sie, hier…“ Sie zeigte den Zwickel „..ist schön viel Platz, da engt nichts ein.“
Inzwischen waren zwei attraktive Frauen in die Abteilung gekommen, die für zumindest einen männlichen Anhang in Abwesenheit ebenfalls Trikotagen erwerben wollten.
„Oh, kann ich die mal sehen?“ Sie zeigte auf das schwarz-weiße Unterhosenmodell.
„Die finde ich gut, die hätte ich gerne in Größe 7.“
Die Verkäuferin schaute kurz nach: „Das ist die letzte davon, ich könnte sie nachbestellen…“
Die junge Brünette mit ihrer Freundin schaute Matthias freundlich an.
„Ich möchte Sie aber nicht Ihrer potentiellen Hose berauben,“ sagte sie lachend, und kurz darauf standen alle vier ganz traut zusammen und berieten, welche Hose der Freund der Brünetten und welche Matthias erhalten sollte. Selten hatte er so gerne und ungezwungen eingekauft, und zum Abschluss sagte er verschmitzt zu den drei Damen: „Jetzt habe ich drei Damen, die mich an der Unterwäsche erkennen würden!“
Alex 61
Matthias kam gut gelaunt im Büro an. Dort erwartete ihn allerdings wie ein kleiner Teufel der Gedanke an den Anruf beim Andrologen. Aber ein Blick auf die Uhr beruhigte ihn, es war schon 16.30 Uhr, und kein vernünftiger Mensch, auch kein Arzt, würde um diese Zeit noch in der Praxis erreichbar sein, oder?
„Bestimmt ist da keiner mehr, das brauche ich gar nicht erst zu versuchen“, dachte er bei sich und vertagte den Anruf auf den folgenden Tag. Allerdings würde er da viel zu tun haben, aber es sei wie es will. Allerdings nahm er sich fest vor, neben der Kleidung auch einige Eßgewohnheiten zu ändern und bei Gelegenheit in der Apotheke diverse Präparate zu erwerben.
Matthias war noch ganz versunken in seine Papiere, die er notdürftig sortieren wollte, als es an der Tür klopfte und sich kurz darauf der Kopf von Markus, ein alte Kollege aus Studienzeiten, den es auch in diese Firma verschlagen hatte, im Rahmen zeigte.
„Hi, störe ich“, sagte Markus, während er sich suchend im Zimmer umblickte.
„Nee, komm rein, ich hab’ irgendwie sowieso den Faden verloren.“
„Ich habe mir sagen lassen, mit dir gingen merkwürdige Dinge vor?“ Markus grinste. „Sag’ ‚mal, was war denn da los? Der Fründ aus der 3. hat so was gemurmelt. Und der Krüger war ganz verstört.“ Markus machte es sich auf dem Besucherstuhl so bequem wie möglich.
„Wieso?“ Matthias lief rot an.
„Naja, du sollst ziemlich erhitzt und mit einer zerfetzten Hose an aussagekräftiger Stelle aus dem Klo gekommen sein, und dein Portemonnaie hattest du für irgendjemanden auch schon gezückt, erzählt man sich, nur dass das durch die Thermik bei euch vor der Kabine gelandet war…Und dann hättest du gesagt, deine Frau würde auf dich warten.“ Markus schaute erwartungsvoll.
Matthias hatte es die Sprache verschlagen. „Das erzählt man sich?“ fragte er mit fast überschnappender Stimme.
„Wie ich bereits sagte…“ Markus schaute anteilnehmend. „Hey Kumpel, was ist denn nun wirklich passiert?“
Matthias befand sich in einer Zwickmühle, weder konnte noch wollte er die Wahrheit sagen. Aber er hatte ja bei Ralph gezeigt, dass er nicht auf den Mund gefallen war, und so begann er – nicht ohne vorher tief Luft zu holen: „Also, das war so. Ich gehe ahnungslos den Flur in Richtung Herrentoilette, ich muss dir ja wohl nicht sagen, wozu, da steht diese atemberaubende Blondine direkt davor, solche…“ er machte eine charakteristische Greifbewegung mit beiden Händen in erhöhter Ellbogenhöhe, „Dinger, ich sage dir, ein echtes Sahneschnittchen. Lange Beine, schmale Taille, rote Lippen, einfach klasse. Naja, und die schaut mich an und fragt mich, ob ich ihr nicht mal die Herrentoilette zeigen könne, sie wollte sehen, ob es da auch Haken in den Kabinen gäbe, sie hätte mit ihrer Freundin gewettet. Also, wir ab in das Herrenklo, da kommt doch so ein Idiot aus einer anderen Abteilung den Flur lang und will auch dahin. Das war der Blondine dann aber total peinlich, also sind wir gemeinsam in die eine Kabine. Naja, wir so eng auf einem Raum, was glaubst du denn, was da passiert: vorne Wölbung, und dadurch wird auch das Portemonnaie hinter hochgedrückt, dann vorne eine Riss – Mann, war Marion wild – tja, zum Glück hat Herr Fründ mir dann das Portemonnaie hingelegt, sonst hätte ich das Geld von Marion für die gute Führung – durch die Herrentoilette, was denkst du denn – gar nicht ordentlich einstecken können.“
Markus konnte es nicht fassen. „Und dadurch der Riss in der Hose?“ fragte er ungläubig?
„Genau dadurch,“ entgegnete Matthais und stand auf, um Markus herauszukomplementieren. Der schaute Matthias ungeniert auf die Hose.
„Da ist ja gar kein Riss…“, sagte er erstaunt.
„Siehste, so ist das manchmal mit Wahrheiten…“ grinste Matthias.
Matthias kam gut gelaunt im Büro an. Dort erwartete ihn allerdings wie ein kleiner Teufel der Gedanke an den Anruf beim Andrologen. Aber ein Blick auf die Uhr beruhigte ihn, es war schon 16.30 Uhr, und kein vernünftiger Mensch, auch kein Arzt, würde um diese Zeit noch in der Praxis erreichbar sein, oder?
„Bestimmt ist da keiner mehr, das brauche ich gar nicht erst zu versuchen“, dachte er bei sich und vertagte den Anruf auf den folgenden Tag. Allerdings würde er da viel zu tun haben, aber es sei wie es will. Allerdings nahm er sich fest vor, neben der Kleidung auch einige Eßgewohnheiten zu ändern und bei Gelegenheit in der Apotheke diverse Präparate zu erwerben.
Matthias war noch ganz versunken in seine Papiere, die er notdürftig sortieren wollte, als es an der Tür klopfte und sich kurz darauf der Kopf von Markus, ein alte Kollege aus Studienzeiten, den es auch in diese Firma verschlagen hatte, im Rahmen zeigte.
„Hi, störe ich“, sagte Markus, während er sich suchend im Zimmer umblickte.
„Nee, komm rein, ich hab’ irgendwie sowieso den Faden verloren.“
„Ich habe mir sagen lassen, mit dir gingen merkwürdige Dinge vor?“ Markus grinste. „Sag’ ‚mal, was war denn da los? Der Fründ aus der 3. hat so was gemurmelt. Und der Krüger war ganz verstört.“ Markus machte es sich auf dem Besucherstuhl so bequem wie möglich.
„Wieso?“ Matthias lief rot an.
„Naja, du sollst ziemlich erhitzt und mit einer zerfetzten Hose an aussagekräftiger Stelle aus dem Klo gekommen sein, und dein Portemonnaie hattest du für irgendjemanden auch schon gezückt, erzählt man sich, nur dass das durch die Thermik bei euch vor der Kabine gelandet war…Und dann hättest du gesagt, deine Frau würde auf dich warten.“ Markus schaute erwartungsvoll.
Matthias hatte es die Sprache verschlagen. „Das erzählt man sich?“ fragte er mit fast überschnappender Stimme.
„Wie ich bereits sagte…“ Markus schaute anteilnehmend. „Hey Kumpel, was ist denn nun wirklich passiert?“
Matthias befand sich in einer Zwickmühle, weder konnte noch wollte er die Wahrheit sagen. Aber er hatte ja bei Ralph gezeigt, dass er nicht auf den Mund gefallen war, und so begann er – nicht ohne vorher tief Luft zu holen: „Also, das war so. Ich gehe ahnungslos den Flur in Richtung Herrentoilette, ich muss dir ja wohl nicht sagen, wozu, da steht diese atemberaubende Blondine direkt davor, solche…“ er machte eine charakteristische Greifbewegung mit beiden Händen in erhöhter Ellbogenhöhe, „Dinger, ich sage dir, ein echtes Sahneschnittchen. Lange Beine, schmale Taille, rote Lippen, einfach klasse. Naja, und die schaut mich an und fragt mich, ob ich ihr nicht mal die Herrentoilette zeigen könne, sie wollte sehen, ob es da auch Haken in den Kabinen gäbe, sie hätte mit ihrer Freundin gewettet. Also, wir ab in das Herrenklo, da kommt doch so ein Idiot aus einer anderen Abteilung den Flur lang und will auch dahin. Das war der Blondine dann aber total peinlich, also sind wir gemeinsam in die eine Kabine. Naja, wir so eng auf einem Raum, was glaubst du denn, was da passiert: vorne Wölbung, und dadurch wird auch das Portemonnaie hinter hochgedrückt, dann vorne eine Riss – Mann, war Marion wild – tja, zum Glück hat Herr Fründ mir dann das Portemonnaie hingelegt, sonst hätte ich das Geld von Marion für die gute Führung – durch die Herrentoilette, was denkst du denn – gar nicht ordentlich einstecken können.“
Markus konnte es nicht fassen. „Und dadurch der Riss in der Hose?“ fragte er ungläubig?
„Genau dadurch,“ entgegnete Matthais und stand auf, um Markus herauszukomplementieren. Der schaute Matthias ungeniert auf die Hose.
„Da ist ja gar kein Riss…“, sagte er erstaunt.
„Siehste, so ist das manchmal mit Wahrheiten…“ grinste Matthias.
Alex 62
Zuhause angekommen, ging Alex erst einmal – eigentlich wie üblich – ins Bad und prüfte ihre Schmierblutungen. Nichts! Auch ein Abtasten des Muttermundes brachte keine weitere Erkenntnis, ob nun verfrüht die Mens einsetzen würde.
„Mist!“ dachte sie.„Ncht ‚al auf die Mens ist Verlass, und auch nicht auf die Schmierblutungen.“ Entnervt ging sie ins Wohnzimmer und begann das tägliche Einerlei des Aufräumens. Sie hatte kurz gezögert, ob vielleicht noch ein Orakel sinnvoll wäre, hatte es aber verworfen mit dem Gedanken, dass sie nach einem so aufregenden Tag nicht noch eine schlechte oder aufregende Nachricht würde verkraften können.
Mitten in der Arbeit des Staubputzens klingelte das Telefon: Es war Bea, das konnte sie an der Nummer erkennen.
„Die hat mir jetzt gerade noch gefehlt“, dachte sie, als sie den Hörer ergriff. „Hi Bea, was gibt es.“ Diese Begrüßung war zwar nicht nett, aber ihrer plötzlich frostigen Laune entsprechend.
„Du, ich wollte mich entschuldigen, dass ich mich so blöd benommen habe. Ich weiß gar nicht, was mit mir los war, irgendwie spielen die Hormone total verrückt. Weißt du, ich merke jetzt erst, wie schön es ist, schwanger zu sein, ein schöneres Geschenk kann der Himmel mir gar nicht machen, ich habe so eine Wärme in mir. Und all diese Gefühle, Alex, du kannst dir das gar nicht vorstellen, ich fühle mich so wichtig, zumindest für eine gaaanz kleine Person, hach, das ist so schön! Das musst du unbedingt auch probieren, warum versuchst du es nicht einfach ab jetzt und dann sind wir gemeinsam schwanger? Und unsere Kinder könnten gemeinsam aufwachsen, wie Geschwister! Es ist so toll, ich bin so glücklich, und Peter freut sich bestimmt dann auch, und dann bauen wir das Haus, und ich richte ein Kinderzimmer ein, so ganz rosa oder hellblau….“
Bea konnte sich glücklich schätzen, dass es Alex die Stimme verschlug. Denn zu den grauenhaftesten Situationen im Leben einer Frau, die Kinder möchte, sie aber nicht ohne Weiteres bekommt, gehört es, sich die Schwärmerei einer Schwangeren anhören zu müssen. Einen Kugelbauch zu sehen war die eine Sache, aber sich gegen die Worte einer glücklichen Schwangeren nicht wehren zu können, war eine andere, und zwar eine ganz andere. Dies galt umso mehr, als in diesem Fall jedes Wort von Bea besonders traf. Was hatte sie gesagt? „Warum versuchst du es nicht einfach ab jetzt und dann sind wir gemeinsam schwanger?“ genau, einfach mal so.
Alex hörte gar nicht hin, was Bea ihr so alles sagte, sie war nur tief betroffen. In einer Atempause von Bea warf sie zugegebenermaßen etwas schnippisch ein: “Und wie willst du das mit Peter regeln? Du hast mir doch selbst erzählt, er wird sich nicht an der Erziehung beteiligen?“
„Ach, Peter, der wird schon weich werden. Weißt du, unsere Beziehung ist einfach perfekt, und jetzt mit dem Kind ist sie noch perfekter, das wird auch Peter bald merken. Er ist ja so süß, auch wenn er gar nicht zeigt, dass er sich freut. Bestimmt weiß er nur nicht damit umzugehen. Du weißt ja, wie Männer sind.“
„Ja klar, aber ich weiß nicht, ob du dir da nichts vormachst. Männer ändern sich nicht, aber es ist ja toll, dass du nun die Situation anders einschätzt. Das freut mich für dich!“ Alex biss sich auf die Zunge, mehr wollte sie nicht sagen.
Beas Stimme war nun etwas schärfer. „Wieso sollte ich mir etwas vormachen? Peter und ich werden nun eine Familie gründen, mit allem Drum und Dran, was sollte denn da schief gehen? Ich glaube, du bist ganz einfach eifersüchtig, du hast mich ganz schön enttäuscht!“ Und mit einem lauten Scheppern legte sie wütend auf.
Alex hatte den Hörer noch eine Weile in der Hand, zugegeben, sie war eifersüchtig, und sich als Kinderwunschfrau sagen zu lassen, dass man es doch eben einfach mal so probieren solle, und dass das alles so toll sei, war ja auch hart. An diesen Worten knabberte sie noch eine Weile. Was sie aber viel mehr irritierte war die Textschleife, mit der Bea immer wieder sagte, die Beziehung sei perfekt. Einerseits gab es keine perfekte Beziehung, das wusste jeder, andererseits würde niemand, der nicht entsprechende Zweifel hatte, mehrfach beteuern, dass er eine so gute Beziehung führte.
Alex stand noch eine Weile sinnierend da, bevor sie sich aufraffen konnte, weiter die Wohnung zu putzen.
Zuhause angekommen, ging Alex erst einmal – eigentlich wie üblich – ins Bad und prüfte ihre Schmierblutungen. Nichts! Auch ein Abtasten des Muttermundes brachte keine weitere Erkenntnis, ob nun verfrüht die Mens einsetzen würde.
„Mist!“ dachte sie.„Ncht ‚al auf die Mens ist Verlass, und auch nicht auf die Schmierblutungen.“ Entnervt ging sie ins Wohnzimmer und begann das tägliche Einerlei des Aufräumens. Sie hatte kurz gezögert, ob vielleicht noch ein Orakel sinnvoll wäre, hatte es aber verworfen mit dem Gedanken, dass sie nach einem so aufregenden Tag nicht noch eine schlechte oder aufregende Nachricht würde verkraften können.
Mitten in der Arbeit des Staubputzens klingelte das Telefon: Es war Bea, das konnte sie an der Nummer erkennen.
„Die hat mir jetzt gerade noch gefehlt“, dachte sie, als sie den Hörer ergriff. „Hi Bea, was gibt es.“ Diese Begrüßung war zwar nicht nett, aber ihrer plötzlich frostigen Laune entsprechend.
„Du, ich wollte mich entschuldigen, dass ich mich so blöd benommen habe. Ich weiß gar nicht, was mit mir los war, irgendwie spielen die Hormone total verrückt. Weißt du, ich merke jetzt erst, wie schön es ist, schwanger zu sein, ein schöneres Geschenk kann der Himmel mir gar nicht machen, ich habe so eine Wärme in mir. Und all diese Gefühle, Alex, du kannst dir das gar nicht vorstellen, ich fühle mich so wichtig, zumindest für eine gaaanz kleine Person, hach, das ist so schön! Das musst du unbedingt auch probieren, warum versuchst du es nicht einfach ab jetzt und dann sind wir gemeinsam schwanger? Und unsere Kinder könnten gemeinsam aufwachsen, wie Geschwister! Es ist so toll, ich bin so glücklich, und Peter freut sich bestimmt dann auch, und dann bauen wir das Haus, und ich richte ein Kinderzimmer ein, so ganz rosa oder hellblau….“
Bea konnte sich glücklich schätzen, dass es Alex die Stimme verschlug. Denn zu den grauenhaftesten Situationen im Leben einer Frau, die Kinder möchte, sie aber nicht ohne Weiteres bekommt, gehört es, sich die Schwärmerei einer Schwangeren anhören zu müssen. Einen Kugelbauch zu sehen war die eine Sache, aber sich gegen die Worte einer glücklichen Schwangeren nicht wehren zu können, war eine andere, und zwar eine ganz andere. Dies galt umso mehr, als in diesem Fall jedes Wort von Bea besonders traf. Was hatte sie gesagt? „Warum versuchst du es nicht einfach ab jetzt und dann sind wir gemeinsam schwanger?“ genau, einfach mal so.
Alex hörte gar nicht hin, was Bea ihr so alles sagte, sie war nur tief betroffen. In einer Atempause von Bea warf sie zugegebenermaßen etwas schnippisch ein: “Und wie willst du das mit Peter regeln? Du hast mir doch selbst erzählt, er wird sich nicht an der Erziehung beteiligen?“
„Ach, Peter, der wird schon weich werden. Weißt du, unsere Beziehung ist einfach perfekt, und jetzt mit dem Kind ist sie noch perfekter, das wird auch Peter bald merken. Er ist ja so süß, auch wenn er gar nicht zeigt, dass er sich freut. Bestimmt weiß er nur nicht damit umzugehen. Du weißt ja, wie Männer sind.“
„Ja klar, aber ich weiß nicht, ob du dir da nichts vormachst. Männer ändern sich nicht, aber es ist ja toll, dass du nun die Situation anders einschätzt. Das freut mich für dich!“ Alex biss sich auf die Zunge, mehr wollte sie nicht sagen.
Beas Stimme war nun etwas schärfer. „Wieso sollte ich mir etwas vormachen? Peter und ich werden nun eine Familie gründen, mit allem Drum und Dran, was sollte denn da schief gehen? Ich glaube, du bist ganz einfach eifersüchtig, du hast mich ganz schön enttäuscht!“ Und mit einem lauten Scheppern legte sie wütend auf.
Alex hatte den Hörer noch eine Weile in der Hand, zugegeben, sie war eifersüchtig, und sich als Kinderwunschfrau sagen zu lassen, dass man es doch eben einfach mal so probieren solle, und dass das alles so toll sei, war ja auch hart. An diesen Worten knabberte sie noch eine Weile. Was sie aber viel mehr irritierte war die Textschleife, mit der Bea immer wieder sagte, die Beziehung sei perfekt. Einerseits gab es keine perfekte Beziehung, das wusste jeder, andererseits würde niemand, der nicht entsprechende Zweifel hatte, mehrfach beteuern, dass er eine so gute Beziehung führte.
Alex stand noch eine Weile sinnierend da, bevor sie sich aufraffen konnte, weiter die Wohnung zu putzen.
Alex 63
Alex putzte sich langsam und gemächlich durch die Wohnung, wobei sie tief in Gedanken versunken war. Das Gespräch mit Bea – wobei sie dachte, es sei ja gar kein Gespräch gewesen, sondern ein Monolog von Bea – hatte da neben dem wunden Punkt „Kind“ noch einen zweiten berührt: das perfekte Paar.
Nun sah sie Matthias und sich in keiner Weise als perfekt an, das war es nicht, sondern es schlich sich der Gedanke ein, dass ihre Ehe und Partnerschaft vielleicht ohne Kind gar nicht langfristig halten würde. Sowohl zu ihrem als auch zum Lebensplanes ihres Mannes gehörte mindestens ein Kind. Immer hatten sie davon gesprochen. Oder war nur sie es gewesen? Nein, sie erinnerte sich deutlich an Szenen, aus denen sie lesen konnte, dass sich Matthias wie sie die Zukunft mit Kindern vorstellte.
„Und was, wenn ich ihm das nicht bieten kann?“ Alex hatte diesen Gedanken immer wieder erfolgreich zur Seite geschoben, und immer wieder kam er wie der Teufel aus der Kiste zu ihr zurück. Was wäre wenn? Sie hätte des Öfteren versucht, dieses Thema bei Matthias anzuschneiden, doch der hatte mit Unverständnis reagiert. Sätze wie „Aber Schatz, warum sollte es denn ausgerechnet bei uns nicht klappen?“ oder „Du machst dir viel zu viele Gedanken, wenn es kommen will, dann kommt es“ oder schließlich „Wenn du dich so verkrampfst, dann kann es ja nicht klappen, also, Liebling, entspann dich.“
Doch wie zum Henker sollte sie sich entspannen, wenn die Welt um sie herum bevölkert war von Schwangeren, die ihr auch noch gute Ratschläge gaben, von Müttern, die ihr jegliche Kompetenz absprachen, von Frauenärzten, die sagten „Nun versteifen Sie sich man nicht, das kommt schon…“ und von Freundinnen, die ihr nur allzu deutlich zeigten, wie unfähig sie war?
Nie hätte sie gedacht, jemals in diese Situation zu kommen. Vermutlich, so musste sie sich eingestehen, hatte sie sich sogar lange heimlich über Paare lustig gemacht, bei denen es nicht sofort klappte. Verschämt überlegte sie, ob sie vielleicht auch einmal in jugendlicher Überheblichkeit Sprüche gebracht hatte, die sie heute zutiefst trafen.
Sie erinnerte sich da an eine Szene, als sie Anfang zwanzig war und ihr Studium begann. Sie hatte eine kleine Wohnung in einem Mehrfamilienhaus, und auf der Treppe begegnete sie einer netten jüngeren Nachbarin, die sie freundlich fragte, ob sie sich schon eingelebt habe.
„Ja“, hatte Alex gesagt, „ es ist wie für mich gemacht, ein schönes Haus und so ruhig, es toben ja keine Kinder im Treppenhaus, die einen stören könnten. Hier kann man sich wohl fühlen...“ Erst Jahre später hatte sie erfahren, dass diese Nachbarin alles getan hatte, um ein Kind zu bekommen, schließlich war sie mit ihrem Mann weggezogen und Alex wusste gar nicht, ob es noch geklappt hatte.
Heute war ihr diese Antwort peinlich, denn sie konnte nun ermessen, wie getroffen sich diese Frau gefühlt haben musste, als sei sie Schuld daran, dass es kein Kinderlachen auf der Treppe gab, und sie schämte sich, wie dumm und oberflächlich sie reagiert hatte.
Jeden Tag konnte es ihr so gehen, und würde auch sie später mit ihrem Mann hier wegziehen, fort von den Erinnerungen an den Kinderwunsch. Oder würde Matthias sogar bleiben?
Sie hatte ihm zum Vorwurf – allerdings vollständig berechtigt, wie sie meinte – gemacht, dass er einseitig die Lebensperspektive ändern wollte, als er von Job in Frankfurt sprach. Und was war, wenn sie die Lebensperspektive änderte, zwar unverschuldet aber dafür umso gravierender? Einerseits war sie sich sicher, dass Matthias zu ihr halten würde, andererseits nagte der Zweifel an ihr. Immerhin hatte sie des Öfteren beobachtet, wie sich ihr Mann in Gegenwart von Kindern benahm, und auch wenn er Alex manchmal durch eine steife Art, die er nach Alex Meinung früher nicht hatte, aufregte, war er dann doch wieder der super lockere Typ, in den sie sich verliebt hatte, und er wandte sich dann auch mit aller Intensität den Kindern so. So strahlende Augen hatte er bei seiner Frau lange nicht mehr gehabt wie beim Spielen mit seiner Nichte Henriette.
Alex straffte die Schultern, sie musste langsam einige Dinge für sich klären. Allerdings wusste sie derzeit gar nicht, ob sie die Ergebnisse hören wollte.
Alex putzte sich langsam und gemächlich durch die Wohnung, wobei sie tief in Gedanken versunken war. Das Gespräch mit Bea – wobei sie dachte, es sei ja gar kein Gespräch gewesen, sondern ein Monolog von Bea – hatte da neben dem wunden Punkt „Kind“ noch einen zweiten berührt: das perfekte Paar.
Nun sah sie Matthias und sich in keiner Weise als perfekt an, das war es nicht, sondern es schlich sich der Gedanke ein, dass ihre Ehe und Partnerschaft vielleicht ohne Kind gar nicht langfristig halten würde. Sowohl zu ihrem als auch zum Lebensplanes ihres Mannes gehörte mindestens ein Kind. Immer hatten sie davon gesprochen. Oder war nur sie es gewesen? Nein, sie erinnerte sich deutlich an Szenen, aus denen sie lesen konnte, dass sich Matthias wie sie die Zukunft mit Kindern vorstellte.
„Und was, wenn ich ihm das nicht bieten kann?“ Alex hatte diesen Gedanken immer wieder erfolgreich zur Seite geschoben, und immer wieder kam er wie der Teufel aus der Kiste zu ihr zurück. Was wäre wenn? Sie hätte des Öfteren versucht, dieses Thema bei Matthias anzuschneiden, doch der hatte mit Unverständnis reagiert. Sätze wie „Aber Schatz, warum sollte es denn ausgerechnet bei uns nicht klappen?“ oder „Du machst dir viel zu viele Gedanken, wenn es kommen will, dann kommt es“ oder schließlich „Wenn du dich so verkrampfst, dann kann es ja nicht klappen, also, Liebling, entspann dich.“
Doch wie zum Henker sollte sie sich entspannen, wenn die Welt um sie herum bevölkert war von Schwangeren, die ihr auch noch gute Ratschläge gaben, von Müttern, die ihr jegliche Kompetenz absprachen, von Frauenärzten, die sagten „Nun versteifen Sie sich man nicht, das kommt schon…“ und von Freundinnen, die ihr nur allzu deutlich zeigten, wie unfähig sie war?
Nie hätte sie gedacht, jemals in diese Situation zu kommen. Vermutlich, so musste sie sich eingestehen, hatte sie sich sogar lange heimlich über Paare lustig gemacht, bei denen es nicht sofort klappte. Verschämt überlegte sie, ob sie vielleicht auch einmal in jugendlicher Überheblichkeit Sprüche gebracht hatte, die sie heute zutiefst trafen.
Sie erinnerte sich da an eine Szene, als sie Anfang zwanzig war und ihr Studium begann. Sie hatte eine kleine Wohnung in einem Mehrfamilienhaus, und auf der Treppe begegnete sie einer netten jüngeren Nachbarin, die sie freundlich fragte, ob sie sich schon eingelebt habe.
„Ja“, hatte Alex gesagt, „ es ist wie für mich gemacht, ein schönes Haus und so ruhig, es toben ja keine Kinder im Treppenhaus, die einen stören könnten. Hier kann man sich wohl fühlen...“ Erst Jahre später hatte sie erfahren, dass diese Nachbarin alles getan hatte, um ein Kind zu bekommen, schließlich war sie mit ihrem Mann weggezogen und Alex wusste gar nicht, ob es noch geklappt hatte.
Heute war ihr diese Antwort peinlich, denn sie konnte nun ermessen, wie getroffen sich diese Frau gefühlt haben musste, als sei sie Schuld daran, dass es kein Kinderlachen auf der Treppe gab, und sie schämte sich, wie dumm und oberflächlich sie reagiert hatte.
Jeden Tag konnte es ihr so gehen, und würde auch sie später mit ihrem Mann hier wegziehen, fort von den Erinnerungen an den Kinderwunsch. Oder würde Matthias sogar bleiben?
Sie hatte ihm zum Vorwurf – allerdings vollständig berechtigt, wie sie meinte – gemacht, dass er einseitig die Lebensperspektive ändern wollte, als er von Job in Frankfurt sprach. Und was war, wenn sie die Lebensperspektive änderte, zwar unverschuldet aber dafür umso gravierender? Einerseits war sie sich sicher, dass Matthias zu ihr halten würde, andererseits nagte der Zweifel an ihr. Immerhin hatte sie des Öfteren beobachtet, wie sich ihr Mann in Gegenwart von Kindern benahm, und auch wenn er Alex manchmal durch eine steife Art, die er nach Alex Meinung früher nicht hatte, aufregte, war er dann doch wieder der super lockere Typ, in den sie sich verliebt hatte, und er wandte sich dann auch mit aller Intensität den Kindern so. So strahlende Augen hatte er bei seiner Frau lange nicht mehr gehabt wie beim Spielen mit seiner Nichte Henriette.
Alex straffte die Schultern, sie musste langsam einige Dinge für sich klären. Allerdings wusste sie derzeit gar nicht, ob sie die Ergebnisse hören wollte.
Alex 64
Als Matthias nach Hause kam, war die Wohnung blitzsauber, Kerzen waren frisch angezündet und erhellten eine gedeckten Tisch und alles duftete nach einem schönen Abend. Alex rief aus der Küche: „Ich bin gleich fertig!“ und Matthias wickelte noch schnell den Blumenstrauß aus, den er auf dem Rückweg für seine Frau gekauft hatte. Warum, das wusste er auch nicht so genau, es war so eine Mischung aus schlechtem Gewissen, wobei er sich eigentlich keiner Schuld bewusst war, und dem Bedürfnis, ihr eine Freude zu machen. Und da Alex rote Rosen mochte, wie er sich eingeprägt hatte, kaufte er in solchen Fällen immer diese Blumen, meist von Palmenblätter umgeben und mit Efeubeeren und -ranken aufgelockert.
„Für dich, mein Schatz…“ sagte er strahlend, als seine Frau aus der Küche kam.
„Och Mensch Matthias, das ist aber lieb von dir!“ Ganz Hausfrau stellte sie den Teller, den sie in der Hand hatte, ab und nahm die Blumen.
„Rote Rosen!“ Alex freute sich ehrlich, gerade heute konnte sie Trost gebrauchen. Doch als sie Vase herausgesucht hatte und in der Küche die Stiele schräg schnitt, überkamen sie ganz andere Gedanken. Was wäre, wenn Matthias fremd ginge und der Strauß nur eine Wiedergutmachung war? Oder was, wenn er sich von ihr trennen wollte? Alex hatte in ihren Studententagen eine Freund gehabt, der ihr zum Abschied ein Bund gelbe Tulpen geschenkt hatte mit den Worten „Du bist viel zu gut für mich“, und das, obwohl sie wusste, dass er Schnittblumen hasste. Und genau dieser Schreck wie beim Anblick der gelben Tulpen (die sie im übrigens bis heute nicht mochte) durchfuhr sie jetzt bei den Rosen.
„Vielleicht kann er es mit einer Frau wie mir gar nicht aushalten…“ dachte sie und schluckte schwer.
Zur gleichen Zeit schaute sich Matthias im Wohnzimmer um. Alex hatte das alles liebevoll eingerichtet und dekoriert. Vielleicht mochte er manche Spielerei nicht so gerne, wie die zwei geflügelten Schweine aus Gusseisen, die ihn nun aus einer Schale mit Duftblütenblättern angrinsten. Was hatte Alex lachend gesagt, als sie sie gekauft hatte? „Na, wenn die uns nicht endlich mal Glück bringen, dann weiß ich es auch nicht…“ Und Henriette hatte sie stundenlang betrachtet, als sie Onkel und Tante besucht hatte.
Damals hatte Kinderlachen den Raum erfüllt, und beide hatten stundenlang alle Warum-Fragen der Kleinen geduldig beantwortet. Und als Henriette dann abgeholt worden war, hatten Alex und er noch stundenlang aneinandergekuschelt gesessen und sich ausgemalt, wie es denn mit Kindern so sein würde. Das war ja nur ein paar Monate her, aber es erschien Matthias endlos. Zum ersten Mal hatte er ähnliche Gedanken wie Alex: Was passiert, wenn es mit dem Kind nicht klappte? Bisher hatte er ja nie ernsthaft einen Gedanken daran verschwendet, aber nachdem er all diese Informationen über den Kinderwunsch gelesen hatte, wusste er zumindest, dass es eben doch nicht so leicht war, Kinder zubekommen.
Matthias straffte die Schultern, er war sich sicher, das galt nicht für sie beide, immerhin hatte er bisher alles im Leben erreicht, was er hatte erreichen wollen. Und Alex straffte ebenfalls die Schultern, wenn es denn sein musste, dann musste es eben geklärt werden.
„Schatzi, gibt es einen Grund, dass du mir Blumen mitbringst?“
Matthias lachte und nahm sie in den Arm. „Nein, ich finde bloss, dass ich dich in letzter Zeit etwas vernachlässigt habe.“ Alex machte sich steif. Fing so nicht immer in Melodramen das Ende der Beziehung an. Musste sie da nicht mißtrauisch werden?
„Hmm… wie war denn dein Tag, war was Besonderes los?“
„Nö, wieso?“ Matthias machte das absolut unschuldige Gesicht eines Mannes, der etwas zu verbergen hat, allerdings etwas, was er durchaus irgendwann erzählen würde. Jede Frau kennt die unterschiedlichen Kategorien dieses vermeintlich lässigen „Nös“. Immerhin entspannte sich Alex dabei, sie musste also nur bohren.
„Okay, dann setz dich und wir essen, und dabei erzählst du mir, was losgewesen ist.“
„Was meinst du denn?“ wieder dieser Unschuldsblick. Alex musste nun schon fast lachen: Dass Männer immer meinen, man könne sie nicht durchschauen…
„Schatzi, wenn du so guckst, hast du etwas vor mir zu verbergen.“, insistierte Alex.
„Nein…“
„Okay, dann später?“ Alex ließ nicht locker.
„Sag mal, du hast doch vorhin angerufen, was war denn los?“ fiel Matthias der Anruf wieder ein. Eine Ablenkung vom Thema war ihm nur recht. Und Alex fing Feuer:
„Ich war heute Morgen bei Bea, und sie wollte das Kind nicht…“ Alex erzählte Matthais nun in allen Einzelheiten das erste Gespräch mit Bea. Und Matthias war betroffen und reagierte zum Erstaunen seiner Frau an den richtigen Stellen mit den – fast- richtigen Einwürfen. Naja, er war halt ein Mann, aber dafür war er diesmal erstaunlich gut bei der Sache.
„Solche Leute sollte man gleich sterilisieren, die ihre Kinder dann nicht haben wollen“… oder “Die hat das Kind ja auch nicht verdient“, derartige Sätze waren Balsam für Alex geschundene Seele. Und dann setzte Matthias noch eine Satz hinzu: “Aber ich finde, wir hätten das jetzt langsam verdient, oder?“ Und kurz darauf hatte Matthias erneut eine weinende Alex im Arm, die sich nun ganz sicher war, dass Matthias ebenso unter dem Kinderwunsch litt wie sie, während er merkte, wie sehr sie darunter litt. Doch keiner von beiden vermochte den Partner auf die brennende Frage anzusprechen: Was tust du, wenn ich Schuld habe?
Als Matthias nach Hause kam, war die Wohnung blitzsauber, Kerzen waren frisch angezündet und erhellten eine gedeckten Tisch und alles duftete nach einem schönen Abend. Alex rief aus der Küche: „Ich bin gleich fertig!“ und Matthias wickelte noch schnell den Blumenstrauß aus, den er auf dem Rückweg für seine Frau gekauft hatte. Warum, das wusste er auch nicht so genau, es war so eine Mischung aus schlechtem Gewissen, wobei er sich eigentlich keiner Schuld bewusst war, und dem Bedürfnis, ihr eine Freude zu machen. Und da Alex rote Rosen mochte, wie er sich eingeprägt hatte, kaufte er in solchen Fällen immer diese Blumen, meist von Palmenblätter umgeben und mit Efeubeeren und -ranken aufgelockert.
„Für dich, mein Schatz…“ sagte er strahlend, als seine Frau aus der Küche kam.
„Och Mensch Matthias, das ist aber lieb von dir!“ Ganz Hausfrau stellte sie den Teller, den sie in der Hand hatte, ab und nahm die Blumen.
„Rote Rosen!“ Alex freute sich ehrlich, gerade heute konnte sie Trost gebrauchen. Doch als sie Vase herausgesucht hatte und in der Küche die Stiele schräg schnitt, überkamen sie ganz andere Gedanken. Was wäre, wenn Matthias fremd ginge und der Strauß nur eine Wiedergutmachung war? Oder was, wenn er sich von ihr trennen wollte? Alex hatte in ihren Studententagen eine Freund gehabt, der ihr zum Abschied ein Bund gelbe Tulpen geschenkt hatte mit den Worten „Du bist viel zu gut für mich“, und das, obwohl sie wusste, dass er Schnittblumen hasste. Und genau dieser Schreck wie beim Anblick der gelben Tulpen (die sie im übrigens bis heute nicht mochte) durchfuhr sie jetzt bei den Rosen.
„Vielleicht kann er es mit einer Frau wie mir gar nicht aushalten…“ dachte sie und schluckte schwer.
Zur gleichen Zeit schaute sich Matthias im Wohnzimmer um. Alex hatte das alles liebevoll eingerichtet und dekoriert. Vielleicht mochte er manche Spielerei nicht so gerne, wie die zwei geflügelten Schweine aus Gusseisen, die ihn nun aus einer Schale mit Duftblütenblättern angrinsten. Was hatte Alex lachend gesagt, als sie sie gekauft hatte? „Na, wenn die uns nicht endlich mal Glück bringen, dann weiß ich es auch nicht…“ Und Henriette hatte sie stundenlang betrachtet, als sie Onkel und Tante besucht hatte.
Damals hatte Kinderlachen den Raum erfüllt, und beide hatten stundenlang alle Warum-Fragen der Kleinen geduldig beantwortet. Und als Henriette dann abgeholt worden war, hatten Alex und er noch stundenlang aneinandergekuschelt gesessen und sich ausgemalt, wie es denn mit Kindern so sein würde. Das war ja nur ein paar Monate her, aber es erschien Matthias endlos. Zum ersten Mal hatte er ähnliche Gedanken wie Alex: Was passiert, wenn es mit dem Kind nicht klappte? Bisher hatte er ja nie ernsthaft einen Gedanken daran verschwendet, aber nachdem er all diese Informationen über den Kinderwunsch gelesen hatte, wusste er zumindest, dass es eben doch nicht so leicht war, Kinder zubekommen.
Matthias straffte die Schultern, er war sich sicher, das galt nicht für sie beide, immerhin hatte er bisher alles im Leben erreicht, was er hatte erreichen wollen. Und Alex straffte ebenfalls die Schultern, wenn es denn sein musste, dann musste es eben geklärt werden.
„Schatzi, gibt es einen Grund, dass du mir Blumen mitbringst?“
Matthias lachte und nahm sie in den Arm. „Nein, ich finde bloss, dass ich dich in letzter Zeit etwas vernachlässigt habe.“ Alex machte sich steif. Fing so nicht immer in Melodramen das Ende der Beziehung an. Musste sie da nicht mißtrauisch werden?
„Hmm… wie war denn dein Tag, war was Besonderes los?“
„Nö, wieso?“ Matthias machte das absolut unschuldige Gesicht eines Mannes, der etwas zu verbergen hat, allerdings etwas, was er durchaus irgendwann erzählen würde. Jede Frau kennt die unterschiedlichen Kategorien dieses vermeintlich lässigen „Nös“. Immerhin entspannte sich Alex dabei, sie musste also nur bohren.
„Okay, dann setz dich und wir essen, und dabei erzählst du mir, was losgewesen ist.“
„Was meinst du denn?“ wieder dieser Unschuldsblick. Alex musste nun schon fast lachen: Dass Männer immer meinen, man könne sie nicht durchschauen…
„Schatzi, wenn du so guckst, hast du etwas vor mir zu verbergen.“, insistierte Alex.
„Nein…“
„Okay, dann später?“ Alex ließ nicht locker.
„Sag mal, du hast doch vorhin angerufen, was war denn los?“ fiel Matthias der Anruf wieder ein. Eine Ablenkung vom Thema war ihm nur recht. Und Alex fing Feuer:
„Ich war heute Morgen bei Bea, und sie wollte das Kind nicht…“ Alex erzählte Matthais nun in allen Einzelheiten das erste Gespräch mit Bea. Und Matthias war betroffen und reagierte zum Erstaunen seiner Frau an den richtigen Stellen mit den – fast- richtigen Einwürfen. Naja, er war halt ein Mann, aber dafür war er diesmal erstaunlich gut bei der Sache.
„Solche Leute sollte man gleich sterilisieren, die ihre Kinder dann nicht haben wollen“… oder “Die hat das Kind ja auch nicht verdient“, derartige Sätze waren Balsam für Alex geschundene Seele. Und dann setzte Matthias noch eine Satz hinzu: “Aber ich finde, wir hätten das jetzt langsam verdient, oder?“ Und kurz darauf hatte Matthias erneut eine weinende Alex im Arm, die sich nun ganz sicher war, dass Matthias ebenso unter dem Kinderwunsch litt wie sie, während er merkte, wie sehr sie darunter litt. Doch keiner von beiden vermochte den Partner auf die brennende Frage anzusprechen: Was tust du, wenn ich Schuld habe?
Zuletzt geändert von Kami am Di 29. Mai 2007, 10:15, insgesamt 1-mal geändert.
Alex 65
Zwei Tage später hatte Alex deutlichste Vorboten der „roten Pest“, zu gut kannte sie ihren Körper, als dass sie sich noch Illusionen machen musste: Auf der Waage stellte sie die üblichen 2 Kilogramm Menstruations-Zusatzgewicht fest, sie fühlte sich dick und behäbig und hatte einerseits ein charakteristisches Kribbeln in der Schamgegend, andererseits eine gute Darmtätigkeit. Kurz: Das Ende eines hoffnungsvollen Zyklus kündigte sich an und Alex war zum Heulen.
„Okay, dann kann ich wenigstens zum Frisör gehen!“ dachte sie halbherzig kämpferisch und suchte die Nummer von Tina heraus, die in der Nähe ihrer Wohnung einen kleinen aber feinen Frisörsalon unterhielt. Bei Tina Thiedemann gab es immer etwas zu lachen, und Kaffee gab es sogar gratis.
Alex hatte Glück: Es hatte eine Kundin abgesagt, und sie konnte deren Zeitraum besetzen.
„Hi Tina!“ Mit einem offenen Lachen begrüßte Alex Tina, die ihr beide Wangen bot.
„Hi, na, wie geht es dir? Hmmm… an den Haaren könnten wir heute so einiges verbessern…“ Tina ließ das Ende offen, kniff die Augen ein wenig zusammen und betrachtete Alex.
Sie selbst war groß gewachsen, gut 1,75m, und hatte schulterlange widerspenstig gewellte Haare ungewisser Ausgangsfarbe, denn bei jedem Besuch war die Farbe anders und das Styling auch. Heute hatte die Frisörin dunkelblonde Haare in leichten Wellen und hellere Strähnen.
„Wow, siehst ja fast seriös aus!“ entfuhr es Alex. Tina hatte sich durch die Frisur von einer kratzbürstigen Frau in eine damenhafte Mittdreißigerin verwandelt. Getönter Teint, der auf Urlaub Rückschlüsse zuließ, ein paar Pfunde weniger…
„Und, wie ist er?“ fragte Alex ungeniert. Sie ging nun mittlerweile mehrere Jahre zu Tina und hatte in der Zeit das Ende deren erster und den Niedergang ihrer zweiten Ehe mitansehen können und alles durchdiskutiert. Immerhin hatte Tina nun eine Tochter im pubertären Alter, und auch darüber hatten sich die beiden oft lachend ausgetauscht.
Tina strahlte: „Du, er ist ganz süß! Thorsten heißt er, ist überhaupt nicht mein Typ, aber er gibt mir so richtig die Sicherheit, die ich immer haben wollte.“
Inzwischen hatte sich Alex auf den ihr zugedachten Sessel placiert, eine Tasse Kaffee in der Hand und Tina vergrub ihre Händen in Alex’ Haaren, hob hier an und ließ dort fallen.
„So ein bisschen kürzen müssen wir schon, schau einmal, hier müssen wir nachschneiden, aber insgesamt hat sich der Schnitt gut gehalten.“ Tinas goldenen Händen waren wir gemacht für welliges und lockiges Haar, glatte schienen ihr Können weniger hervorzulocken.
Sie beugte sich über Alex Scheitel. „Und graue Haare hast du bekommen? Hast du Stress?“ Prüfend ließ sie ihre Finger durch das Haar gleiten.
„Tja, Süße, ich würde sagen, ein bisschen Strähnen in einer etwas dunkleren Farbe als deine, etwas ins rötlich, das ist unauffällig, hat aber eine ganz tollen Effekt.“ Alex nickte alles ab, solange ihre Haare nicht kurz wurden, war ihr alles egal, und sie hatte vollstes Vertrauen zu Tinas Können.
Während Tina also ihr Bestes gab, Alex Aussehen zu verschönern, tauschten die beiden sich über ihre Beziehungen aus. Tina war sogar eine der wenigen, die von Alex’ Kinderwunsch wusste, hier konnte sie frei plaudern, allerdings nicht ganz frei, aber so, dass sie zugeben konnte, dass sie gerne Kinder hätte und dass sie gedacht hätte, es ginge einfacher, ihn zu realisieren.
„Also, mit Thorsten möchte ich auch noch einmal ein Kind, aber weißt du, bei Andreas habe ich mich sterilisieren lassen, und da musste ich nun erst wieder rückgängig machen, ob das etwas hilft, weiß ich auch nicht. Ist noch ganz frisch, weißt du?“ Alex und Tina unterhielten sich also ganz locker über Eisprung, LH-Test, Wartezeiten usw. So wohl hatte sich Alex außer bei Hannah lange nicht gefühlt. Sie konnte sogar ihre Menstruation für zwei Stunden vergessen.
„Hey Tina, ich drücke dir die Daumen, das wird schon, bestimmt.“ Mit diesen Worten drückte sie ihr freundschaftlich einen Kuß auf die Wange und ging hinaus.
Ihr Haar hatte nun einen vollen dunkelbraun schimmernden Ton und war zu voller Lockenpracht gefönt und gestylt. Alex fand sich seit langem einmal wieder richtig attraktiv und freute sich, dass Männer sie auf der Straße mit ihren Blicken verfolgten.
„Was für ein schöner Tag“, dachte sie lächelnd und betrat die Konditorei schräg gegenüber, um sich ein Stück Apfelkuchen zu spendieren. Bei der Mens war es ja egal, sie hatte eh’ mehr Gewicht drauf.
Die Bedienung war eine alte Bekannte von Alex und begrüßte sie mit freundschaftlichen Lächeln: „Na, Frau Manthei, schick sehen Sie aus, wie frisch vom Frisör.“
Alex lachte. „Gut, dass man das wenigstens sieht, ich habe eben da drüben“ sie wies mit dem Kopf auf den Frisörsalon, „ein kleines Vermögen gelassen.“
„Ja, die Frau Thiedemann, die hat goldene Hände, sag’ ich immer. Und nun hat sie ja auch diesen neuen Freund, ein ganz netter, ich seh’ ihn manchmal, wenn er sie abholt. Hier bleibt ja nichts geheim.“ Sie lächelte verschwörerisch und senkte die Stimme ein wenig: „Aber dass das so schnell gehen muß?“
„Na ja, ist doch schön, dass sie, wenn die Ehe kaputt ist, nicht allein da steht, oder?“ sagte Alex versöhnlich. Die Bedienung winkte ab: „Das meine ich ja nicht, sondern das mit dem Kind. Naja, weiß ja noch kaum jemand…“
„Mit welchem Kind. Soll Laura nicht bei den beiden wohnen, oder was?“
„Nee, nicht Laura, das zweite, über das habe ich gesprochen. Ging doch schnell, oder?“
Vor Alex tat sich ein großes Loch auf. Statt des Kuchens schaffte sie es gerade noch, leicht verstockt ein Vollkornbrot zu erstehen, um dann innerlich getroffen nach Hause zu gehen. Ihr Bedarf an Gesprächen war gedeckt.
Zwei Tage später hatte Alex deutlichste Vorboten der „roten Pest“, zu gut kannte sie ihren Körper, als dass sie sich noch Illusionen machen musste: Auf der Waage stellte sie die üblichen 2 Kilogramm Menstruations-Zusatzgewicht fest, sie fühlte sich dick und behäbig und hatte einerseits ein charakteristisches Kribbeln in der Schamgegend, andererseits eine gute Darmtätigkeit. Kurz: Das Ende eines hoffnungsvollen Zyklus kündigte sich an und Alex war zum Heulen.
„Okay, dann kann ich wenigstens zum Frisör gehen!“ dachte sie halbherzig kämpferisch und suchte die Nummer von Tina heraus, die in der Nähe ihrer Wohnung einen kleinen aber feinen Frisörsalon unterhielt. Bei Tina Thiedemann gab es immer etwas zu lachen, und Kaffee gab es sogar gratis.
Alex hatte Glück: Es hatte eine Kundin abgesagt, und sie konnte deren Zeitraum besetzen.
„Hi Tina!“ Mit einem offenen Lachen begrüßte Alex Tina, die ihr beide Wangen bot.
„Hi, na, wie geht es dir? Hmmm… an den Haaren könnten wir heute so einiges verbessern…“ Tina ließ das Ende offen, kniff die Augen ein wenig zusammen und betrachtete Alex.
Sie selbst war groß gewachsen, gut 1,75m, und hatte schulterlange widerspenstig gewellte Haare ungewisser Ausgangsfarbe, denn bei jedem Besuch war die Farbe anders und das Styling auch. Heute hatte die Frisörin dunkelblonde Haare in leichten Wellen und hellere Strähnen.
„Wow, siehst ja fast seriös aus!“ entfuhr es Alex. Tina hatte sich durch die Frisur von einer kratzbürstigen Frau in eine damenhafte Mittdreißigerin verwandelt. Getönter Teint, der auf Urlaub Rückschlüsse zuließ, ein paar Pfunde weniger…
„Und, wie ist er?“ fragte Alex ungeniert. Sie ging nun mittlerweile mehrere Jahre zu Tina und hatte in der Zeit das Ende deren erster und den Niedergang ihrer zweiten Ehe mitansehen können und alles durchdiskutiert. Immerhin hatte Tina nun eine Tochter im pubertären Alter, und auch darüber hatten sich die beiden oft lachend ausgetauscht.
Tina strahlte: „Du, er ist ganz süß! Thorsten heißt er, ist überhaupt nicht mein Typ, aber er gibt mir so richtig die Sicherheit, die ich immer haben wollte.“
Inzwischen hatte sich Alex auf den ihr zugedachten Sessel placiert, eine Tasse Kaffee in der Hand und Tina vergrub ihre Händen in Alex’ Haaren, hob hier an und ließ dort fallen.
„So ein bisschen kürzen müssen wir schon, schau einmal, hier müssen wir nachschneiden, aber insgesamt hat sich der Schnitt gut gehalten.“ Tinas goldenen Händen waren wir gemacht für welliges und lockiges Haar, glatte schienen ihr Können weniger hervorzulocken.
Sie beugte sich über Alex Scheitel. „Und graue Haare hast du bekommen? Hast du Stress?“ Prüfend ließ sie ihre Finger durch das Haar gleiten.
„Tja, Süße, ich würde sagen, ein bisschen Strähnen in einer etwas dunkleren Farbe als deine, etwas ins rötlich, das ist unauffällig, hat aber eine ganz tollen Effekt.“ Alex nickte alles ab, solange ihre Haare nicht kurz wurden, war ihr alles egal, und sie hatte vollstes Vertrauen zu Tinas Können.
Während Tina also ihr Bestes gab, Alex Aussehen zu verschönern, tauschten die beiden sich über ihre Beziehungen aus. Tina war sogar eine der wenigen, die von Alex’ Kinderwunsch wusste, hier konnte sie frei plaudern, allerdings nicht ganz frei, aber so, dass sie zugeben konnte, dass sie gerne Kinder hätte und dass sie gedacht hätte, es ginge einfacher, ihn zu realisieren.
„Also, mit Thorsten möchte ich auch noch einmal ein Kind, aber weißt du, bei Andreas habe ich mich sterilisieren lassen, und da musste ich nun erst wieder rückgängig machen, ob das etwas hilft, weiß ich auch nicht. Ist noch ganz frisch, weißt du?“ Alex und Tina unterhielten sich also ganz locker über Eisprung, LH-Test, Wartezeiten usw. So wohl hatte sich Alex außer bei Hannah lange nicht gefühlt. Sie konnte sogar ihre Menstruation für zwei Stunden vergessen.
„Hey Tina, ich drücke dir die Daumen, das wird schon, bestimmt.“ Mit diesen Worten drückte sie ihr freundschaftlich einen Kuß auf die Wange und ging hinaus.
Ihr Haar hatte nun einen vollen dunkelbraun schimmernden Ton und war zu voller Lockenpracht gefönt und gestylt. Alex fand sich seit langem einmal wieder richtig attraktiv und freute sich, dass Männer sie auf der Straße mit ihren Blicken verfolgten.
„Was für ein schöner Tag“, dachte sie lächelnd und betrat die Konditorei schräg gegenüber, um sich ein Stück Apfelkuchen zu spendieren. Bei der Mens war es ja egal, sie hatte eh’ mehr Gewicht drauf.
Die Bedienung war eine alte Bekannte von Alex und begrüßte sie mit freundschaftlichen Lächeln: „Na, Frau Manthei, schick sehen Sie aus, wie frisch vom Frisör.“
Alex lachte. „Gut, dass man das wenigstens sieht, ich habe eben da drüben“ sie wies mit dem Kopf auf den Frisörsalon, „ein kleines Vermögen gelassen.“
„Ja, die Frau Thiedemann, die hat goldene Hände, sag’ ich immer. Und nun hat sie ja auch diesen neuen Freund, ein ganz netter, ich seh’ ihn manchmal, wenn er sie abholt. Hier bleibt ja nichts geheim.“ Sie lächelte verschwörerisch und senkte die Stimme ein wenig: „Aber dass das so schnell gehen muß?“
„Na ja, ist doch schön, dass sie, wenn die Ehe kaputt ist, nicht allein da steht, oder?“ sagte Alex versöhnlich. Die Bedienung winkte ab: „Das meine ich ja nicht, sondern das mit dem Kind. Naja, weiß ja noch kaum jemand…“
„Mit welchem Kind. Soll Laura nicht bei den beiden wohnen, oder was?“
„Nee, nicht Laura, das zweite, über das habe ich gesprochen. Ging doch schnell, oder?“
Vor Alex tat sich ein großes Loch auf. Statt des Kuchens schaffte sie es gerade noch, leicht verstockt ein Vollkornbrot zu erstehen, um dann innerlich getroffen nach Hause zu gehen. Ihr Bedarf an Gesprächen war gedeckt.
Alex 66
Ausgerechnet in diese Zeit fiel der Tag, an dem Alex und Matthias alte Freunde besuchen würden - oder mussten, wie Alex sich selbst sagte - , die einen inzwischen drei Monate alten Sohn hatten. Lange hatte sich Alex davor gedrückt, das Baby zu besuchen. Denn kleine Kinder zu besuchen, wo sie selbst sich doch so sehnlichst eines wünschte, deprimierte sie zunehmend. Deshalb hatte sie immer nur ganz vorsichtig bei Matthias nachgefragt, wie es der jungen Familie so ginge, denn eigentlich waren ja nur Matthias und Michael richtig gut befreundet.
Sie und Manuela, Michaels Frau, hatten sich früher zwar gut verstanden, aber in der Schwangerschaft von Manuela hatte es einen heftigen Knacks in der lockeren Frauenfreundschaft gegeben. Manuela hatte ihr irgendwann Ende des 3. Monats unterbreitet, Alex könne ihr nicht helfen, schließlich sei sie ja nicht schwanger, und wüsste auch nichts davon, wie das ist. Leise hatte Alex auch in dieser Situation gesagt:
„Nein, das ist wohl war, das weiß ich nicht“, aber der Satz „Du hast ja keine Ahnung, wie das ist, schwanger zu sein“ war wie ein Schlag ins Gesicht gewesen, zu oft hatte sie ihn ertragen müssen. Alex konnte Manuelas Auffassung auch damit nicht entschuldigen, dass diese nicht wusste, dass sie bereits seit Monaten am Üben waren. Seitdem herrschte mehr oder weniger Funkstille bei beiden. Und – was noch viel schwerer war – der Satz stimmte ja und war durch nichts anderes als durch einen dicken Bauch irgendwann – oder hoffentlich überhaupt – zu entkräften.
Heute Abend aber waren sie bei der kleinen Familie zum Essen eingeladen: Es fand sich diesmal einfach kein Grund mehr, nicht hin zu gehen. Also steuerte Alex schicksalsergeben ihren Wagen auf den Parkplatz von Baby Walz, um ein kleines Geschenk zu suchen. Sie nahm die Schultern zurück und reckte die Nase ein klein wenig in die Höhe, als sie die Hölle einer jeden Frau mit unerfülltem Kinderwunsch betrat.
„Komm Mädel, stell dich nicht an“, beschwor sie sich selbst, um nicht immer wieder auf die dicken Bäuche zu starren, die links und rechts von ihr unterwegs waren, nicht vor Muttergefühlen zu zerfließen, wenn ein Neugeborenes mit den großen Kulleraugen die Welt entdeckte und ihr zuckersüße Blicke zuwarf oder Väter zu sehen, die glücklich ihre schwangere Frauen durch die Gänge führten. All das dokumentierte wieder einmal mehr Alex Unvermögen, zumindest hatte sie das Gefühl.
Alex beschleunigte ein wenig den Schritt, vorbei an den Kinderwagen, Stillzubehör hin zu den netten kleinen Kuschelsachen. Ein Riesenregal, vor dem sie mindestens 20 Minuten stand und fast alles einmal herausnahm, die Weichheit spürte und sich vorstellte, welcher Teil des Tieres als erstes als Schnullerersatz angelutscht wurde.
„Mensch, ist der Bär niedlich.“ Alex nahm ihn aus dem Regal und wiegte ihn ein wenig im Arm. Sie strich ihm über das Fell mit und gegen den Strich und polierte seine Knopfaugen, die irgendwie ein wenig Staub angesammelt zu haben schienen. „So einen hole ich dann auch…“ dachte sie und bedachte alles in „dann“ Zusammengefasste mit einem wehmütigen Blick.
Zu guter Letzt entschied sie sich für eine zuckersüße Plüsch-Spielfigur, die sich dadurch auszeichnete, dass die Musik nicht so schrebblig war, wie in so vielen anderen Spieluhren und dazu noch schön langsam abspielte. In der rechten Hand hielt Alex ein kleines Nuckeltuch-Tierchen. Sie rang mit sich, ob sie es nun kaufen sollte oder nicht. Nein, nicht für Manuela, sondern für sich selbst. Schließlich soll sich ja ein neues Leben bei ihr willkommen fühlen. Wie sagen die Chinesen, was man als Vorbereitung für ein Kind tun sollte? „Dem Kind ein Nest bauen“, bestätigte Alex sich selbst. „Und außerdem kann ich dann immer damit kuscheln, wenn Matthias mal wieder auf Dienstreise ist.“
Beherzt packte sie die Spieluhr, behielt das Schnuffeltuch in der Hand und marschierte zur Kasse, ließ die Spieluhr als Geschenk einpacken und bezahlte beides. Kurz hatte sie ja damit gerungen, auch das Nicki-Tier als Geschenk für ihren kleinen Krümel, wenn er denn irgendwann kommen würde, einzupacken, aber bis dahin sollte das Tier doch ihr selbst als Trost dienen, hatte sie schließlich entschieden.
Sie freute sich, als sie draußen wieder frische Luft schnappen konnte und die Sonne das Gemüt ein klein wenig erhellte. Gegenüber von BabyWalz war ein Supermarkt, und da Alex noch nichts fürs Wochenende eingekauft hatte, packte sie schnell das Geschenk samt Schnuffeltuch ins Auto und ging hinüber.
Eine halbe Stunde später kam sie mit einer prall gefüllten Einkaufstüte und einem Blumenstrauß für Manuela aus dem Supermarkt geschlendert. Um zum Parkplatz von Baby Walz zu gelangen, musste sie eine breite aber kurze Stahl-Treppe hochgehen. Sie war nicht alleine, eine junge Frau mit einem Kind von etwa einem halben Jahr auf dem Arm ging etwa gleichzeitig neben ihr zum Parkplatz. Plötzlich verfehlte diese Frau die nächste Stufe, ging wie in Zeitlupe in die Knie und rutschte in unnatürlich verrenkter Art die Treppe herunter. Dort blieb sie liegen.
Alex war durch Einkaufstüte, Handtasche und Blumenstrauß zu sehr gehandicapt, als dass sie den Fall hätte aufhalten können, nun aber warf sie alles zur Seite, und hockte sich neben die Frau, die hysterisch schrie: „Nehmen Sie mein Baby!“
Alex schnappte sich den süßen Kerl und beruhigte die Frau ein wenig. Es war ihr schnell klar, dass die Frau eine Verletzung am Fuß davongetragen hatte.
„Hallo, können Sie uns helfen?“ Mit dem Kind auf dem Arm half sie der Frau in eine bequeme Position und bat einen jüngeren Mann, den sie bereits im Supermarkt gesehen hatte und der sich neben beide gehockt hatte: „Könnten Sie bitte in den Supermarkt gehen und etwas Eis aus der Fischtheke besorgen?“
Ohne zu Zögern sprang der Angesprochene auf und steuerte in den angrenzenden Fachhandel für Tiernahrung.
„Was will er denn nun da?“ fragte sich Alex. Egal, sie beruhigte weiterhin die Frau mit den typischen Floskeln „Wird schon nicht so schlimm sein, ihrem Sohn geht’s gut“...
Wie selbstverständlich hatte sie die ganze Zeit den kleinen süßen Racker auf dem Arm, der ganz fasziniert an ihrer Kette herumspielte. Sie sah ihn nun genauer an. Wie niedlich er war mit seiner gestreiften Latzhose und dem blonden Haar, den blauen Augen, einfach zum Klauen süß, wie man so schön sagt.
„Wie einfach wäre es jetzt, mit dem Kleinen einfach so wegzurennen. Dann hätte ich endlich das Baby, was ich mir so lange wünsche, und das ganz ohne Schwangerschaftsstreifen.“ Alex musste schon fast über sich selbst lächeln bei diesem Gedanken.
„Er scheint noch dazu ein ausgeglichenes Baby zu sein, er hatte nicht einmal geschrieen oder gejammert.....“ dachte sie bei sich und drückte ihn noch einmal an sich.
Noch ganz in die kriminellen Gedanken der Kindsentführung versunken, kam der von ihr um Eis weggeschickte aus dem Tiernahrungshandel heraus, in der Hand zwei tiefgekühlte Hundewürste. Alex verdrehte die Augen. „Egal, besser als nichts,“ dachte sie.
Der junge Mann machte ohne zu Zögern sich an die Arbeit und kühlte den verletzten Fuß. „Wie kann man auch solche Schuhe anziehen“. Alex schüttelte innerlich den Kopf. Rosa Prada-Schühchen, so ähnlich wie Mokassins mit Gummi an der Seite.
„Merke“, dachte Alex bei sich, „ziehe nur festes Schuhwerk an, wenn du mit deinem Baby unterwegs bist. Mit solchen Schuhen kann man ja nur stürzen“. Sie hatte sich angewöhnt, nicht nur nach dem Eisprung mit potentiellem Leben zu reden, sondern sich auch eine Liste zu machen, was sie im Falle einer Schwangerschaft alles tun und lassen würde.
Plötzlich merkte Alex, dass der kleine Wurm, den sie immer noch eng an sich hielt, seine Hände in die Höhe streckte und gluckste. Neben Alex stand plötzlich ein Mann von Mitte Dreißig und schaute besorgt die Kranke und das Kind an.
„Hallo Schatz“, jammerte die verletzte Frau irgendwie übertrieben dramatisch, wie Alex fand, „Ich bin hingefallen, ich glaube, ich habe einen Bänderriss. Gott sei Dank war die Frau hier da!“ Sie zeigte auf Alex und lächelte etwas schmerzverzogen.
„Sie können mir jetzt den Kleinen geben“, meinte der Mann, den die Verletzte zuvor per Handy angerufen hatte, zu Alex. Mit dem Gefühl, ihr eigenes Kind einem Fremden geben zu müssen, reichte sie ihm das kleine Bündel, das begeistert immer noch die Arme nach Papa ausstreckte. Alex schaute wehmütig zu und fragte sich wie so oft an diesem Tag, ob sie jemals das Glück haben würde, Matthias ein eigenes Kind so in den Arm reichen zu dürfen.
„Ich kümmere mich jetzt um meine Frau, danke, dass Sie ihr geholfen haben“.
„Das war doch selbstverständlich. Gute Besserung!“.
Etwas wirr im Kopf packte Alex die Einkaufstüte, ihre Handtasche und die Blumen und ging zum Auto. Noch einmal ließ sie den Blick über die Familie schweifen, knuddelte in Gedanken den Kleinen und dachte bei sich „Wer weiß wie lange sie gebraucht hat, um schwanger zu werden. Es gibt keinen Grund, ihr jetzt das Glück zu neiden!“ Mit einem viel besseren Gefühl und mit der inneren Sicherheit, den anstehenden Babybesuch zu überstehen, machte sich Alex auf den Weg nach Hause.
Ausgerechnet in diese Zeit fiel der Tag, an dem Alex und Matthias alte Freunde besuchen würden - oder mussten, wie Alex sich selbst sagte - , die einen inzwischen drei Monate alten Sohn hatten. Lange hatte sich Alex davor gedrückt, das Baby zu besuchen. Denn kleine Kinder zu besuchen, wo sie selbst sich doch so sehnlichst eines wünschte, deprimierte sie zunehmend. Deshalb hatte sie immer nur ganz vorsichtig bei Matthias nachgefragt, wie es der jungen Familie so ginge, denn eigentlich waren ja nur Matthias und Michael richtig gut befreundet.
Sie und Manuela, Michaels Frau, hatten sich früher zwar gut verstanden, aber in der Schwangerschaft von Manuela hatte es einen heftigen Knacks in der lockeren Frauenfreundschaft gegeben. Manuela hatte ihr irgendwann Ende des 3. Monats unterbreitet, Alex könne ihr nicht helfen, schließlich sei sie ja nicht schwanger, und wüsste auch nichts davon, wie das ist. Leise hatte Alex auch in dieser Situation gesagt:
„Nein, das ist wohl war, das weiß ich nicht“, aber der Satz „Du hast ja keine Ahnung, wie das ist, schwanger zu sein“ war wie ein Schlag ins Gesicht gewesen, zu oft hatte sie ihn ertragen müssen. Alex konnte Manuelas Auffassung auch damit nicht entschuldigen, dass diese nicht wusste, dass sie bereits seit Monaten am Üben waren. Seitdem herrschte mehr oder weniger Funkstille bei beiden. Und – was noch viel schwerer war – der Satz stimmte ja und war durch nichts anderes als durch einen dicken Bauch irgendwann – oder hoffentlich überhaupt – zu entkräften.
Heute Abend aber waren sie bei der kleinen Familie zum Essen eingeladen: Es fand sich diesmal einfach kein Grund mehr, nicht hin zu gehen. Also steuerte Alex schicksalsergeben ihren Wagen auf den Parkplatz von Baby Walz, um ein kleines Geschenk zu suchen. Sie nahm die Schultern zurück und reckte die Nase ein klein wenig in die Höhe, als sie die Hölle einer jeden Frau mit unerfülltem Kinderwunsch betrat.
„Komm Mädel, stell dich nicht an“, beschwor sie sich selbst, um nicht immer wieder auf die dicken Bäuche zu starren, die links und rechts von ihr unterwegs waren, nicht vor Muttergefühlen zu zerfließen, wenn ein Neugeborenes mit den großen Kulleraugen die Welt entdeckte und ihr zuckersüße Blicke zuwarf oder Väter zu sehen, die glücklich ihre schwangere Frauen durch die Gänge führten. All das dokumentierte wieder einmal mehr Alex Unvermögen, zumindest hatte sie das Gefühl.
Alex beschleunigte ein wenig den Schritt, vorbei an den Kinderwagen, Stillzubehör hin zu den netten kleinen Kuschelsachen. Ein Riesenregal, vor dem sie mindestens 20 Minuten stand und fast alles einmal herausnahm, die Weichheit spürte und sich vorstellte, welcher Teil des Tieres als erstes als Schnullerersatz angelutscht wurde.
„Mensch, ist der Bär niedlich.“ Alex nahm ihn aus dem Regal und wiegte ihn ein wenig im Arm. Sie strich ihm über das Fell mit und gegen den Strich und polierte seine Knopfaugen, die irgendwie ein wenig Staub angesammelt zu haben schienen. „So einen hole ich dann auch…“ dachte sie und bedachte alles in „dann“ Zusammengefasste mit einem wehmütigen Blick.
Zu guter Letzt entschied sie sich für eine zuckersüße Plüsch-Spielfigur, die sich dadurch auszeichnete, dass die Musik nicht so schrebblig war, wie in so vielen anderen Spieluhren und dazu noch schön langsam abspielte. In der rechten Hand hielt Alex ein kleines Nuckeltuch-Tierchen. Sie rang mit sich, ob sie es nun kaufen sollte oder nicht. Nein, nicht für Manuela, sondern für sich selbst. Schließlich soll sich ja ein neues Leben bei ihr willkommen fühlen. Wie sagen die Chinesen, was man als Vorbereitung für ein Kind tun sollte? „Dem Kind ein Nest bauen“, bestätigte Alex sich selbst. „Und außerdem kann ich dann immer damit kuscheln, wenn Matthias mal wieder auf Dienstreise ist.“
Beherzt packte sie die Spieluhr, behielt das Schnuffeltuch in der Hand und marschierte zur Kasse, ließ die Spieluhr als Geschenk einpacken und bezahlte beides. Kurz hatte sie ja damit gerungen, auch das Nicki-Tier als Geschenk für ihren kleinen Krümel, wenn er denn irgendwann kommen würde, einzupacken, aber bis dahin sollte das Tier doch ihr selbst als Trost dienen, hatte sie schließlich entschieden.
Sie freute sich, als sie draußen wieder frische Luft schnappen konnte und die Sonne das Gemüt ein klein wenig erhellte. Gegenüber von BabyWalz war ein Supermarkt, und da Alex noch nichts fürs Wochenende eingekauft hatte, packte sie schnell das Geschenk samt Schnuffeltuch ins Auto und ging hinüber.
Eine halbe Stunde später kam sie mit einer prall gefüllten Einkaufstüte und einem Blumenstrauß für Manuela aus dem Supermarkt geschlendert. Um zum Parkplatz von Baby Walz zu gelangen, musste sie eine breite aber kurze Stahl-Treppe hochgehen. Sie war nicht alleine, eine junge Frau mit einem Kind von etwa einem halben Jahr auf dem Arm ging etwa gleichzeitig neben ihr zum Parkplatz. Plötzlich verfehlte diese Frau die nächste Stufe, ging wie in Zeitlupe in die Knie und rutschte in unnatürlich verrenkter Art die Treppe herunter. Dort blieb sie liegen.
Alex war durch Einkaufstüte, Handtasche und Blumenstrauß zu sehr gehandicapt, als dass sie den Fall hätte aufhalten können, nun aber warf sie alles zur Seite, und hockte sich neben die Frau, die hysterisch schrie: „Nehmen Sie mein Baby!“
Alex schnappte sich den süßen Kerl und beruhigte die Frau ein wenig. Es war ihr schnell klar, dass die Frau eine Verletzung am Fuß davongetragen hatte.
„Hallo, können Sie uns helfen?“ Mit dem Kind auf dem Arm half sie der Frau in eine bequeme Position und bat einen jüngeren Mann, den sie bereits im Supermarkt gesehen hatte und der sich neben beide gehockt hatte: „Könnten Sie bitte in den Supermarkt gehen und etwas Eis aus der Fischtheke besorgen?“
Ohne zu Zögern sprang der Angesprochene auf und steuerte in den angrenzenden Fachhandel für Tiernahrung.
„Was will er denn nun da?“ fragte sich Alex. Egal, sie beruhigte weiterhin die Frau mit den typischen Floskeln „Wird schon nicht so schlimm sein, ihrem Sohn geht’s gut“...
Wie selbstverständlich hatte sie die ganze Zeit den kleinen süßen Racker auf dem Arm, der ganz fasziniert an ihrer Kette herumspielte. Sie sah ihn nun genauer an. Wie niedlich er war mit seiner gestreiften Latzhose und dem blonden Haar, den blauen Augen, einfach zum Klauen süß, wie man so schön sagt.
„Wie einfach wäre es jetzt, mit dem Kleinen einfach so wegzurennen. Dann hätte ich endlich das Baby, was ich mir so lange wünsche, und das ganz ohne Schwangerschaftsstreifen.“ Alex musste schon fast über sich selbst lächeln bei diesem Gedanken.
„Er scheint noch dazu ein ausgeglichenes Baby zu sein, er hatte nicht einmal geschrieen oder gejammert.....“ dachte sie bei sich und drückte ihn noch einmal an sich.
Noch ganz in die kriminellen Gedanken der Kindsentführung versunken, kam der von ihr um Eis weggeschickte aus dem Tiernahrungshandel heraus, in der Hand zwei tiefgekühlte Hundewürste. Alex verdrehte die Augen. „Egal, besser als nichts,“ dachte sie.
Der junge Mann machte ohne zu Zögern sich an die Arbeit und kühlte den verletzten Fuß. „Wie kann man auch solche Schuhe anziehen“. Alex schüttelte innerlich den Kopf. Rosa Prada-Schühchen, so ähnlich wie Mokassins mit Gummi an der Seite.
„Merke“, dachte Alex bei sich, „ziehe nur festes Schuhwerk an, wenn du mit deinem Baby unterwegs bist. Mit solchen Schuhen kann man ja nur stürzen“. Sie hatte sich angewöhnt, nicht nur nach dem Eisprung mit potentiellem Leben zu reden, sondern sich auch eine Liste zu machen, was sie im Falle einer Schwangerschaft alles tun und lassen würde.
Plötzlich merkte Alex, dass der kleine Wurm, den sie immer noch eng an sich hielt, seine Hände in die Höhe streckte und gluckste. Neben Alex stand plötzlich ein Mann von Mitte Dreißig und schaute besorgt die Kranke und das Kind an.
„Hallo Schatz“, jammerte die verletzte Frau irgendwie übertrieben dramatisch, wie Alex fand, „Ich bin hingefallen, ich glaube, ich habe einen Bänderriss. Gott sei Dank war die Frau hier da!“ Sie zeigte auf Alex und lächelte etwas schmerzverzogen.
„Sie können mir jetzt den Kleinen geben“, meinte der Mann, den die Verletzte zuvor per Handy angerufen hatte, zu Alex. Mit dem Gefühl, ihr eigenes Kind einem Fremden geben zu müssen, reichte sie ihm das kleine Bündel, das begeistert immer noch die Arme nach Papa ausstreckte. Alex schaute wehmütig zu und fragte sich wie so oft an diesem Tag, ob sie jemals das Glück haben würde, Matthias ein eigenes Kind so in den Arm reichen zu dürfen.
„Ich kümmere mich jetzt um meine Frau, danke, dass Sie ihr geholfen haben“.
„Das war doch selbstverständlich. Gute Besserung!“.
Etwas wirr im Kopf packte Alex die Einkaufstüte, ihre Handtasche und die Blumen und ging zum Auto. Noch einmal ließ sie den Blick über die Familie schweifen, knuddelte in Gedanken den Kleinen und dachte bei sich „Wer weiß wie lange sie gebraucht hat, um schwanger zu werden. Es gibt keinen Grund, ihr jetzt das Glück zu neiden!“ Mit einem viel besseren Gefühl und mit der inneren Sicherheit, den anstehenden Babybesuch zu überstehen, machte sich Alex auf den Weg nach Hause.
Alex 67
Mit einem komischen Gefühl im Bauch drückte Alex den Klingelknopf bei Michael und Manuela – und bei Tom, dem fast neuen Erdenbürger. Schon auf der Hinfahrt hatte Alex Matthias immer wieder unsicher von der Seite her angesehen, ob in ihm irgendwelche Gefühlsregungen zu erkennen waren. Aber er hatte sich nichts ansehen lassen, sondern hatte munter das Wetter gelobt und über andere Dinge geplaudert. Nur Alex hing offensichtlich ihren Gedanken nach. Und die drehten sich nach wie vor um den Kinderwunsch.
„Hallo Ihr beiden, schön, dass Ihr da seid“, mit diesen Worten öffnete Manuela nach kurzer Wartezeit vor der Tür. Alex strahlte sie an.
„Schön, dass es endlich klappt mit dem Treffen!“ Mit diesen Worten gab sie ihr die Blumen und hielt Manuela das Geschenk für Tom hin.
„Oh, das wäre doch nicht nötig gewesen, er hat doch schon alles…“ entgegnete Manuela darauf. Und Alex hatte in diesem Augenblick das Gefühl, wieder einmal zurückgestossen zu werden. Unterstellte man ihr, dass sie nicht einmal dazu in der Lage war, für ein kleines Baby ein Geschenk zu kaufen?
„Na, das fängt ja gut an“, dachte sie, bevor sie sagte „Aber vielleicht hat er trotzdem seine Freude dran.“ Und so nahm sie Manuela den Wind aus den Segeln, die nun einen Bruchteil einer Sekunde betroffen schaute, sich aber sofort fing.
Alex betrachtete Manuela, die immer so besonders stolz auf ihre ranke Figur war, und zu ihrer kleinen und – wie sie selbst zugeben musste gehässigen- Genugtuung stellte sie kritisch fest, dass Manuela ein paar Pfunde zugenommen hatte und sie nach der Geburt noch nicht wieder zu ihrer guten Figur zurückgefunden hatte.
„Gut siehst du aus“, sagte Manuela in diesem Augenblick und schaute Alex so offen an, dass diese ein schlechtes Gewissen wegen ihrer schlechten Gedanken bekam.
„Danke, mir geht es auch sehr gut.“ Das war zwar eine glatte Lüge, kam aber immer gut an. Wie sollte sie ausgerechnet dieser ehemaligen Freundin, die sie so schnöde ausgebootet hatte, klar machen, was in ihr vorging?
„Na, dann schau dir den kleine Mann erst einmal an. Er schläft aber zum Glück gerade.“ Tom lag noch recht winzig, wie Alex fand, in einer Tragschale vor dem bodentiefen Fenster in der Sonne und schlief.
„Mensch Manuela, ist der süß!“ entfuhr es Alex, die völlig fasziniert dieses kleine Wunder betrachtete: kleine geballte Fäuste mit winzigen Fingern und Fingernägel, ein leicht offener Mund mit blassroten Lippen und lange dunkle Wimpern über geschlossenen Augen. Haare konnte Alex nicht erkennen, da er ein Mützchen trug, aber als Manuela dieses ein wenig nach hinten schob, sah sie fast schwarzes volles Haar.
„Die Haarpracht hat er von Michael, meine sind es zum Glück nicht. Und jetzt in der Schwangerschaft wurden sie leider auch noch dünner. Naja, was nimmt man nicht alles in Kauf für so ein Kind…“
„Wenn du wüsstest…“, dachte Alex als stille Entgegnung. Sie beugte sich noch tiefer über Tom, um ihre Betroffenheit nicht zeigen zu müssen. Diese Nase! Still und leise atmete sich der Erdenbürger in sein Leben, von dem er später vielleicht einmal sagen würde, dass er nicht gefragt worden sei, ob er es überhaupt hatte haben wollen.
Alex ertappte sich bei bitteren Gedanken. Als sie so klein war, hatte sie keine Ahnung davon gehabt, was alles noch vor ihr liegen würde. Ebenso wie der kleine Tom nun in seinem Schlummer hatte sie einfach nur gelebt und die Leichtigkeit des Seins wurde nur getrübt, wenn sie Hunger hatte oder etwas anderes nicht passte. Was war das für ein leichtes wunderbares Leben gewesen!
„Magst du ein Glas Sekt?“ weckte Manuela sie aus den Gedanken. Alex fuhr fast zusammen und musste sich zwingen, den Blick von Tom zu nehmen.
„Gerne, danke.“
Kurz darauf standen die vier Erwachsenen zusammen und prosteten sich zu.
„Auf Tom – und darauf, dass wir uns nun endlich wieder einmal sehen“, sagte Michael und guckte alle fröhlich an, während die Gläser klangen. Matthias schaute Alex tief in die Augen und zwinkerte ihr leicht zu. Leider konnte sie nicht ergründen, warum, aber sie nahm es als aufmunterndes Zeichen.
„So, und jetzt kommt bitte zum Essen. So richtig groß konnte ich nicht kochen, denn Tom beschäftigt mich schon ganz schön…“ Manuela ließ eine lange Pause zu und lachte dann nervös, „…aber ich konnte zumindest ein bisschen zaubern. Setzt euch doch…“
Das kleine „Bisschen“, das die Gastgeberin „eben mal so nebenbei“ gezaubert hatte, entpuppte sich als Drei-Gänge-Menue aus Kohlrabi-Carpaccio mit frischem Parmesan, Fettucine mit Pilz-Schinken-Ragout und Zitronen-Sahne-Soße sowie einem köstlichen Quark mit frischer Ananas „an Minz-Rohrzucker“, wie Manuela leichthin erklärte. Alex fragte sich, wie lange ihre ehemalige Freundin in der nun blitzsauberen Küche gestanden haben musste. Zugegeben, es schmeckte phantastisch, aber das Ganze wurde für sie getrübt von der munteren Erzählung, dass man als Hausfrau und Mutter die unbedingte Fähigkeit haben müsse, alles mit leichter Hand ohne Aufwand zu „zaubern“. Dieses Wort beherrschte offensichtlich den Geist von Manuela und die Erzählungen des Abends.
Wieder einmal fühlte sich Alex kleiner als ihre doch recht stattliche Körpergröße schließen ließ. Manuela schaffte alles „so nebenbei“, das Kind, das Essen, die Wohnung, alles. Nur sie, sie schaffte das alles nicht so, angefangen beim Kind.
Glücklicherweise erwachte Tom genau in diesem Augenblick aus seinen Träumen, und sein vorsichtiges Wimmern ging in ein erbärmliches Weinen und dann in empörtes Schreien über. Seine Mutter sagte nur: „Okay, mein Part, ich nehme den Schreihals“, schnappte sich den Sprössling und war verschwunden. Aus dem Nebenzimmer hörte man ab und zu kleine Laute und schließlich war Stille.
Michael bot noch einen „Verseifer“ an und wartete dann mit seine Gästen auf die Gastgeberin, dies allerdings vergebens. Nach einer Weile stand er auf und verschwand ebenso im Nebenzimmer, aus dem er auf leisen Sohlen wieder hervorkam.
„Tja, wir werden uns wohl mit uns begnügen müssen. Tom ist mitsamt seiner Mama eingeschlafen, und dann kann ich Manu nicht wecken. Sorry, laßt uns noch einen trinken. So sieht unser Familienleben derzeit tagtäglich aus.“
Alex und Matthias prosteten sich zu – und in diesem Augenblick waren sie sogar froh, dass sie zur Zeit noch nicht alles „einfach so nebenbei zaubern“ mussten, denn offensichtlich war das ja doch nicht so einfach, wie die junge Mutter es hatte glauben machen wollen.
Mit einem komischen Gefühl im Bauch drückte Alex den Klingelknopf bei Michael und Manuela – und bei Tom, dem fast neuen Erdenbürger. Schon auf der Hinfahrt hatte Alex Matthias immer wieder unsicher von der Seite her angesehen, ob in ihm irgendwelche Gefühlsregungen zu erkennen waren. Aber er hatte sich nichts ansehen lassen, sondern hatte munter das Wetter gelobt und über andere Dinge geplaudert. Nur Alex hing offensichtlich ihren Gedanken nach. Und die drehten sich nach wie vor um den Kinderwunsch.
„Hallo Ihr beiden, schön, dass Ihr da seid“, mit diesen Worten öffnete Manuela nach kurzer Wartezeit vor der Tür. Alex strahlte sie an.
„Schön, dass es endlich klappt mit dem Treffen!“ Mit diesen Worten gab sie ihr die Blumen und hielt Manuela das Geschenk für Tom hin.
„Oh, das wäre doch nicht nötig gewesen, er hat doch schon alles…“ entgegnete Manuela darauf. Und Alex hatte in diesem Augenblick das Gefühl, wieder einmal zurückgestossen zu werden. Unterstellte man ihr, dass sie nicht einmal dazu in der Lage war, für ein kleines Baby ein Geschenk zu kaufen?
„Na, das fängt ja gut an“, dachte sie, bevor sie sagte „Aber vielleicht hat er trotzdem seine Freude dran.“ Und so nahm sie Manuela den Wind aus den Segeln, die nun einen Bruchteil einer Sekunde betroffen schaute, sich aber sofort fing.
Alex betrachtete Manuela, die immer so besonders stolz auf ihre ranke Figur war, und zu ihrer kleinen und – wie sie selbst zugeben musste gehässigen- Genugtuung stellte sie kritisch fest, dass Manuela ein paar Pfunde zugenommen hatte und sie nach der Geburt noch nicht wieder zu ihrer guten Figur zurückgefunden hatte.
„Gut siehst du aus“, sagte Manuela in diesem Augenblick und schaute Alex so offen an, dass diese ein schlechtes Gewissen wegen ihrer schlechten Gedanken bekam.
„Danke, mir geht es auch sehr gut.“ Das war zwar eine glatte Lüge, kam aber immer gut an. Wie sollte sie ausgerechnet dieser ehemaligen Freundin, die sie so schnöde ausgebootet hatte, klar machen, was in ihr vorging?
„Na, dann schau dir den kleine Mann erst einmal an. Er schläft aber zum Glück gerade.“ Tom lag noch recht winzig, wie Alex fand, in einer Tragschale vor dem bodentiefen Fenster in der Sonne und schlief.
„Mensch Manuela, ist der süß!“ entfuhr es Alex, die völlig fasziniert dieses kleine Wunder betrachtete: kleine geballte Fäuste mit winzigen Fingern und Fingernägel, ein leicht offener Mund mit blassroten Lippen und lange dunkle Wimpern über geschlossenen Augen. Haare konnte Alex nicht erkennen, da er ein Mützchen trug, aber als Manuela dieses ein wenig nach hinten schob, sah sie fast schwarzes volles Haar.
„Die Haarpracht hat er von Michael, meine sind es zum Glück nicht. Und jetzt in der Schwangerschaft wurden sie leider auch noch dünner. Naja, was nimmt man nicht alles in Kauf für so ein Kind…“
„Wenn du wüsstest…“, dachte Alex als stille Entgegnung. Sie beugte sich noch tiefer über Tom, um ihre Betroffenheit nicht zeigen zu müssen. Diese Nase! Still und leise atmete sich der Erdenbürger in sein Leben, von dem er später vielleicht einmal sagen würde, dass er nicht gefragt worden sei, ob er es überhaupt hatte haben wollen.
Alex ertappte sich bei bitteren Gedanken. Als sie so klein war, hatte sie keine Ahnung davon gehabt, was alles noch vor ihr liegen würde. Ebenso wie der kleine Tom nun in seinem Schlummer hatte sie einfach nur gelebt und die Leichtigkeit des Seins wurde nur getrübt, wenn sie Hunger hatte oder etwas anderes nicht passte. Was war das für ein leichtes wunderbares Leben gewesen!
„Magst du ein Glas Sekt?“ weckte Manuela sie aus den Gedanken. Alex fuhr fast zusammen und musste sich zwingen, den Blick von Tom zu nehmen.
„Gerne, danke.“
Kurz darauf standen die vier Erwachsenen zusammen und prosteten sich zu.
„Auf Tom – und darauf, dass wir uns nun endlich wieder einmal sehen“, sagte Michael und guckte alle fröhlich an, während die Gläser klangen. Matthias schaute Alex tief in die Augen und zwinkerte ihr leicht zu. Leider konnte sie nicht ergründen, warum, aber sie nahm es als aufmunterndes Zeichen.
„So, und jetzt kommt bitte zum Essen. So richtig groß konnte ich nicht kochen, denn Tom beschäftigt mich schon ganz schön…“ Manuela ließ eine lange Pause zu und lachte dann nervös, „…aber ich konnte zumindest ein bisschen zaubern. Setzt euch doch…“
Das kleine „Bisschen“, das die Gastgeberin „eben mal so nebenbei“ gezaubert hatte, entpuppte sich als Drei-Gänge-Menue aus Kohlrabi-Carpaccio mit frischem Parmesan, Fettucine mit Pilz-Schinken-Ragout und Zitronen-Sahne-Soße sowie einem köstlichen Quark mit frischer Ananas „an Minz-Rohrzucker“, wie Manuela leichthin erklärte. Alex fragte sich, wie lange ihre ehemalige Freundin in der nun blitzsauberen Küche gestanden haben musste. Zugegeben, es schmeckte phantastisch, aber das Ganze wurde für sie getrübt von der munteren Erzählung, dass man als Hausfrau und Mutter die unbedingte Fähigkeit haben müsse, alles mit leichter Hand ohne Aufwand zu „zaubern“. Dieses Wort beherrschte offensichtlich den Geist von Manuela und die Erzählungen des Abends.
Wieder einmal fühlte sich Alex kleiner als ihre doch recht stattliche Körpergröße schließen ließ. Manuela schaffte alles „so nebenbei“, das Kind, das Essen, die Wohnung, alles. Nur sie, sie schaffte das alles nicht so, angefangen beim Kind.
Glücklicherweise erwachte Tom genau in diesem Augenblick aus seinen Träumen, und sein vorsichtiges Wimmern ging in ein erbärmliches Weinen und dann in empörtes Schreien über. Seine Mutter sagte nur: „Okay, mein Part, ich nehme den Schreihals“, schnappte sich den Sprössling und war verschwunden. Aus dem Nebenzimmer hörte man ab und zu kleine Laute und schließlich war Stille.
Michael bot noch einen „Verseifer“ an und wartete dann mit seine Gästen auf die Gastgeberin, dies allerdings vergebens. Nach einer Weile stand er auf und verschwand ebenso im Nebenzimmer, aus dem er auf leisen Sohlen wieder hervorkam.
„Tja, wir werden uns wohl mit uns begnügen müssen. Tom ist mitsamt seiner Mama eingeschlafen, und dann kann ich Manu nicht wecken. Sorry, laßt uns noch einen trinken. So sieht unser Familienleben derzeit tagtäglich aus.“
Alex und Matthias prosteten sich zu – und in diesem Augenblick waren sie sogar froh, dass sie zur Zeit noch nicht alles „einfach so nebenbei zaubern“ mussten, denn offensichtlich war das ja doch nicht so einfach, wie die junge Mutter es hatte glauben machen wollen.
Alex 68
Eingedenk der Erkenntnis, dass Muttersein eben auch Schattenseiten aufwies, genoss Alex am nächsten Morgen das Ausschlafen besonders. „Wer weiß, wie lange ich das noch so machen kann?“ fragte sie sich in Gedanken und wickelte sich etwas enger in die Decke. Matthias schnorchelte leise neben ihr und Phoebe ließ mit leisem Tapp-Tapp-Tapp auf dem Parkett unruhig hin- und her. Das Schlafzimmer war nun fast wieder von Alex in Beschlag genommen worden, doch so ganz hatte sie ihrem Mann nicht verziehen, dass dieser so eigenmächtig agiert hatte mit der Stelle in Frankfurt. Jetzt hatte er ihr immerhin schon frühzeitig signalisiert, dass er Aussicht auf eine neue, besonders attraktive Stelle in London hatte. Und so war es für Alex ja auch okay, sie hatte lange Zeit, sich auf die Situation einzustellen und hatte zumindest das Gefühl, eingebunden zu sein.
„Du, sag’ einmal, gibt es denn auch ordentlichen Kaffee in London?“ sagte sie fragend zu Matthias. Nicht, dass sie eine richtige Antwort erwartete, immerhin gab es sicher alles in London, und das zu einer absolut hochklassigen Qualität. Nein, sie wollte Matthias natürlich einen Wink geben, dass ihr Kaffeedurst nun erwacht sei.
„In London gibt es an jeder Ecke Coffee Shops, wo du das Zeug eimerweise käuflich und mobil erwerben kannst. Außerdem haben sie da auch Kaufhäuser, die so viel Ware haben, dass sie sie sogar verkaufen.“
Ups, das saß, Matthias schien ja prächtiger Laune zu sein.
„Machst du einen Kaffee?“
Matthias stöhnte. „Ich dachte, so als Hausfrau wäre das deine Aufgabe, aber okay, ich stehe auf.“ Wie zur Entschuldigung gab er ihr einen flüchtigen Kuß auf die Wange, aber sein Bart kratzte, so dass Alex sich tiefer in die Kissen drückte.
„Bah, rasier dich erst einmal, und dann bring mir Kaffee“, maulte sie wie ein kleines Kind. Ab und zu braucht jede noch so erwachsene Frau diese Phase, um sich umsorgen zu lassen, und bisher hatte das auch immer ganz gut geklappt. Beide – Matthias wie sie auch – waren eben sehr aufeinander eingespielt.
Einige Minuten später kam Matthais rasiert, mit frisch geputzten Zähnen und zwei dampfenden Bechern mit Kaffee ins Schlafzimmer zurück. Alex bereitete sich zum täglichen Ritual vor und stellte sich schlafend.
„Guten Morgen mein lieber Schatz, der Kaffee ist fertig“, sagte Matthias und drückte seiner Frau einen schmatzenden Kuß auf die von der Bettdecke freie Wange.
„Noch einen“ murmelte sie mit geschlossenen Augen und genoß die Zweisamkeit. „Wenn wir erst mal Kinder haben, ist es damit bestimmt vorbei... und wer weiß, wie lange das noch dauert.“ Sie ließ den Schluss offen, weil sie hoffte, Matthias würde die Steilvorlage für seinen Einsatz bemerken und nutzen. Immerhin hatte sie ihm mit diesem Satz doch deutlich zu verstehen gegeben, dass sie a) ihn liebte und b) ein Gespräch über ihrer beider gemeinsame Zukunft jetzt anzetteln wollte. Aber Matthias reagierte gar nicht.
„Erde an Matthias, bist du da?“ fragte sie mit Blick über ihre Schulter; denn Matthias hatte sich in ihrem Rücken Platz verschafft.
„Klar Schatz, was ist? Du, schau mal, ist der nicht klasse? V 12 Motor, macht 300 Sachen und muss absolut genial in der Kurve liegen. Mann, mit so einem Ding auf dem Nürburgring Fahrertraining, das wäre Hammer.“ Matthias zeigte ihr eine Autozeitschrift mit der Abbildung eines für sie unbekannten aber schön roten Autos.
„So stelle ich mir unsere Zukunft vor, mein Schatz“, sagte Matthias und würgte so alle Versuche Alex ab, mit ihm ernst zu sprechen. Denn die nahm nach diesem Satz nur den Kaffeebecher in die Hand und meinte. „Ich schaue mal, ob Phoebe noch Futter hat.“ Und damit verschwand sie aus dem Schlafzimmer.
Natürlich hatte ihre Katze noch etwas Futter, sonst hätte sie Alex ja schon längst aus dem Bett gescheucht, aber Alex musste dringend ins Bad. Ihr standen, wie so oft während der letzten Zeit, die Tränen in den Augen.
„Warum war Matthias nur so unsensibel?“ fragte sie ihr Spiegelbild einmal mehr. „Und warum kriege ich nicht die Kurve, ihm klipp und klar zu sagen, was mich bewegt?“ Und dann hatte sie auch noch ihre Tage, dabei hatte sie so gehofft, dass es diesmal klappen würde. Immerhin hatte sie dem irrsinnigen Drang widerstanden, trotz der ersten Blutung noch einen weiteren ultimativen Schwangerschaftstest zu machen. Es hatte ja doch alles keinen Sinn. Neu verpackt – sie haßte diese Tage aller Tage, an denen sie sich so ausgeliefert fühlte – und mit recht wenig Tränenspuren setzte sie sich auf das Sofa, nahm sich eine Decke und sinnierte vor sich hin. Sie musste dringend mit ihrem Mann sprechen, so nahm jeden Satz von ihm langsam krumm, und lebte glücklich, wenn er in ihr Schema von gemeinsamer Zukunft passte und kreuzunglücklich, wenn er sich davon zu lösen schien oder einfach nicht reagierte.
Überhaupt hatte sie das Gefühl, dass ihr Mann sich derzeit ein wenig von ihr entfernte. Immerhin hatte er sich sogar selbst Unterwäsche gekauft, und das hatte er definitiv noch nie aus freien Stücken getan. War es ihm zuviel, dass sie ihn so umsorgte? Immerhin fielen öfter Sätze wie „Du brauchst Beschäftigung“ oder“ tu doch was, was dir Spaß macht“. Das passte ja auch in Alex Plan, aber nicht, dass er sich von ihr entfernte.
Eingedenk der Erkenntnis, dass Muttersein eben auch Schattenseiten aufwies, genoss Alex am nächsten Morgen das Ausschlafen besonders. „Wer weiß, wie lange ich das noch so machen kann?“ fragte sie sich in Gedanken und wickelte sich etwas enger in die Decke. Matthias schnorchelte leise neben ihr und Phoebe ließ mit leisem Tapp-Tapp-Tapp auf dem Parkett unruhig hin- und her. Das Schlafzimmer war nun fast wieder von Alex in Beschlag genommen worden, doch so ganz hatte sie ihrem Mann nicht verziehen, dass dieser so eigenmächtig agiert hatte mit der Stelle in Frankfurt. Jetzt hatte er ihr immerhin schon frühzeitig signalisiert, dass er Aussicht auf eine neue, besonders attraktive Stelle in London hatte. Und so war es für Alex ja auch okay, sie hatte lange Zeit, sich auf die Situation einzustellen und hatte zumindest das Gefühl, eingebunden zu sein.
„Du, sag’ einmal, gibt es denn auch ordentlichen Kaffee in London?“ sagte sie fragend zu Matthias. Nicht, dass sie eine richtige Antwort erwartete, immerhin gab es sicher alles in London, und das zu einer absolut hochklassigen Qualität. Nein, sie wollte Matthias natürlich einen Wink geben, dass ihr Kaffeedurst nun erwacht sei.
„In London gibt es an jeder Ecke Coffee Shops, wo du das Zeug eimerweise käuflich und mobil erwerben kannst. Außerdem haben sie da auch Kaufhäuser, die so viel Ware haben, dass sie sie sogar verkaufen.“
Ups, das saß, Matthias schien ja prächtiger Laune zu sein.
„Machst du einen Kaffee?“
Matthias stöhnte. „Ich dachte, so als Hausfrau wäre das deine Aufgabe, aber okay, ich stehe auf.“ Wie zur Entschuldigung gab er ihr einen flüchtigen Kuß auf die Wange, aber sein Bart kratzte, so dass Alex sich tiefer in die Kissen drückte.
„Bah, rasier dich erst einmal, und dann bring mir Kaffee“, maulte sie wie ein kleines Kind. Ab und zu braucht jede noch so erwachsene Frau diese Phase, um sich umsorgen zu lassen, und bisher hatte das auch immer ganz gut geklappt. Beide – Matthias wie sie auch – waren eben sehr aufeinander eingespielt.
Einige Minuten später kam Matthais rasiert, mit frisch geputzten Zähnen und zwei dampfenden Bechern mit Kaffee ins Schlafzimmer zurück. Alex bereitete sich zum täglichen Ritual vor und stellte sich schlafend.
„Guten Morgen mein lieber Schatz, der Kaffee ist fertig“, sagte Matthias und drückte seiner Frau einen schmatzenden Kuß auf die von der Bettdecke freie Wange.
„Noch einen“ murmelte sie mit geschlossenen Augen und genoß die Zweisamkeit. „Wenn wir erst mal Kinder haben, ist es damit bestimmt vorbei... und wer weiß, wie lange das noch dauert.“ Sie ließ den Schluss offen, weil sie hoffte, Matthias würde die Steilvorlage für seinen Einsatz bemerken und nutzen. Immerhin hatte sie ihm mit diesem Satz doch deutlich zu verstehen gegeben, dass sie a) ihn liebte und b) ein Gespräch über ihrer beider gemeinsame Zukunft jetzt anzetteln wollte. Aber Matthias reagierte gar nicht.
„Erde an Matthias, bist du da?“ fragte sie mit Blick über ihre Schulter; denn Matthias hatte sich in ihrem Rücken Platz verschafft.
„Klar Schatz, was ist? Du, schau mal, ist der nicht klasse? V 12 Motor, macht 300 Sachen und muss absolut genial in der Kurve liegen. Mann, mit so einem Ding auf dem Nürburgring Fahrertraining, das wäre Hammer.“ Matthias zeigte ihr eine Autozeitschrift mit der Abbildung eines für sie unbekannten aber schön roten Autos.
„So stelle ich mir unsere Zukunft vor, mein Schatz“, sagte Matthias und würgte so alle Versuche Alex ab, mit ihm ernst zu sprechen. Denn die nahm nach diesem Satz nur den Kaffeebecher in die Hand und meinte. „Ich schaue mal, ob Phoebe noch Futter hat.“ Und damit verschwand sie aus dem Schlafzimmer.
Natürlich hatte ihre Katze noch etwas Futter, sonst hätte sie Alex ja schon längst aus dem Bett gescheucht, aber Alex musste dringend ins Bad. Ihr standen, wie so oft während der letzten Zeit, die Tränen in den Augen.
„Warum war Matthias nur so unsensibel?“ fragte sie ihr Spiegelbild einmal mehr. „Und warum kriege ich nicht die Kurve, ihm klipp und klar zu sagen, was mich bewegt?“ Und dann hatte sie auch noch ihre Tage, dabei hatte sie so gehofft, dass es diesmal klappen würde. Immerhin hatte sie dem irrsinnigen Drang widerstanden, trotz der ersten Blutung noch einen weiteren ultimativen Schwangerschaftstest zu machen. Es hatte ja doch alles keinen Sinn. Neu verpackt – sie haßte diese Tage aller Tage, an denen sie sich so ausgeliefert fühlte – und mit recht wenig Tränenspuren setzte sie sich auf das Sofa, nahm sich eine Decke und sinnierte vor sich hin. Sie musste dringend mit ihrem Mann sprechen, so nahm jeden Satz von ihm langsam krumm, und lebte glücklich, wenn er in ihr Schema von gemeinsamer Zukunft passte und kreuzunglücklich, wenn er sich davon zu lösen schien oder einfach nicht reagierte.
Überhaupt hatte sie das Gefühl, dass ihr Mann sich derzeit ein wenig von ihr entfernte. Immerhin hatte er sich sogar selbst Unterwäsche gekauft, und das hatte er definitiv noch nie aus freien Stücken getan. War es ihm zuviel, dass sie ihn so umsorgte? Immerhin fielen öfter Sätze wie „Du brauchst Beschäftigung“ oder“ tu doch was, was dir Spaß macht“. Das passte ja auch in Alex Plan, aber nicht, dass er sich von ihr entfernte.
Alex 69
Kurz darauf kam Matthias aber wohlgelaunt aus dem Schlafzimmer. Seine gute Laune rührte aus der Tatsache, dass ein Porsche 993 zu verkaufen war -„Der letzte Luftgekühlte“, strahlte der Autoliebhaber – und er sich wieder einmal vorstellte, einen solchen Wagen zu fahren. Und so auf den Tag eingestimmt konnte das Frühstück nur gut verlaufen.
„Hast du heute etwas Besonderes vor?“ fragte er kauend.
„Nö. Eigentlich nicht, ich bin ganz für dich da.“ Alex schaute ihn aus den Augenwinkeln herausfordernd an.
„Prima, dann machen wir uns einen gemütlichen Tag zuhause, okay? Meine Eltern wollten eh vorbeischauen.“
Nun hatte sich Alex den gemeinsamen Tag zwar anders vorgestellt, aber sie mochte ihre Schwiegereltern ja, und deshalb bot sie an, doch noch schnell einen Kuchen „zu zaubern“, wie sie mit leichtem Unterton sagte.
Matthias nahm das Angebot dankend an und verschwand nach dem Frühstück mit der Auto-Zeitung in der Garage. Das machte er immer, wenn er seine Ruhe haben wollte, und Alex blieb nichts übrig, als ihm voller Verständnis diese Freiheit zu lassen. Selbst wenn sie dabei etwas zurückstecken musste; denn sie hätte gerne mehr von ihrem Mann gehabt.
Also verschwand sie ihrerseits in der Küche und stellte alles für den Kuchen zusammen. Und gerade, als sie anfangen wollte, alles der ordnungsgemäßen Reihenfolge entsprechend in die Rührschüssel zu geben, klingelte wie so oft das Telefon.
„Hi, störe ich?“ fragte Bea.
„Nö. Ich muss nur nebenbei einen Kuchen „zaubern“, also wundere dich nicht, wenn ich komisch klinge, dann ist der Hörer verrutscht, den ich einklemmen muss.“ Leicht verrenkt, weil sie den Hörer zwischen Schulter und Kopf hielt, wandte sich Alex dem künftigen Teig zu. Eigentlich hatte sie nämlich keine Lust, mit Bea zu sprechen, aber das hatte sie einmal mehr nicht gesagt.
„Was ist los?“
„Peter will das Kind nicht.“
„Das wusstest du doch vorher“, rutschte es Alex heraus. Und in der nächsten Sekunde bedauerte sie ihre Reaktion schon wieder, immerhin war ihre Freundin Nöten, und sie gab sich schnippisch. Am anderen Ende der Leitung war ein Schniefen zu hören.
„Ja“, sagte Bea kleinlaut, „aber ich dachte, das würde sich ändern.“
Alex zog hörbar die Luft ein und hätte beinahe den Hörer in die Rührschüssel fallen lassen. „Das ist jetzt nicht dein Ernst, oder? Hast du wirklich gedacht, du würdest durch vollendete Tatsachen etwas an der Einstellung von ihm ändern, die er dir ja klar und deutlich vorher gesagt hat? Oder war es deine gekränkte Eitelkeit, weil er kein Kind von DIR hatte haben wollen?“ Kaum hatte sie diese Worte ausgesprochen, wurde ihr klar, dass auch aus ihr gekränkte Eitelkeit sprach, weil Bea so mühelos das geschafft hatte, was sie immer noch nicht hinbekommen hatte. Bea heulte nun haltlos am Telefon.
„Ach Süße, so war das doch nicht gemeint“, entschuldigte sich Alex sofort. Ihr schlechtes Gewissen schien ihr wie ein Felsen auf den Schultern zu liegen, aber vielleicht war es auch nur die unbequeme Haltung mit dem Hörer.
„Mensch komm, so schlimm wird es schon nicht sein. Vielleicht hast du auch Recht, und er wird sich noch hineinfinden in seine neue Rolle. Und wenn nicht, dann war es eben nicht der Richtige für dich, denn du freust dich doch auf das Baby, oder?“
Bea heulte kleinlaut ins Telefon. „Aber wie soll ich das denn alleine schaffen? Und von Peter trennen will ich mich nicht, in keinem Fall, ich liebe ihn doch wie er ist.“
Alex bohrte nach: „Und was, wenn er sich eben nicht freut und das Kind wirklich nicht will? Ich weiß, das wird nicht eintreten, aber was wäre wenn?“
„Weiß nich…“
„Wie, weiß nicht, was soll das denn heißen?“
„Ich weiß nicht, was ich dann tun soll. Ich will ihn nicht verlieren.“
Alex wusste nun nicht mehr so recht, was sie sagen sollte. Sie verdrängte den unangenehmen Gedanken, der blitzartig in ihrem Kopf aufstieg und fragte weiter: „Was hat er denn gesagt, als du es ihm gesagt hast?“
„…dass er sich von mir überrumpelt fühlt. Ich hätte ja gewusst, dass er keine Kinder haben wolle. Und dass das keine Grundlage für eine Beziehung sei…“
Alex dachte hier nur, wie Recht Peter doch hatte, doch sie wollte ihrer Freundin helfen. „Ach, der kriegt sich schon wieder ein, du wirst sehen, und in ein paar Tagen wird er dir bestimmt ein Kuscheltier als Entschuldigung mitbringen. Mach dir nicht so viele Gedanken!“
Bea schluchzte noch lauter. „Aber er will das Kind nicht, und es ist ja auch die falsche Zeit, wir sind doch noch recht frisch zusammen und haben noch so viele Pläne, und ich konnte doch nicht ahnen, dass sich dieses Kind einen so falschen Zeitpunkt aussuchen würde.“
Alex blieb die Luft weg. Nun hatte sich das Kind den Zeitpunkt ausgesucht? Bea war wohl ganz von Sinnen. „Du hast doch aber die Pille weggelassen, da kann das Kind doch nichts für…“ sagte sie bissig.
„Trotzdem, es passt eben zur Zeit nicht“, beharrte ihre Freundin.
„Daran hättest du eben früher denken müssen.“ Sie hatte nun auch keine tröstenden Worte mehr, aber sie versuchte es tapfer: „Sieh mal, Süße, in ein paar Wochen spürst du Leben in dir, das ist doch das Tollste der Welt, und alles wird sich für dich verändern, du hast etwas geschaffen, was ganz einzigartig auf dieser Welt ist: einen kleinen vollkommenen Menschen. Und der wird dann irgendwann „Mama“ zu dir sagen und vertrauensvoll seine kleine in deine große Hand schieben. Ist das nicht eine wunderschöne Perspektive?“
„Ja, schon, aber doch nicht jetzt…“
„Weißt du Bea, koch dir einen Tee oder einen Kaffee, setzt’ dich hin und rede ruhig mit Peter, und wenn es gar keinen Konsens gibt, dann musst du dir eben überlegen, wie viel wert dir Peter ist. Und wie viel du dir selbst wert bist. Ich weiß, das ist schwer, aber da kommst du nicht drum herum. Und denke dabei daran, dass sich dein Wert jetzt auch durch den eines zweiten Wesens bemisst.“
„Du verstehst mich eben nicht…“
„Doch, aber das verstehst du nicht. Willst du vorbei kommen?“
„Nein, ich gehe jetzt in mich…“ sagte Bea bockig und hängte wieder einmal auf.
Kurz darauf kam Matthias aber wohlgelaunt aus dem Schlafzimmer. Seine gute Laune rührte aus der Tatsache, dass ein Porsche 993 zu verkaufen war -„Der letzte Luftgekühlte“, strahlte der Autoliebhaber – und er sich wieder einmal vorstellte, einen solchen Wagen zu fahren. Und so auf den Tag eingestimmt konnte das Frühstück nur gut verlaufen.
„Hast du heute etwas Besonderes vor?“ fragte er kauend.
„Nö. Eigentlich nicht, ich bin ganz für dich da.“ Alex schaute ihn aus den Augenwinkeln herausfordernd an.
„Prima, dann machen wir uns einen gemütlichen Tag zuhause, okay? Meine Eltern wollten eh vorbeischauen.“
Nun hatte sich Alex den gemeinsamen Tag zwar anders vorgestellt, aber sie mochte ihre Schwiegereltern ja, und deshalb bot sie an, doch noch schnell einen Kuchen „zu zaubern“, wie sie mit leichtem Unterton sagte.
Matthias nahm das Angebot dankend an und verschwand nach dem Frühstück mit der Auto-Zeitung in der Garage. Das machte er immer, wenn er seine Ruhe haben wollte, und Alex blieb nichts übrig, als ihm voller Verständnis diese Freiheit zu lassen. Selbst wenn sie dabei etwas zurückstecken musste; denn sie hätte gerne mehr von ihrem Mann gehabt.
Also verschwand sie ihrerseits in der Küche und stellte alles für den Kuchen zusammen. Und gerade, als sie anfangen wollte, alles der ordnungsgemäßen Reihenfolge entsprechend in die Rührschüssel zu geben, klingelte wie so oft das Telefon.
„Hi, störe ich?“ fragte Bea.
„Nö. Ich muss nur nebenbei einen Kuchen „zaubern“, also wundere dich nicht, wenn ich komisch klinge, dann ist der Hörer verrutscht, den ich einklemmen muss.“ Leicht verrenkt, weil sie den Hörer zwischen Schulter und Kopf hielt, wandte sich Alex dem künftigen Teig zu. Eigentlich hatte sie nämlich keine Lust, mit Bea zu sprechen, aber das hatte sie einmal mehr nicht gesagt.
„Was ist los?“
„Peter will das Kind nicht.“
„Das wusstest du doch vorher“, rutschte es Alex heraus. Und in der nächsten Sekunde bedauerte sie ihre Reaktion schon wieder, immerhin war ihre Freundin Nöten, und sie gab sich schnippisch. Am anderen Ende der Leitung war ein Schniefen zu hören.
„Ja“, sagte Bea kleinlaut, „aber ich dachte, das würde sich ändern.“
Alex zog hörbar die Luft ein und hätte beinahe den Hörer in die Rührschüssel fallen lassen. „Das ist jetzt nicht dein Ernst, oder? Hast du wirklich gedacht, du würdest durch vollendete Tatsachen etwas an der Einstellung von ihm ändern, die er dir ja klar und deutlich vorher gesagt hat? Oder war es deine gekränkte Eitelkeit, weil er kein Kind von DIR hatte haben wollen?“ Kaum hatte sie diese Worte ausgesprochen, wurde ihr klar, dass auch aus ihr gekränkte Eitelkeit sprach, weil Bea so mühelos das geschafft hatte, was sie immer noch nicht hinbekommen hatte. Bea heulte nun haltlos am Telefon.
„Ach Süße, so war das doch nicht gemeint“, entschuldigte sich Alex sofort. Ihr schlechtes Gewissen schien ihr wie ein Felsen auf den Schultern zu liegen, aber vielleicht war es auch nur die unbequeme Haltung mit dem Hörer.
„Mensch komm, so schlimm wird es schon nicht sein. Vielleicht hast du auch Recht, und er wird sich noch hineinfinden in seine neue Rolle. Und wenn nicht, dann war es eben nicht der Richtige für dich, denn du freust dich doch auf das Baby, oder?“
Bea heulte kleinlaut ins Telefon. „Aber wie soll ich das denn alleine schaffen? Und von Peter trennen will ich mich nicht, in keinem Fall, ich liebe ihn doch wie er ist.“
Alex bohrte nach: „Und was, wenn er sich eben nicht freut und das Kind wirklich nicht will? Ich weiß, das wird nicht eintreten, aber was wäre wenn?“
„Weiß nich…“
„Wie, weiß nicht, was soll das denn heißen?“
„Ich weiß nicht, was ich dann tun soll. Ich will ihn nicht verlieren.“
Alex wusste nun nicht mehr so recht, was sie sagen sollte. Sie verdrängte den unangenehmen Gedanken, der blitzartig in ihrem Kopf aufstieg und fragte weiter: „Was hat er denn gesagt, als du es ihm gesagt hast?“
„…dass er sich von mir überrumpelt fühlt. Ich hätte ja gewusst, dass er keine Kinder haben wolle. Und dass das keine Grundlage für eine Beziehung sei…“
Alex dachte hier nur, wie Recht Peter doch hatte, doch sie wollte ihrer Freundin helfen. „Ach, der kriegt sich schon wieder ein, du wirst sehen, und in ein paar Tagen wird er dir bestimmt ein Kuscheltier als Entschuldigung mitbringen. Mach dir nicht so viele Gedanken!“
Bea schluchzte noch lauter. „Aber er will das Kind nicht, und es ist ja auch die falsche Zeit, wir sind doch noch recht frisch zusammen und haben noch so viele Pläne, und ich konnte doch nicht ahnen, dass sich dieses Kind einen so falschen Zeitpunkt aussuchen würde.“
Alex blieb die Luft weg. Nun hatte sich das Kind den Zeitpunkt ausgesucht? Bea war wohl ganz von Sinnen. „Du hast doch aber die Pille weggelassen, da kann das Kind doch nichts für…“ sagte sie bissig.
„Trotzdem, es passt eben zur Zeit nicht“, beharrte ihre Freundin.
„Daran hättest du eben früher denken müssen.“ Sie hatte nun auch keine tröstenden Worte mehr, aber sie versuchte es tapfer: „Sieh mal, Süße, in ein paar Wochen spürst du Leben in dir, das ist doch das Tollste der Welt, und alles wird sich für dich verändern, du hast etwas geschaffen, was ganz einzigartig auf dieser Welt ist: einen kleinen vollkommenen Menschen. Und der wird dann irgendwann „Mama“ zu dir sagen und vertrauensvoll seine kleine in deine große Hand schieben. Ist das nicht eine wunderschöne Perspektive?“
„Ja, schon, aber doch nicht jetzt…“
„Weißt du Bea, koch dir einen Tee oder einen Kaffee, setzt’ dich hin und rede ruhig mit Peter, und wenn es gar keinen Konsens gibt, dann musst du dir eben überlegen, wie viel wert dir Peter ist. Und wie viel du dir selbst wert bist. Ich weiß, das ist schwer, aber da kommst du nicht drum herum. Und denke dabei daran, dass sich dein Wert jetzt auch durch den eines zweiten Wesens bemisst.“
„Du verstehst mich eben nicht…“
„Doch, aber das verstehst du nicht. Willst du vorbei kommen?“
„Nein, ich gehe jetzt in mich…“ sagte Bea bockig und hängte wieder einmal auf.
Alex 70
Dass Alex nach diesem Gespräch aufgewühlt war, ist leicht vorstellbar. Sie kannte Bea schon so lange, dass ihr klar war, dass diese zu überstürzten Handlungen neigte, die sie eventuell später einmal bereuen würde. Und dass sie die Frage nach dem eigenen Wert nicht sorgfältig überlegte, sondern an dem jeweiligen Märchenprinz festmachte - und somit würde ihr Vorgehen eindeutig eher durch Peter als durch sie selbst bestimmt werden.
Ein sanftes Stupsen am Bein weckte sie aus den Gedanken. „Na, du Schöne?“ Wie immer beruhigte die reine Anwesenheit der Katze ihre Gefühlswallungen, und kurze Zeit später saßen beide, Katze und Mensch, traut auf dem Sofa, Phoebe wurde gestreichelt und schnurrte, und Alex als Streichlerin schnurrte fast ebenso. „Das Leben könnte so einfach sein,“ dachte Alex und fuhr erneut mit der Hand über das weiche Fell. Sie beugte sich herunter und vertiefte ihre Nase ins Katzenhaar. „Hmm.. du duftest, aber Mundgeruch hast du…“ sagte sie sanft und strich sich mit dem Finger ein Katzenhaar von der Nase. „Stubentiger, was würde ich ohne dich tun?“ Phoebe schaute sie zwar verständnisvoll an, ließ aber die Antwort in der Luft hängen. Alex schaute wie so oft in die unergründlichen Augen ihrer vierbeinigen Vertrauten.
„Kannst du mir sagen, was Bea da für einen Unsinn macht?“ Auch diese Frage blieb unbeantwortet, dafür drehte sich Phoebe aber gelangweilt um und leckte intensiv ihre Pfote mit laut schmatzendem Geräusch.
„Schon okay, du hast Recht, es wäre schon klasse, wenn ich meine eigenen Probleme lösen würde, und nicht die der anderen.“ Alex seufzte noch einmal pathetisch und setzte ihre Katze neben sich auf das Sofa. Phoebe rollte sich gleich dort zusammen und rieb den Kopf seitlich vor Wohlbehagen am Bezug. Sie hatte unstrittig für sich entschieden, was sie tun würde: Alles, was sie als gut für sich empfand. Alex empfand fast eine Art Neid für die Katze und sagte wie so oft „Du hast es gut“. Und mit diesen Worten stand sie auf, um den Kuchenteig nun endgültig fertig zu machen.
Als ihre Schwiegereltern, Ilse und ihr Mann Gert, nachmittags zum Kaffee kamen, war der Kuchen gerade abgekühlt und spiegelte damit die Seele Alex wieder. Sie hatte in den letzten Stunden in der Wohnung gepuzzelt und dabei das schöne innere Gleichgewicht einer Frau erreicht, die sich die Probleme von der Seele geputzt hatte.
„Hallo Ihr beiden, schön, dass Ihr kommt“, begrüßte Alex ihre Schwiegereltern. Während sie ihre Schwiegermutter außerordentlich gerne mochte; hatte sie in Gert einen inneren Verbündeten gefunden, der ihr oft genug Halt gegeben hatte. Sie ließ sich fest in den Arm nehmen von ihm und genoss das Gefühl der Heimat, das sie bei ihm empfand und das sie bei Matthias manchmal suchte.
Gert war ein kleiner eher zarter Herr Ende der Sechzig, dessen gegerbtes Gesicht zeigte, dass er oft und gerne in der Sonne gewesen war und dies genossen hatte. Doch es war keine Sonnenbankbräune: Gert war ursprünglich Gärtner, hatte sich dann unaufhaltsam weitergebildet, ein Studium absolviert und später seine unbändig zähe Schaffenskraft einer Kommune zur Verfügung gestellt. Als Leiter eines Garten- und Friedhofsamtes, wie es früher so malerisch und verständlich hieß, war er über lange Jahre das grüne Gewissen seiner Stadt gewesen. Dabei hing sein Herzblut an den Kinderspielplätzen, für deren Qualität er sich auch bundesweit einsetzte.
„Na mein Mädchen, sehe ich dich auch mal wieder?“ Gert lächelte verschmitzt über das ganze Gesicht und zeigte eine Unzahl von Lachfalten. Alex hatte immer das Gefühl, als würden seine Augen viel tiefer sehen als andere; und er sah ihr immer an, wie es ihr ging. „Geht’s dir gut?“ fragte er nach einem längeren Blick in ihr Gesicht.
„Alles okay…“ sagte sie ausweichend. Gert quittierte dies mit einer leichten Schräglage seines Kopfes und einem noch tieferen Lächeln.
„Na dann ist ja gut…“ antwortete er leicht. Aber an seinem Tonfall konnte Alex er kennen, dass er ihr kein Wort glaubte und abwarten würde, ob sie ihm die Möglichkeit zu einem Gespräch darüber, was sie bedrückte, geben würde. Er hatte sich nie aufgedrängt, aber irgendetwas in seiner Art lockerte ihren Sinn und ihre Zunge, das kannte Alex schon.
„Kommt erst mal rein, der Kaffee ist fertig und der Kuchen gerade erst abgekühlt…“ unterbrach sie daher rasch die Situation.
Bei Kaffee und Kuchen plauderte es sich leicht und locker. Gert erzählte von seinem letzten Zug über einen Flohmarkt, wo er nach zähem Handeln einen dieser alten Reisewecker erstanden hatte, die man manuell aufziehen und je nach Gebrauch zusammenschieben konnte.
„So fünfziger Jahre, mit dunkelgrünem Lederbezug, der zwar etwas schadhaft ist, aber das kriege ich schon wieder hin. Braucht Ihr nicht so einen Wecker? Dieser Funkkram verpestet doch bloß die Atmosphäre, also ich trau’ der Sache ja nicht.“ Gert lehnte sich gemütlich zurück, er hatte damit seinen ersten Betrag zur Diskussion gestellt und seinem Sohn die Möglichkeit gegeben, ihm zu widersprechen. Denn Matthias war eher technikfreundlich orientiert und lehnte Gedanken über Elektrosmog im Hause schlichtweg ab.
Doch Matthias nahm den Fehdehandschuh nicht auf, sondern murmelte nur etwas davon, dass man ja über seinen eigenen Körper auch recht wenig Bescheid wüsste und dass die Umwelteinflüsse noch nicht hinreichend in ihrer Auswirkung geklärt seien. Gert quittierte auch dies mit einem tiefen Lächeln. Er sah aus, als würde er Informationen für sich sammeln und versuchen, die losen Enden verschiedener Fäden sinnvoll zusammenzusetzen.
„Auf dem Antikmarkt gab es auch noch eine wunderbare Biedermeierwiege. Ach, die hätte ich so gerne gekauft, Birkenholz wie euer Spiegel im Bad, leicht geflammt, das Furnier war nur an ein paar kleinen Stellen schadhaft, aber das hätte ich schon wieder hinbekommen: Ich möchte jetzt endlich was zum Spielen haben, und ein Enkel wäre doch passend, oder?“ So, Gert hatte sich nun ganz weit hinausgewagt. Bei jedem anderen hätte Alex eine standardisierte Antwort gegeben, doch das war in diesem Fall nicht angebracht. Ihr Schwiegervater wollte sie nicht ärgern, sondern offensichtlich eine Situation klären. Denn er hatte diesen Gesprächsverlauf so geplant, dazu kannte sie ihn gut genug.
Also schaute sie ihn an und sagte: „Glaub’ mir, wir würden dir diesen Wunsch gerne erfüllen, aber manchmal geht das eben nicht so schnell.“ Matthias blickte irritiert vom Kuchenteller auf, für den er sich in den letzten Minuten verschärft interessiert hatte. Alex hatte ein stillschweigendes Abkommen gebrochen, nämlich, dass niemand von ihrem Kinderwunsch wissen sollte.
Doch Gert reagierte mit der ihm eigenen Nonchalance, er strahlte und nahm alles Knistern aus der Situation. „Na wenn ihr zumindest daran arbeitet, bin ich ja schon zufrieden.“ Und dann erzählte er, dass er plane, in seinem Garten dieses Jahr den Gemüseanbau verstärken wollte.
Und während Matthias diesen Themenwechsel erlöst aufnahm, wusste Alex, dass ihr Schwiegervater immer dann locker über Dinge hinwegging, wenn er etwas im Schilde führte. Und sie wusste noch eines: Sie hatte in ihm einen unbedingten Verbündeten in strategischen Dingen.
Dass Alex nach diesem Gespräch aufgewühlt war, ist leicht vorstellbar. Sie kannte Bea schon so lange, dass ihr klar war, dass diese zu überstürzten Handlungen neigte, die sie eventuell später einmal bereuen würde. Und dass sie die Frage nach dem eigenen Wert nicht sorgfältig überlegte, sondern an dem jeweiligen Märchenprinz festmachte - und somit würde ihr Vorgehen eindeutig eher durch Peter als durch sie selbst bestimmt werden.
Ein sanftes Stupsen am Bein weckte sie aus den Gedanken. „Na, du Schöne?“ Wie immer beruhigte die reine Anwesenheit der Katze ihre Gefühlswallungen, und kurze Zeit später saßen beide, Katze und Mensch, traut auf dem Sofa, Phoebe wurde gestreichelt und schnurrte, und Alex als Streichlerin schnurrte fast ebenso. „Das Leben könnte so einfach sein,“ dachte Alex und fuhr erneut mit der Hand über das weiche Fell. Sie beugte sich herunter und vertiefte ihre Nase ins Katzenhaar. „Hmm.. du duftest, aber Mundgeruch hast du…“ sagte sie sanft und strich sich mit dem Finger ein Katzenhaar von der Nase. „Stubentiger, was würde ich ohne dich tun?“ Phoebe schaute sie zwar verständnisvoll an, ließ aber die Antwort in der Luft hängen. Alex schaute wie so oft in die unergründlichen Augen ihrer vierbeinigen Vertrauten.
„Kannst du mir sagen, was Bea da für einen Unsinn macht?“ Auch diese Frage blieb unbeantwortet, dafür drehte sich Phoebe aber gelangweilt um und leckte intensiv ihre Pfote mit laut schmatzendem Geräusch.
„Schon okay, du hast Recht, es wäre schon klasse, wenn ich meine eigenen Probleme lösen würde, und nicht die der anderen.“ Alex seufzte noch einmal pathetisch und setzte ihre Katze neben sich auf das Sofa. Phoebe rollte sich gleich dort zusammen und rieb den Kopf seitlich vor Wohlbehagen am Bezug. Sie hatte unstrittig für sich entschieden, was sie tun würde: Alles, was sie als gut für sich empfand. Alex empfand fast eine Art Neid für die Katze und sagte wie so oft „Du hast es gut“. Und mit diesen Worten stand sie auf, um den Kuchenteig nun endgültig fertig zu machen.
Als ihre Schwiegereltern, Ilse und ihr Mann Gert, nachmittags zum Kaffee kamen, war der Kuchen gerade abgekühlt und spiegelte damit die Seele Alex wieder. Sie hatte in den letzten Stunden in der Wohnung gepuzzelt und dabei das schöne innere Gleichgewicht einer Frau erreicht, die sich die Probleme von der Seele geputzt hatte.
„Hallo Ihr beiden, schön, dass Ihr kommt“, begrüßte Alex ihre Schwiegereltern. Während sie ihre Schwiegermutter außerordentlich gerne mochte; hatte sie in Gert einen inneren Verbündeten gefunden, der ihr oft genug Halt gegeben hatte. Sie ließ sich fest in den Arm nehmen von ihm und genoss das Gefühl der Heimat, das sie bei ihm empfand und das sie bei Matthias manchmal suchte.
Gert war ein kleiner eher zarter Herr Ende der Sechzig, dessen gegerbtes Gesicht zeigte, dass er oft und gerne in der Sonne gewesen war und dies genossen hatte. Doch es war keine Sonnenbankbräune: Gert war ursprünglich Gärtner, hatte sich dann unaufhaltsam weitergebildet, ein Studium absolviert und später seine unbändig zähe Schaffenskraft einer Kommune zur Verfügung gestellt. Als Leiter eines Garten- und Friedhofsamtes, wie es früher so malerisch und verständlich hieß, war er über lange Jahre das grüne Gewissen seiner Stadt gewesen. Dabei hing sein Herzblut an den Kinderspielplätzen, für deren Qualität er sich auch bundesweit einsetzte.
„Na mein Mädchen, sehe ich dich auch mal wieder?“ Gert lächelte verschmitzt über das ganze Gesicht und zeigte eine Unzahl von Lachfalten. Alex hatte immer das Gefühl, als würden seine Augen viel tiefer sehen als andere; und er sah ihr immer an, wie es ihr ging. „Geht’s dir gut?“ fragte er nach einem längeren Blick in ihr Gesicht.
„Alles okay…“ sagte sie ausweichend. Gert quittierte dies mit einer leichten Schräglage seines Kopfes und einem noch tieferen Lächeln.
„Na dann ist ja gut…“ antwortete er leicht. Aber an seinem Tonfall konnte Alex er kennen, dass er ihr kein Wort glaubte und abwarten würde, ob sie ihm die Möglichkeit zu einem Gespräch darüber, was sie bedrückte, geben würde. Er hatte sich nie aufgedrängt, aber irgendetwas in seiner Art lockerte ihren Sinn und ihre Zunge, das kannte Alex schon.
„Kommt erst mal rein, der Kaffee ist fertig und der Kuchen gerade erst abgekühlt…“ unterbrach sie daher rasch die Situation.
Bei Kaffee und Kuchen plauderte es sich leicht und locker. Gert erzählte von seinem letzten Zug über einen Flohmarkt, wo er nach zähem Handeln einen dieser alten Reisewecker erstanden hatte, die man manuell aufziehen und je nach Gebrauch zusammenschieben konnte.
„So fünfziger Jahre, mit dunkelgrünem Lederbezug, der zwar etwas schadhaft ist, aber das kriege ich schon wieder hin. Braucht Ihr nicht so einen Wecker? Dieser Funkkram verpestet doch bloß die Atmosphäre, also ich trau’ der Sache ja nicht.“ Gert lehnte sich gemütlich zurück, er hatte damit seinen ersten Betrag zur Diskussion gestellt und seinem Sohn die Möglichkeit gegeben, ihm zu widersprechen. Denn Matthias war eher technikfreundlich orientiert und lehnte Gedanken über Elektrosmog im Hause schlichtweg ab.
Doch Matthias nahm den Fehdehandschuh nicht auf, sondern murmelte nur etwas davon, dass man ja über seinen eigenen Körper auch recht wenig Bescheid wüsste und dass die Umwelteinflüsse noch nicht hinreichend in ihrer Auswirkung geklärt seien. Gert quittierte auch dies mit einem tiefen Lächeln. Er sah aus, als würde er Informationen für sich sammeln und versuchen, die losen Enden verschiedener Fäden sinnvoll zusammenzusetzen.
„Auf dem Antikmarkt gab es auch noch eine wunderbare Biedermeierwiege. Ach, die hätte ich so gerne gekauft, Birkenholz wie euer Spiegel im Bad, leicht geflammt, das Furnier war nur an ein paar kleinen Stellen schadhaft, aber das hätte ich schon wieder hinbekommen: Ich möchte jetzt endlich was zum Spielen haben, und ein Enkel wäre doch passend, oder?“ So, Gert hatte sich nun ganz weit hinausgewagt. Bei jedem anderen hätte Alex eine standardisierte Antwort gegeben, doch das war in diesem Fall nicht angebracht. Ihr Schwiegervater wollte sie nicht ärgern, sondern offensichtlich eine Situation klären. Denn er hatte diesen Gesprächsverlauf so geplant, dazu kannte sie ihn gut genug.
Also schaute sie ihn an und sagte: „Glaub’ mir, wir würden dir diesen Wunsch gerne erfüllen, aber manchmal geht das eben nicht so schnell.“ Matthias blickte irritiert vom Kuchenteller auf, für den er sich in den letzten Minuten verschärft interessiert hatte. Alex hatte ein stillschweigendes Abkommen gebrochen, nämlich, dass niemand von ihrem Kinderwunsch wissen sollte.
Doch Gert reagierte mit der ihm eigenen Nonchalance, er strahlte und nahm alles Knistern aus der Situation. „Na wenn ihr zumindest daran arbeitet, bin ich ja schon zufrieden.“ Und dann erzählte er, dass er plane, in seinem Garten dieses Jahr den Gemüseanbau verstärken wollte.
Und während Matthias diesen Themenwechsel erlöst aufnahm, wusste Alex, dass ihr Schwiegervater immer dann locker über Dinge hinwegging, wenn er etwas im Schilde führte. Und sie wusste noch eines: Sie hatte in ihm einen unbedingten Verbündeten in strategischen Dingen.
Alex 71
Ein paar Tage später erhielt sie einen Anruf von Gert.
„Hallo Alex, bist du so am frühen Nachmittag zuhause? Ich wollte dir etwas vorbeibringen.“
„Na klar, was denn?“
„Das verrate ich dir nicht, aber du würdest auch nie darauf kommen. Und nimm dir ein wenig Zeit mich, okay?“ Alex konnte fast hören, wie er am Telefon schmunzelte.
„Magst du dann ein Stück Kuchen mit mir essen?“
„Gerne, ich freu mich drauf. Bis dann.“
Alex grübelte noch ein wenig über das rätselhafte Telefonat, aber sie freute sich auch, endlich einmal allein mit ihrem Schwiegervater sprechen zu können. Diese Gelegenheit hatte sie leider viel zu wenig. Immer war irgendjemand anderes dabei, Ilse oder Matthias oder Sabine, und so fand sie trotz der starken Bindung an Gert oft nicht die nötige Zeit für ihn. Und deshalb würde sie den heutigen Nachmittag besonders genießen.
Wenige Minuten nach drei Uhr saßen Schwiegervater und Schwiegertochter bei einer Tasse Kaffee zusammen. Auf dem Tisch ein Maiglöckchenstrauß, den Gert Alex mitgebracht hatte. Sie war darüber ganz gerührt, denn Maiglöckchen im frühen Frühjahr sind eigentlich ein Ding der Unmöglichkeit, und als sie das sagte, hatte ihr Schweigervater gelacht und gesagt, er hätte auch schon ein paar Tage versucht, die Maiglöckchen zu bekommen, und heute sei es ihm gelungen.
Im Sessel sitzend begann er endlich zu erzählen, was er auf dem Herzen hatte.
„Also, Alex, ich empfinde es so, dass uns beide etwas Besonderes verbindet. Wir scheinen das gleiche Denken zu haben, und mir ist oft so, als könnte ich deine Gefühle schon im Vorfeld vorhersagen“, Gert räusperte sich und rutschte ein wenig im Sessel hin und her. „Und manchmal sehe ich dir eben an, wenn dir etwas Sorgen macht.“ Er machte eine kleine Pause.
„Als wir am Sonntag hier waren und ich von der Biedermeierwiege gesprochen habe, da veränderte sich dein Gesichtsausdruck völlig, für einen Bruchteil der Sekunde hatte ich das Gefühl, deinem Herzen auf den Grund schauen zu können. Und was ich da sah, machte mich nachdenklich. Soll ich weiterreden oder trete ich dir zunahe?“
Alex tat unbeteiligt, aber ihre Neugierde war geweckt. „Naja, du kannst dir ja vorstellen, dass das Thema Kinder nicht so einfach ist, und etwas sehr Privates zwischen Mann und Frau, aber jeder meint, sich ein Urteil darüber erlauben zu können…“ sagte sie ruhig und versuchte, ihre Betroffenheit weiter zu verbergen. Doch Gert hatte sie durchschaut.
„Vermutlich bist du die zahlreichen Sprüche satt, die du immer hörst, das ist mir klar. Und nun wage auch ich mich auf dieses Terrain vor, aber wenn du so alt geworden bist wie ich“, an dieser Stelle strahlte er über sein windgegerbtes Gesicht und fuhr sich kurz durch die schon schütteren Haare, „.. dann nimmst du dir vielleicht auch unter dem Deckmäntelchen der senilen Verkalkung Dinge in Angriff, die dich eigentlich nichts angehen.“ Gert legte wieder eine Pause ein und wartete, was seine Worte bewirkt hatten.
„Quatsch, du und senil verkalkt!“ empörte sich Alex, und Gert war sichtlich zufrieden.
„Naja, das ist so, dass man heute sagen kann, man hätte senile Bettflucht, um nicht zugeben zu müssen, dass man romantisch genug ist, den Wecker auf 4 Uhr zu stellen, um den Sonnenaufgang zu sehen.“ Er machte eine wegwischende Handbewegung.
„Wie dem auch sei, ich habe mir Gedanken gemacht. Ad a) ihr wollt offensichtlich Kinder. Ad b) – übrigens musst du mich unterbrechen, wenn ich Unsinn rede, dir auf die Nerven gehe oder sonst etwas – es klappt nicht einfach so. Stimmt’s?“
„Ja, leider, dabei sagt meine Frauenärztin, dass alles in Ordnung ist, ich muss eben nur ein bisschen Geduld haben. Aber wie lange soll ich denn noch warten?“ Letzteres platzte schier aus ihr hervor. Gert schaute bestätigt.
„Siehst du, und genau das habe ich mir gedacht. Vermutlich machst du dir darüber viele Gedanken.“ Er schaute sie auffordernd an, aber Alex wollte erst hören, was er auf dem Herzen hatte.
„Vor einiger Zeit las ich durch Zufall einen Artikel, der verblüffenderweise einen Zusammenhang zwischen dem Geruchssinn und der Zeugungsfähigkeit von Männern herstellt.“ Alex sog hörbar die Luft ein. „… und da ich als typischer Mann vermutlich nicht denselben Elan an den Tag legen würde, mich in der Hinsicht „unerfüllter Kinderwunsch“ untersuchen zu lassen, und ich dies bei meinem Sohn mindestens genauso sehe, habe ich dir die Blumen mitgebracht. Und du kannst mir glauben, es war eine logistische Meisterleistung, einen verrückten Züchter zu finden, der jetzt Maiglöckchen hatte!“ Mit diesen Worten lehnte sich Gert zurück und nahm aus seiner Innentasche des Sakkos einen Zeitungsartikel mit dem Titel „…finden Spermien ihren Weg?“
Sprachlos, irritiert und berührt zugleich nahm Alex das Papier und las: „Schon viele Wissenschaftler haben sich gefragt, wie sich die kleinen Dinger eigentlich zurechtfinden, wie sie es schaffen, so blitzschnell zur Eizelle zu schwimmen, ohne die Orientierung zu verlieren…Wissenschaftler fanden nun heraus, dass sich die Spermien am Geruch orientieren. Ausgerüstet mit so genannten Riechrezeptoren …finden sie traumhaft sicher den Weg zum weiblichen Ei. Und das duftet…nach Maiglöckchen.“ Alex schaute hoch und studierte die Blumen – und sog deren starken Duft ein.
„Ist ja irre…“ murmelte sie und las weiter: „Diese verblüffende Erkenntnis erklärt nicht nur die Zielstrebigkeit der männlichen Keimzellen. Sie eröffnet auch ganz neue Möglichkeiten der Diagnostik von Unfruchtbarkeit. Denn die gleichen Riechrezeptoren, mit deren Hilfe sich auch die Spermien orientieren, befinden sich auch in der menschlichen Nase. Wenn ein Mann keinen Maiglöckchenduft wahrnehmen kann, weil der dafür vorgesehene Rezeptor defekt ist, werden dessen Samenzellen auch orientierungslos herumirren.“
Alex ließ das Blatt sinken. „Das ist ja der helle Wahn. Und deshalb hast du die Maiglöckchen besorgt. Du bist ja so lieb…“ und vom Gefühl übermannt, dass sie der alleinigen Verantwortung enthoben wird, nahm sie Gert in den Arm.
„Und du meinst, das stimmt?“
„Ich weiß es nicht, aber wir können ja sehen, was Matthais sagt, und ihn vielleicht an seine eigene Rolle erinnern. Mehr will ich ja gar nicht, ihn nur aufrütteln, ich kenne doch Matthias, das braucht der …“
Alex biss herzhaft in ein Stück Apfelkuchen, plötzlich hatte sie wieder Appetit. „Ich will ja nur wissen, woran es liegt…“ fügte sie an, und Gert nickte verständnisvoll. „Das hab’ ich mir schon so gedacht“, sinnierte er sichtlich zufrieden und nahm nun endlich auch seinen Kuchen.
Ein paar Tage später erhielt sie einen Anruf von Gert.
„Hallo Alex, bist du so am frühen Nachmittag zuhause? Ich wollte dir etwas vorbeibringen.“
„Na klar, was denn?“
„Das verrate ich dir nicht, aber du würdest auch nie darauf kommen. Und nimm dir ein wenig Zeit mich, okay?“ Alex konnte fast hören, wie er am Telefon schmunzelte.
„Magst du dann ein Stück Kuchen mit mir essen?“
„Gerne, ich freu mich drauf. Bis dann.“
Alex grübelte noch ein wenig über das rätselhafte Telefonat, aber sie freute sich auch, endlich einmal allein mit ihrem Schwiegervater sprechen zu können. Diese Gelegenheit hatte sie leider viel zu wenig. Immer war irgendjemand anderes dabei, Ilse oder Matthias oder Sabine, und so fand sie trotz der starken Bindung an Gert oft nicht die nötige Zeit für ihn. Und deshalb würde sie den heutigen Nachmittag besonders genießen.
Wenige Minuten nach drei Uhr saßen Schwiegervater und Schwiegertochter bei einer Tasse Kaffee zusammen. Auf dem Tisch ein Maiglöckchenstrauß, den Gert Alex mitgebracht hatte. Sie war darüber ganz gerührt, denn Maiglöckchen im frühen Frühjahr sind eigentlich ein Ding der Unmöglichkeit, und als sie das sagte, hatte ihr Schweigervater gelacht und gesagt, er hätte auch schon ein paar Tage versucht, die Maiglöckchen zu bekommen, und heute sei es ihm gelungen.
Im Sessel sitzend begann er endlich zu erzählen, was er auf dem Herzen hatte.
„Also, Alex, ich empfinde es so, dass uns beide etwas Besonderes verbindet. Wir scheinen das gleiche Denken zu haben, und mir ist oft so, als könnte ich deine Gefühle schon im Vorfeld vorhersagen“, Gert räusperte sich und rutschte ein wenig im Sessel hin und her. „Und manchmal sehe ich dir eben an, wenn dir etwas Sorgen macht.“ Er machte eine kleine Pause.
„Als wir am Sonntag hier waren und ich von der Biedermeierwiege gesprochen habe, da veränderte sich dein Gesichtsausdruck völlig, für einen Bruchteil der Sekunde hatte ich das Gefühl, deinem Herzen auf den Grund schauen zu können. Und was ich da sah, machte mich nachdenklich. Soll ich weiterreden oder trete ich dir zunahe?“
Alex tat unbeteiligt, aber ihre Neugierde war geweckt. „Naja, du kannst dir ja vorstellen, dass das Thema Kinder nicht so einfach ist, und etwas sehr Privates zwischen Mann und Frau, aber jeder meint, sich ein Urteil darüber erlauben zu können…“ sagte sie ruhig und versuchte, ihre Betroffenheit weiter zu verbergen. Doch Gert hatte sie durchschaut.
„Vermutlich bist du die zahlreichen Sprüche satt, die du immer hörst, das ist mir klar. Und nun wage auch ich mich auf dieses Terrain vor, aber wenn du so alt geworden bist wie ich“, an dieser Stelle strahlte er über sein windgegerbtes Gesicht und fuhr sich kurz durch die schon schütteren Haare, „.. dann nimmst du dir vielleicht auch unter dem Deckmäntelchen der senilen Verkalkung Dinge in Angriff, die dich eigentlich nichts angehen.“ Gert legte wieder eine Pause ein und wartete, was seine Worte bewirkt hatten.
„Quatsch, du und senil verkalkt!“ empörte sich Alex, und Gert war sichtlich zufrieden.
„Naja, das ist so, dass man heute sagen kann, man hätte senile Bettflucht, um nicht zugeben zu müssen, dass man romantisch genug ist, den Wecker auf 4 Uhr zu stellen, um den Sonnenaufgang zu sehen.“ Er machte eine wegwischende Handbewegung.
„Wie dem auch sei, ich habe mir Gedanken gemacht. Ad a) ihr wollt offensichtlich Kinder. Ad b) – übrigens musst du mich unterbrechen, wenn ich Unsinn rede, dir auf die Nerven gehe oder sonst etwas – es klappt nicht einfach so. Stimmt’s?“
„Ja, leider, dabei sagt meine Frauenärztin, dass alles in Ordnung ist, ich muss eben nur ein bisschen Geduld haben. Aber wie lange soll ich denn noch warten?“ Letzteres platzte schier aus ihr hervor. Gert schaute bestätigt.
„Siehst du, und genau das habe ich mir gedacht. Vermutlich machst du dir darüber viele Gedanken.“ Er schaute sie auffordernd an, aber Alex wollte erst hören, was er auf dem Herzen hatte.
„Vor einiger Zeit las ich durch Zufall einen Artikel, der verblüffenderweise einen Zusammenhang zwischen dem Geruchssinn und der Zeugungsfähigkeit von Männern herstellt.“ Alex sog hörbar die Luft ein. „… und da ich als typischer Mann vermutlich nicht denselben Elan an den Tag legen würde, mich in der Hinsicht „unerfüllter Kinderwunsch“ untersuchen zu lassen, und ich dies bei meinem Sohn mindestens genauso sehe, habe ich dir die Blumen mitgebracht. Und du kannst mir glauben, es war eine logistische Meisterleistung, einen verrückten Züchter zu finden, der jetzt Maiglöckchen hatte!“ Mit diesen Worten lehnte sich Gert zurück und nahm aus seiner Innentasche des Sakkos einen Zeitungsartikel mit dem Titel „…finden Spermien ihren Weg?“
Sprachlos, irritiert und berührt zugleich nahm Alex das Papier und las: „Schon viele Wissenschaftler haben sich gefragt, wie sich die kleinen Dinger eigentlich zurechtfinden, wie sie es schaffen, so blitzschnell zur Eizelle zu schwimmen, ohne die Orientierung zu verlieren…Wissenschaftler fanden nun heraus, dass sich die Spermien am Geruch orientieren. Ausgerüstet mit so genannten Riechrezeptoren …finden sie traumhaft sicher den Weg zum weiblichen Ei. Und das duftet…nach Maiglöckchen.“ Alex schaute hoch und studierte die Blumen – und sog deren starken Duft ein.
„Ist ja irre…“ murmelte sie und las weiter: „Diese verblüffende Erkenntnis erklärt nicht nur die Zielstrebigkeit der männlichen Keimzellen. Sie eröffnet auch ganz neue Möglichkeiten der Diagnostik von Unfruchtbarkeit. Denn die gleichen Riechrezeptoren, mit deren Hilfe sich auch die Spermien orientieren, befinden sich auch in der menschlichen Nase. Wenn ein Mann keinen Maiglöckchenduft wahrnehmen kann, weil der dafür vorgesehene Rezeptor defekt ist, werden dessen Samenzellen auch orientierungslos herumirren.“
Alex ließ das Blatt sinken. „Das ist ja der helle Wahn. Und deshalb hast du die Maiglöckchen besorgt. Du bist ja so lieb…“ und vom Gefühl übermannt, dass sie der alleinigen Verantwortung enthoben wird, nahm sie Gert in den Arm.
„Und du meinst, das stimmt?“
„Ich weiß es nicht, aber wir können ja sehen, was Matthais sagt, und ihn vielleicht an seine eigene Rolle erinnern. Mehr will ich ja gar nicht, ihn nur aufrütteln, ich kenne doch Matthias, das braucht der …“
Alex biss herzhaft in ein Stück Apfelkuchen, plötzlich hatte sie wieder Appetit. „Ich will ja nur wissen, woran es liegt…“ fügte sie an, und Gert nickte verständnisvoll. „Das hab’ ich mir schon so gedacht“, sinnierte er sichtlich zufrieden und nahm nun endlich auch seinen Kuchen.
Alex 72
Nachdem Gert gegangen war, wurde Alex die Zeit lang. Unruhig lief sie hin und her und wartete auf ihren Mann, um endlich sein Riechorgan zu testen. Und dann klingelte zu allem Überfluss auch noch das Telefon, Matthias war am anderen Ende der Leitung.
„Hallo Schatz, ich wollte nur sagen, dass ich etwas später komme, ich bin noch mit Jürgen verabredet und gehe mit ihm einen trinken. Ist das okay für dich?“
Natürlich war es eigentlich nicht okay, denn Alex saß ja maiglöckchenmäßig auf heißen Kohlen, aber sie konnte ihm wohl kaum den Abend vermiesen. Immerhin ging Matthias recht wenig aus, und die Treffen mit seinem Freund taten ihm immer gut. Tapfer antwortete sie:
„Na klar, ist okay, du brauchst das auch ab und zu, stimmt’s?“
„Siehst du, und genau dafür liebe ich dich umso mehr!“ klang es fröhlich aus dem Hörer zurück. Und nach einem liebevollen „Tschüss mein Schatz“ war er, der Mann ihrer Träume, auch schon wieder verbal verschwunden. Und Alex saß da - und wartete. Auch das Fernsehprogramm brachte keine Erleichterung, der eindringliche Geruch der Blumen umnebelte ihren Sinn und ließ die Gedanken immer wieder abschweifen. Was würde sie tun, wenn er den Geruch nicht röche? Und was, wenn er ihn riechen konnte? Dann wäre sie keinen Schritt weiter… Im Prinzip brachte auch der Duft sie nicht einen Deut weiter, denn egal wie sie es auch drehte und wendete, um eines kam sie nicht herum: Sie musste offen mit Matthias sprechen. Und sie musste sich auch mit dem Gedanken beschäftigen, was sie beide denn tun würde, wenn der eine oder die andere eben nicht zeugungs- beziehungsweise befruchtungsfähig wäre. Oder oder oder.
Von außen betrachtet war selbst für Alex die Sache klar: Kein Paar sollte nur wegen des Kinderwunsches zusammen sein, sondern der Kinderwunsch sollte aus einer guten Beziehung entspringen. Und eine Beziehung sollte natürlich nie unter dem Kinderwunsch leiden, sondern sie sollte dadurch gestärkt werden. Und keine vernünftige Frau sollte ihr Leben in der Intensität wie sie gerade dieser einen Idee unterwerfen. Das war Alex alles klar, sie hätte alles sofort unterschrieben – und am nächsten Tag erneut LH-Tests verschwendet.
„Was ist das nur, das mich so an eine fixe Idee bindet? Ist das noch der Wunsch nach einem Kind? Oder will ich mir nur beweisen, dass ich das schaffe? Oder will ich Matthias damit an mich binden?“ Alex seufzte, natürlich wollte sie das nicht, aber immer wenn sie sich so ganz kritisch sah, verschwammen ihre Gedanken ineinander. Und dann war sie doch oft davor, einfach zu sagen: „Ich mache das nicht mehr mit.“ Das hielt maximal bis zum nächsten Kinderlachen. Und wenn sie sich das vor Augen führte, dann wusste sie auch immer wieder: Sie wollte wirklich ein Kind – nur nicht um jeden Preis. Oder doch?
Irgendwann fiel sie auf dem Sofa in einen leichten Schlummer, aus dem Phoebe sie weckte. Die Katze strich um die Blumen und setzte ihre Pfoten immer wieder verbotener Weise auf den Glastisch, was ein leicht kratzendes Geräusch verursachte. Und da Alex irgendwann in einer Frauenzeitschrift gelesen hatte, dass Maiglöckchen giftige Substanzen enthalten, entschied sie sich nun, den Blumenstrauß vor die Tür zu stellen. Egal, ob Matthias kam oder nicht, in der Wohnung war auch so noch genug Duft, und Phoebe sollte nicht unter ihrer List leiden. Und dann ging Alex ins Bett.
Irgendwann um Mitternacht hörte sie Matthias kommen und setzte sich im Bett auf.
„Boah, stinkt das hier…“ waren seine Worte.
Alex war nun bis aufs Äußerste gespannt. Die Worte ihres Mannes klangen nicht nach der Wahrnehmung eines Blütenduftes, aber Männer mögen häufig, Düfte, die Frauen mögen, nicht. Dennoch, irgendwie war Alex beruhigt und beunruhigt gleichzeitig. Matthias konnte also die Maiglöckchen riechen, desorientiert waren er und somit seine Schwimmer wohl nicht.
„Hi Schatz, Phoebe hat im Katzenklo nicht ordentlich zusammengekratzt, boah, das riecht…“ waren seine Worte, als er ins Schlafzimmer kam und sich zu ihr legte. „Ich habe das Fenster geöffnet.“ Und damit schlief er bierselig ein.
Nachdem Gert gegangen war, wurde Alex die Zeit lang. Unruhig lief sie hin und her und wartete auf ihren Mann, um endlich sein Riechorgan zu testen. Und dann klingelte zu allem Überfluss auch noch das Telefon, Matthias war am anderen Ende der Leitung.
„Hallo Schatz, ich wollte nur sagen, dass ich etwas später komme, ich bin noch mit Jürgen verabredet und gehe mit ihm einen trinken. Ist das okay für dich?“
Natürlich war es eigentlich nicht okay, denn Alex saß ja maiglöckchenmäßig auf heißen Kohlen, aber sie konnte ihm wohl kaum den Abend vermiesen. Immerhin ging Matthias recht wenig aus, und die Treffen mit seinem Freund taten ihm immer gut. Tapfer antwortete sie:
„Na klar, ist okay, du brauchst das auch ab und zu, stimmt’s?“
„Siehst du, und genau dafür liebe ich dich umso mehr!“ klang es fröhlich aus dem Hörer zurück. Und nach einem liebevollen „Tschüss mein Schatz“ war er, der Mann ihrer Träume, auch schon wieder verbal verschwunden. Und Alex saß da - und wartete. Auch das Fernsehprogramm brachte keine Erleichterung, der eindringliche Geruch der Blumen umnebelte ihren Sinn und ließ die Gedanken immer wieder abschweifen. Was würde sie tun, wenn er den Geruch nicht röche? Und was, wenn er ihn riechen konnte? Dann wäre sie keinen Schritt weiter… Im Prinzip brachte auch der Duft sie nicht einen Deut weiter, denn egal wie sie es auch drehte und wendete, um eines kam sie nicht herum: Sie musste offen mit Matthias sprechen. Und sie musste sich auch mit dem Gedanken beschäftigen, was sie beide denn tun würde, wenn der eine oder die andere eben nicht zeugungs- beziehungsweise befruchtungsfähig wäre. Oder oder oder.
Von außen betrachtet war selbst für Alex die Sache klar: Kein Paar sollte nur wegen des Kinderwunsches zusammen sein, sondern der Kinderwunsch sollte aus einer guten Beziehung entspringen. Und eine Beziehung sollte natürlich nie unter dem Kinderwunsch leiden, sondern sie sollte dadurch gestärkt werden. Und keine vernünftige Frau sollte ihr Leben in der Intensität wie sie gerade dieser einen Idee unterwerfen. Das war Alex alles klar, sie hätte alles sofort unterschrieben – und am nächsten Tag erneut LH-Tests verschwendet.
„Was ist das nur, das mich so an eine fixe Idee bindet? Ist das noch der Wunsch nach einem Kind? Oder will ich mir nur beweisen, dass ich das schaffe? Oder will ich Matthias damit an mich binden?“ Alex seufzte, natürlich wollte sie das nicht, aber immer wenn sie sich so ganz kritisch sah, verschwammen ihre Gedanken ineinander. Und dann war sie doch oft davor, einfach zu sagen: „Ich mache das nicht mehr mit.“ Das hielt maximal bis zum nächsten Kinderlachen. Und wenn sie sich das vor Augen führte, dann wusste sie auch immer wieder: Sie wollte wirklich ein Kind – nur nicht um jeden Preis. Oder doch?
Irgendwann fiel sie auf dem Sofa in einen leichten Schlummer, aus dem Phoebe sie weckte. Die Katze strich um die Blumen und setzte ihre Pfoten immer wieder verbotener Weise auf den Glastisch, was ein leicht kratzendes Geräusch verursachte. Und da Alex irgendwann in einer Frauenzeitschrift gelesen hatte, dass Maiglöckchen giftige Substanzen enthalten, entschied sie sich nun, den Blumenstrauß vor die Tür zu stellen. Egal, ob Matthias kam oder nicht, in der Wohnung war auch so noch genug Duft, und Phoebe sollte nicht unter ihrer List leiden. Und dann ging Alex ins Bett.
Irgendwann um Mitternacht hörte sie Matthias kommen und setzte sich im Bett auf.
„Boah, stinkt das hier…“ waren seine Worte.
Alex war nun bis aufs Äußerste gespannt. Die Worte ihres Mannes klangen nicht nach der Wahrnehmung eines Blütenduftes, aber Männer mögen häufig, Düfte, die Frauen mögen, nicht. Dennoch, irgendwie war Alex beruhigt und beunruhigt gleichzeitig. Matthias konnte also die Maiglöckchen riechen, desorientiert waren er und somit seine Schwimmer wohl nicht.
„Hi Schatz, Phoebe hat im Katzenklo nicht ordentlich zusammengekratzt, boah, das riecht…“ waren seine Worte, als er ins Schlafzimmer kam und sich zu ihr legte. „Ich habe das Fenster geöffnet.“ Und damit schlief er bierselig ein.
Alex 73
"Komm Schatz, wir gehen ins Bauhaus, wir müssen ja langsam ein Nest bauen oder?" Matthias lächelte sie fröhlich an und wedelte mit einem Packen Zehn-Euro-Scheine. Alex nahm nur schnell noch ihre Jacke, obwohl draußen die Sonne warm strahlte.
"Komisch, ich brauche die Winterjacke ja gar nicht mehr", dachte sie verwirrt und legte das Kleidungsstück in das Auto. Es war ein VW-Bus, wie sie ihn sich gewünscht hatte.
"Hast du den geliehen?" erkundigte sie sich bei ihrem Mann und kuschelte sich behaglich in den Sitz.
"Klar, wenn es mit den Kindern losgeht, brauchen wir doch Platz, und da wollte ich schon mal ausprobieren, ob der Wagen uns wirklich gefällt." Alex wurde warm um ihr Herz. Es war gemütlich und so behaglich wie in ihrem Bett. Draußen spielten Kinder auf einer Wiese, an der sie vorbeifuhren, doch sie konnte deren Gesichter nicht erkennen.
"Hmmm, ich brauche wohl doch bald eine Brille", nahm sie beiläufig zur Kenntnis, weil alles ein wenig verschwommen war. Auf dem Parkplatz des Bauhaus angekommen nahm Matthias einen riesigen Wagen mit Kindersitz, auch schon einmal zur Übung. Alex fand das ja nun ein wenig übertrieben, aber sie sagte nichts. Überhaupt war Matthias heute anders als sonst, aber da ihr das, was er sagte, gefiel, war es für okay.
"Erst einmal zum Holz, finde ich, ich würde gerne eine Wiege bauen."
Matthias schaute sie erwartungsvoll an, und da ihr Mann nun leider bisher recht mäßige Erfahrungen in Sachen Tischlerarbeit zur Einrichtung beigesteuert hatte, war Alex überrascht.
"Kannst du das denn?" fragte sie ungläubig und erhielt prompt die Antwort.: "Na klar... das wird schon gehen." Und mit diesen Worten stürmte Matthias zur Abteilung "Holz".
"Haben Sie Mooreiche?" fragte er den Mitarbeiter des Baumarktes, der irgendwie fast wie Gert aussah.
"Nein, aber Birke." Nun wusste Alex aus den Erzählungen von ihrem Schweigervater, dass Mooreiche äußerst dunkel und ebenso hart war, Birke aber ein helles weiches Holz und beide somit in keiner Weise vergleichbar sein konnten, aber sie schwieg.
"Okay, dann nehme ich einen Festmeter, ich will es selbst Hobeln." Alex traute ihren Ohren nicht. Aber ihr Mann verhandelte schnell mit dem Fachmann und kam kurz darauf mit einem Lieferzettel zurück. "Wird geliefert, ist ja auch besser so..." informierte er sie und stürmte dann weiter die Regalreihen entlang. So entschlossen hatte Alex ihren Mann lange nicht gesehen.
"Mensch, guck mal, Schleifpapier für Parkett, das machen wir auch." Und mit diesen Worten packte er den ganzen Wagen mit den unterschiedlichsten Rollen mit Schleifpapier voll. Beiläufig bemerkte Alex, dass alle Packungen unterschiedliche Körnungen und Anzahl von Papiereinheiten enthielten. Sie stellte sich schon die Schlange hinter sich beim Bezahlen vor; das würde Stunden dauern, alles auszuzählen. Aber als sie ihren Mann darauf aufmerksam machen wollte, hatte er den Wagen schon in Richtung "Gartenbedarf/ Freilandpflanzen" gelenkt
"Komm, wenn das Kind da ist, pflanze ich einen Apfelbaum..." meinte er enthusiastisch. Fast atemlos beeilte sich Alex, mit ihm Schritt zu halten. Ihr wurde trotz der fehlenden Jacke noch wärmer.
"Guck mal, das riecht toll, was?" Matthias hielt ihr eine Pflanze hin, die sie nicht erkannte und an der sie schnüffelte.
"Riecht nach Maiglöckchen, oder?" entgegnete sie.
"Lavendel."
"Komisch,", dachte Alex, den hätte sie doch erkannt, aber die Pflanze sah so anders aus als sonst.
"Und das hier?" Wieder hatte sie eine Pflanze vor der Nase, und wieder roch sie nach Maiglöckchen und entpuppte sich als Thymian. Und so ging es weiter. Matthias war berauscht von Gerüchen, und alle rochen für Alex gleich - eben nach Maiglöckchen – doch die waren nie dabei.
„Mensch, ein Teich!“ strahlte ihr Mann kurz darauf, und tatsächlich, in einer benachbarten Abteilung zu den Freilandpflanzen gab es einen Teich, in dem Karpfen herumschwammen. Alex hatte es schon als Kind geliebt, ihnen zu zuschauen, wie sie ab und zu an der Oberfläche Luft schnappten, wie sie dachte. Irgendwie fand sie zwar, dass die recht geordnet hintereinander her schwammen, aber auch das kannte sie ja aus ihrer Kindheit. So ganz durcheinander ohne System war es nie gewesen, meist schienen sie sternförmig zusammenzukommen. Aber so wie hier?
Matthias war weitergegangen und schaute nun intensiv ins Wasser. „Ist ja irre“, murmelte er vor sich hin. Alex gesellte sich zu ihm und schaute nun ihrerseits ins Wasser.
„Unglaublich...“ murmelte nun auch sie. Im Wasser sah sie eine Unzahl von Kaulquappen, die in einem Kreis herum zuschwimmen schienen, und immer mehr kamen dazu, so dass sich bald ein dicker Ring aus Froschvorstufen gebildet hatte. Alex versuchte krampfhaft, sich daran zu erinnern, woran diese sie erinnerten, aber sie fand die Lösung nicht.
Nach einer Weile des Schauens schüttelte Matthias den Kopf.
„Blöde Kreiseldeppen, die kommen ja nie an ihr Ziel...“ wertete er ab. Und plötzlich hatte er einen Frack an, und einen Schnurrbart wie ein Zirkusdirektor und eine Zylinder auf. In der Hand hielt er eine Peitsche, mit der er knallte, und die Kaulquappen schwammen nun in einer schönen gleichmäßigen Acht, wobei sie jedes Mal die Richtung änderten, wenn Matthias das Signal mit einem Knall gab.
„Mann, müssen die so einen Lärm machen,“ beschwerte sich Matthias und meinte das Geräusch, dass durch das Abladen von Gerüstteilen am Haus gegenüber entstand. „Die knallen die Dinger ja nur so hin..“
Alex öffnete ihre Augen und schaute direkt in Phoebes Augen; kein Wunder, dass ihr so warm gewesen war...
"Komm Schatz, wir gehen ins Bauhaus, wir müssen ja langsam ein Nest bauen oder?" Matthias lächelte sie fröhlich an und wedelte mit einem Packen Zehn-Euro-Scheine. Alex nahm nur schnell noch ihre Jacke, obwohl draußen die Sonne warm strahlte.
"Komisch, ich brauche die Winterjacke ja gar nicht mehr", dachte sie verwirrt und legte das Kleidungsstück in das Auto. Es war ein VW-Bus, wie sie ihn sich gewünscht hatte.
"Hast du den geliehen?" erkundigte sie sich bei ihrem Mann und kuschelte sich behaglich in den Sitz.
"Klar, wenn es mit den Kindern losgeht, brauchen wir doch Platz, und da wollte ich schon mal ausprobieren, ob der Wagen uns wirklich gefällt." Alex wurde warm um ihr Herz. Es war gemütlich und so behaglich wie in ihrem Bett. Draußen spielten Kinder auf einer Wiese, an der sie vorbeifuhren, doch sie konnte deren Gesichter nicht erkennen.
"Hmmm, ich brauche wohl doch bald eine Brille", nahm sie beiläufig zur Kenntnis, weil alles ein wenig verschwommen war. Auf dem Parkplatz des Bauhaus angekommen nahm Matthias einen riesigen Wagen mit Kindersitz, auch schon einmal zur Übung. Alex fand das ja nun ein wenig übertrieben, aber sie sagte nichts. Überhaupt war Matthias heute anders als sonst, aber da ihr das, was er sagte, gefiel, war es für okay.
"Erst einmal zum Holz, finde ich, ich würde gerne eine Wiege bauen."
Matthias schaute sie erwartungsvoll an, und da ihr Mann nun leider bisher recht mäßige Erfahrungen in Sachen Tischlerarbeit zur Einrichtung beigesteuert hatte, war Alex überrascht.
"Kannst du das denn?" fragte sie ungläubig und erhielt prompt die Antwort.: "Na klar... das wird schon gehen." Und mit diesen Worten stürmte Matthias zur Abteilung "Holz".
"Haben Sie Mooreiche?" fragte er den Mitarbeiter des Baumarktes, der irgendwie fast wie Gert aussah.
"Nein, aber Birke." Nun wusste Alex aus den Erzählungen von ihrem Schweigervater, dass Mooreiche äußerst dunkel und ebenso hart war, Birke aber ein helles weiches Holz und beide somit in keiner Weise vergleichbar sein konnten, aber sie schwieg.
"Okay, dann nehme ich einen Festmeter, ich will es selbst Hobeln." Alex traute ihren Ohren nicht. Aber ihr Mann verhandelte schnell mit dem Fachmann und kam kurz darauf mit einem Lieferzettel zurück. "Wird geliefert, ist ja auch besser so..." informierte er sie und stürmte dann weiter die Regalreihen entlang. So entschlossen hatte Alex ihren Mann lange nicht gesehen.
"Mensch, guck mal, Schleifpapier für Parkett, das machen wir auch." Und mit diesen Worten packte er den ganzen Wagen mit den unterschiedlichsten Rollen mit Schleifpapier voll. Beiläufig bemerkte Alex, dass alle Packungen unterschiedliche Körnungen und Anzahl von Papiereinheiten enthielten. Sie stellte sich schon die Schlange hinter sich beim Bezahlen vor; das würde Stunden dauern, alles auszuzählen. Aber als sie ihren Mann darauf aufmerksam machen wollte, hatte er den Wagen schon in Richtung "Gartenbedarf/ Freilandpflanzen" gelenkt
"Komm, wenn das Kind da ist, pflanze ich einen Apfelbaum..." meinte er enthusiastisch. Fast atemlos beeilte sich Alex, mit ihm Schritt zu halten. Ihr wurde trotz der fehlenden Jacke noch wärmer.
"Guck mal, das riecht toll, was?" Matthias hielt ihr eine Pflanze hin, die sie nicht erkannte und an der sie schnüffelte.
"Riecht nach Maiglöckchen, oder?" entgegnete sie.
"Lavendel."
"Komisch,", dachte Alex, den hätte sie doch erkannt, aber die Pflanze sah so anders aus als sonst.
"Und das hier?" Wieder hatte sie eine Pflanze vor der Nase, und wieder roch sie nach Maiglöckchen und entpuppte sich als Thymian. Und so ging es weiter. Matthias war berauscht von Gerüchen, und alle rochen für Alex gleich - eben nach Maiglöckchen – doch die waren nie dabei.
„Mensch, ein Teich!“ strahlte ihr Mann kurz darauf, und tatsächlich, in einer benachbarten Abteilung zu den Freilandpflanzen gab es einen Teich, in dem Karpfen herumschwammen. Alex hatte es schon als Kind geliebt, ihnen zu zuschauen, wie sie ab und zu an der Oberfläche Luft schnappten, wie sie dachte. Irgendwie fand sie zwar, dass die recht geordnet hintereinander her schwammen, aber auch das kannte sie ja aus ihrer Kindheit. So ganz durcheinander ohne System war es nie gewesen, meist schienen sie sternförmig zusammenzukommen. Aber so wie hier?
Matthias war weitergegangen und schaute nun intensiv ins Wasser. „Ist ja irre“, murmelte er vor sich hin. Alex gesellte sich zu ihm und schaute nun ihrerseits ins Wasser.
„Unglaublich...“ murmelte nun auch sie. Im Wasser sah sie eine Unzahl von Kaulquappen, die in einem Kreis herum zuschwimmen schienen, und immer mehr kamen dazu, so dass sich bald ein dicker Ring aus Froschvorstufen gebildet hatte. Alex versuchte krampfhaft, sich daran zu erinnern, woran diese sie erinnerten, aber sie fand die Lösung nicht.
Nach einer Weile des Schauens schüttelte Matthias den Kopf.
„Blöde Kreiseldeppen, die kommen ja nie an ihr Ziel...“ wertete er ab. Und plötzlich hatte er einen Frack an, und einen Schnurrbart wie ein Zirkusdirektor und eine Zylinder auf. In der Hand hielt er eine Peitsche, mit der er knallte, und die Kaulquappen schwammen nun in einer schönen gleichmäßigen Acht, wobei sie jedes Mal die Richtung änderten, wenn Matthias das Signal mit einem Knall gab.
„Mann, müssen die so einen Lärm machen,“ beschwerte sich Matthias und meinte das Geräusch, dass durch das Abladen von Gerüstteilen am Haus gegenüber entstand. „Die knallen die Dinger ja nur so hin..“
Alex öffnete ihre Augen und schaute direkt in Phoebes Augen; kein Wunder, dass ihr so warm gewesen war...
Alex 74
Schlafen konnte sie nun ohnehin nicht, also ging Alex ohne rechtes Ziel ihrer Tätigkeit ins Bad, wo der Parsi sie mit diesem frustrierenden grünen Lämpchen anlächelte. „Warum mache ich dich eigentlich jeden Morgen auf, ich weiß ja eh, was du sagst…“ dachte sie entnervt. Sollte sie vielleicht eher einen Clearplan kaufen, um noch deutlicher den Hormonhaushalt beobachten zu können? „Nein, nur das nicht, nicht noch mehr Fixierung auf den Kinderwunsch“, mahnte ihr gesunder Menschenverstand. Und der stand eben im ewigen Widerstreit mit ihren Gefühlen.
Ihren Plan, ihrem Mann ihr Hausfrauendasein mit allen Konsequenzen deutlich zu machen, folgend machte sie erst einmal Frühstück. Matthias hatte noch ein wenig Zeit, bis er aufstehen musste. Unruhig deckte sie den Tisch und platzierte die Vase mit den Maiglöckchen mitten auf dem Tisch. Alex überlegte sich zunächst, was sie zum Frühstück machen sollte, um nicht den Geruch der Blumen zu überdecken; Eier waren also auszuschließen, auch Toast war vom Geruch her zu intensiv. Aber etwas Besonderes sollte es schon sein, und kurze Zeit später stand sie am Waffeleisen und fertigte morgendliche Köstlichkeiten. Sie war außerordentlich gut gelaunt, und sie empfand es als Triumph über widerstrebende Materie, wenn sie den klebrigen Teig als perfekte Form aus dem Eisen lösen konnte. Besser konnte ein Tag doch gar nicht anfangen, oder?
Fröhlich pfiff sie vor sich hin, wanderte um Phoebe behende herum und fertigte eine Waffel nach der anderen. Im Vorratsschrank war noch ein Glas Schattenmorellen, so dass heißen Kirschen auf den Waffeln nichts mehr entgegenstand. Sogar das Haltbarkeitsdatum lag noch nach dem heutigen. „Immerhin, eine sooo schlechte Hausfrau bin ich denn dann doch nicht“, dachte Alex befriedigt und goß die Früchte in eine Kasserolle, um sie leicht zu erhitzen.
Schnell war der Teig in der Schüssel weniger geworden, und nun war nur ein kleiner Rest übriggeblieben, den die gute Hausfrau einfach nicht wegspülen wollte. Und da Waffelteig einfach nicht so gut schmeckt wie Rührteig, entschloss Alex sich dazu, in zwei eleganten Schwüngen den Teig zu einer Herzform zu gießen. Leider hatte sie die Kapazitäten der Kelle überschätzt, und so brachte sie zwar den ersten vollen Schwung zustande, für den zweiten fehlte dann aber der Teig. Egal, das Waffeleisen wurde geschlossen und Alex starrte wie gebannt auf die rote Lampe am Eisen, die dann von einer grünen abgelöst würde. „Meine Güte, ist ja wie beim Persona“, dachte sie noch schmunzelnd. Sie hatte eindeutig gute Laune. Und „pling“, mit einem leisen Geräusch schaltete sich das Gerät um… und die behände Bäckerin öffnete das Eisen.
„Oh nein“, entfuhr es ihr, und sie starrte auf die Waffel: Sie hatte die Form eines Fötus, wie Alex sie so oft auf Ultraschallbildern gesehen hatte! „Und wie bekomme ich die jetzt raus?“ Alex war ratlos, normalerweise nahm sie eine Gabel, stach in die Waffel und rollte sie vorsichtig vom Rande her auf, aber das ging ja nun wirklich nicht. Sie konnte doch nicht in ein Kind hineinstechen, wie klein es auch sein mochte. Aber verbrutzeln lassen konnte sie es ebenso wenig. Leichte Panik kam bei ihr auf, sie musste schnell handeln. Also nahm sie einen Teigschaber und löste die kindliche Form langsam und vorsichtig vom Rande her ab, krampfhaft bemüht, die Waffel nicht einreißen zu lassen. Vorsichtig platzierte sie sie auf einem Küchentuch, so dass sie ganz glatt lag; auf die anderen Waffeln hatte sie sie nicht legen wollen.
Die Frage, die sich nun stellte, war klar: Was sollte sie mit dieser Waffel tun, die sie so sehr an ein Kind erinnerte? Aufessen? Trocknen lassen? Oder gar wegwerfen??? Nichts davon kam für sie infrage. Nur: Aufheben war ja ebenso albern. Alex war sich ihrer merkwürdigen Situation sehr wohl bewusst, aber da war er wieder, der Streit zwischen Kopf und Herz. Während der Kopf sagte: „Es ist nur einen missratene Waffel, die solltest du essen“, sagte der Bauch “Du kannst doch nicht zur Kindsmörderin werden!“ Alex musste sich erst einmal setzen, und als Matthias ganz frohgemut in die Küche kam und den Duft der Waffeln einsog, sah er seine Frau auf dem Küchenstuhl niedergelassen- und sie starrte in Richtung Waffeleisen.
„Hmmm… das duftet ja, Mensch, und auch noch mit heißen Kirschen“, sagte Matthias mit einem Blick in die Kasserolle, in der eine rötliche Masse blubberte. Alex schaute auf. „Hat es draußen auch geduftet?“ fragte sie so beiläufig wie möglich, aber wie ein Flitzebogen gespannt.
„Ja, nach Waffeln…“ war die Antwort.
„Sonst nichts?“
„Doch, Kaffee. Aber was soll das?“ Er war irritiert. Alex stand auf, ging ins Wohnzimmer zum Esstisch und schnappte sich mit einer entschiedenen Bewegung die Vase.
„Hier, riech mal…“ forderte sie ihren Mann in einem Ton auf, der keinen Widerspruch duldete.
„Märzenbecher, und?“
„Maiglöckchen, und?“ entgegnete sie gereizt.
„Ich riech nichts…“ sagte Matthias und biß beherzt und gutgläubig in eine mißratene Waffel, die auf Küchenkrepp lag.
Schlafen konnte sie nun ohnehin nicht, also ging Alex ohne rechtes Ziel ihrer Tätigkeit ins Bad, wo der Parsi sie mit diesem frustrierenden grünen Lämpchen anlächelte. „Warum mache ich dich eigentlich jeden Morgen auf, ich weiß ja eh, was du sagst…“ dachte sie entnervt. Sollte sie vielleicht eher einen Clearplan kaufen, um noch deutlicher den Hormonhaushalt beobachten zu können? „Nein, nur das nicht, nicht noch mehr Fixierung auf den Kinderwunsch“, mahnte ihr gesunder Menschenverstand. Und der stand eben im ewigen Widerstreit mit ihren Gefühlen.
Ihren Plan, ihrem Mann ihr Hausfrauendasein mit allen Konsequenzen deutlich zu machen, folgend machte sie erst einmal Frühstück. Matthias hatte noch ein wenig Zeit, bis er aufstehen musste. Unruhig deckte sie den Tisch und platzierte die Vase mit den Maiglöckchen mitten auf dem Tisch. Alex überlegte sich zunächst, was sie zum Frühstück machen sollte, um nicht den Geruch der Blumen zu überdecken; Eier waren also auszuschließen, auch Toast war vom Geruch her zu intensiv. Aber etwas Besonderes sollte es schon sein, und kurze Zeit später stand sie am Waffeleisen und fertigte morgendliche Köstlichkeiten. Sie war außerordentlich gut gelaunt, und sie empfand es als Triumph über widerstrebende Materie, wenn sie den klebrigen Teig als perfekte Form aus dem Eisen lösen konnte. Besser konnte ein Tag doch gar nicht anfangen, oder?
Fröhlich pfiff sie vor sich hin, wanderte um Phoebe behende herum und fertigte eine Waffel nach der anderen. Im Vorratsschrank war noch ein Glas Schattenmorellen, so dass heißen Kirschen auf den Waffeln nichts mehr entgegenstand. Sogar das Haltbarkeitsdatum lag noch nach dem heutigen. „Immerhin, eine sooo schlechte Hausfrau bin ich denn dann doch nicht“, dachte Alex befriedigt und goß die Früchte in eine Kasserolle, um sie leicht zu erhitzen.
Schnell war der Teig in der Schüssel weniger geworden, und nun war nur ein kleiner Rest übriggeblieben, den die gute Hausfrau einfach nicht wegspülen wollte. Und da Waffelteig einfach nicht so gut schmeckt wie Rührteig, entschloss Alex sich dazu, in zwei eleganten Schwüngen den Teig zu einer Herzform zu gießen. Leider hatte sie die Kapazitäten der Kelle überschätzt, und so brachte sie zwar den ersten vollen Schwung zustande, für den zweiten fehlte dann aber der Teig. Egal, das Waffeleisen wurde geschlossen und Alex starrte wie gebannt auf die rote Lampe am Eisen, die dann von einer grünen abgelöst würde. „Meine Güte, ist ja wie beim Persona“, dachte sie noch schmunzelnd. Sie hatte eindeutig gute Laune. Und „pling“, mit einem leisen Geräusch schaltete sich das Gerät um… und die behände Bäckerin öffnete das Eisen.
„Oh nein“, entfuhr es ihr, und sie starrte auf die Waffel: Sie hatte die Form eines Fötus, wie Alex sie so oft auf Ultraschallbildern gesehen hatte! „Und wie bekomme ich die jetzt raus?“ Alex war ratlos, normalerweise nahm sie eine Gabel, stach in die Waffel und rollte sie vorsichtig vom Rande her auf, aber das ging ja nun wirklich nicht. Sie konnte doch nicht in ein Kind hineinstechen, wie klein es auch sein mochte. Aber verbrutzeln lassen konnte sie es ebenso wenig. Leichte Panik kam bei ihr auf, sie musste schnell handeln. Also nahm sie einen Teigschaber und löste die kindliche Form langsam und vorsichtig vom Rande her ab, krampfhaft bemüht, die Waffel nicht einreißen zu lassen. Vorsichtig platzierte sie sie auf einem Küchentuch, so dass sie ganz glatt lag; auf die anderen Waffeln hatte sie sie nicht legen wollen.
Die Frage, die sich nun stellte, war klar: Was sollte sie mit dieser Waffel tun, die sie so sehr an ein Kind erinnerte? Aufessen? Trocknen lassen? Oder gar wegwerfen??? Nichts davon kam für sie infrage. Nur: Aufheben war ja ebenso albern. Alex war sich ihrer merkwürdigen Situation sehr wohl bewusst, aber da war er wieder, der Streit zwischen Kopf und Herz. Während der Kopf sagte: „Es ist nur einen missratene Waffel, die solltest du essen“, sagte der Bauch “Du kannst doch nicht zur Kindsmörderin werden!“ Alex musste sich erst einmal setzen, und als Matthias ganz frohgemut in die Küche kam und den Duft der Waffeln einsog, sah er seine Frau auf dem Küchenstuhl niedergelassen- und sie starrte in Richtung Waffeleisen.
„Hmmm… das duftet ja, Mensch, und auch noch mit heißen Kirschen“, sagte Matthias mit einem Blick in die Kasserolle, in der eine rötliche Masse blubberte. Alex schaute auf. „Hat es draußen auch geduftet?“ fragte sie so beiläufig wie möglich, aber wie ein Flitzebogen gespannt.
„Ja, nach Waffeln…“ war die Antwort.
„Sonst nichts?“
„Doch, Kaffee. Aber was soll das?“ Er war irritiert. Alex stand auf, ging ins Wohnzimmer zum Esstisch und schnappte sich mit einer entschiedenen Bewegung die Vase.
„Hier, riech mal…“ forderte sie ihren Mann in einem Ton auf, der keinen Widerspruch duldete.
„Märzenbecher, und?“
„Maiglöckchen, und?“ entgegnete sie gereizt.
„Ich riech nichts…“ sagte Matthias und biß beherzt und gutgläubig in eine mißratene Waffel, die auf Küchenkrepp lag.
Alex 75
Alex kommentierte diesen Kindermord nur noch mit einem Blick. Für sie war in diesem Augenblick eines klar geworden: Das böse Omen hatte sich erfüllt, es würde sich auf natürlichem Wege keine Schwangerschaft einstellen. Dessen war sie sich gewiß.
„Komm, wir frühstücken erst einmal“, sagte sie ruhig zu Matthias und nahm die Waffeln und die heißen Kirschen mit zum Esstisch. Sie hatte eigentlich zwar gar keinen Hunger mehr, aber das war nun Nebensache. Sie wusste, dass sich an ihrem Leben und in Hinblick auf den Kinderwunsch solange nichts Entscheidendes ändern würde, wenn sie nicht die Initiative ergriff. Und so schwer ihr das auch fiel, wenn sie nun nicht aktiv werden würde, würde sie beides verlieren, den Kampf um ein Kind – und ihre Ehe. Denn wenn sie beide nicht über so wichtige Dinge sprechen konnten, was hielt sie dann zusammen?
Nur leider sind Männer noch heute, auch wenn sie keine Mammuts mehr jagen müssen, mit erstaunlichem Instinkt ausgestattete Wesen. Und wie so viele seiner Gattung gehörte auch Matthias zu denjenigen, die sofort merkten, wenn ihre Frau es ernst meinte. Jede Frau kennt diese Situationen, in denen die geliebten männlichen Wesen neue zuvor unentdeckte Sensibilität an den Tag legen, wenn ihre Welt ins Wanken gebracht werden sollte- und zwar häufig durch ihre Partnerinnen.
Als Alex also am Tisch saß und ihrem Mann den Kaffee eingeschenkt hatte, nahm sie den Artikel über die Koinzidenz von Maiglöckchenduft und Spermienqualität von der Ablage und faltete ihn langsam auseinander.
„Hier, lies das mal…“, bat sie ihren Mann. Doch der winkte ab.
„Nicht jetzt, ich habe nicht mehr viel Zeit,“ und biß in eine Waffel, die er zuvor mit den heißen Kirschen belegt hatte. Sein Verhalten wurde hektisch, und mit einem gehetztem Blick auf seine Uhr stöhnte er kurz: „Oh Gott, schon so spät!“ stand auf, wischte sich das Kirschrot aus dem Mundwinkel, murmelte etwas von einem vorgezogenen Termin und ließ seine Frau mit dem DIN A 4 Blatt in der Hand sitzen. Mit den Worten „Wir sprechen heute Abend, Schatzi!“ rauschte er zur Tür, wobei er den Mantel so heftig vom Haken riss, dass der Aufhänger als Klügerer nachgab.
Alex wollte ihn noch aufhalten, aber sie war so perplex über die Geschehnisse, dass sie ihm nur noch durch die geschlossene Tür hinterherrufen konnte: „Aber der Artikel!?“ Nun saß sie da, alleine vor dem schönen Frühstück. Und mit der vagen Zusage ihres Mannes, sich am Abend über ernste Dinge zu unterhalten.
Eine Freundin tat Not, und da Bea aufgrund ihrer fragwürdigen geistigen Verfassung als solche bis auf weiteres ausschied, rief sie Hannah an.
„Hallo Hannah, ich bin’s. Hast du Lust auf ein Frühstück? Es ist schon fertig – und ich brauche dich…“ Kurz informierte sie ihre Freundin über Matthias schnellen Abgang, erzählte aber noch nichts über den tieferen Auslöser seiner Panik, und wenige Minuten später war Hannah unterwegs.
Alex fiel erneut auf, dass Hannah es immer möglich machte, Zeit für sie zu haben, egal, wann sie anrief, während sie sich mit Bea immer erst verabreden musste. Komisch, das hatte sie früher gar nicht bemerkt. Aber Hannah war eben immer die Ruhige von den Dreien gewesen, der Fels in der Brandung.
Kurze Zeit später lagen sich die Freundinnen innig im freundschaftlichen Arm. Wahre Freundschaft gab es eben nur unter Frauen, jedem Vorurteil zum Trotz.
„Boah, super Frühstück, wie nett von Matthias, mir das alles zu hinterlassen“, sagte Hannah scherzhaft. „Also, dann erzähl mal, es wird ja nicht die Tatsache gewesen sein, dass er die Waffeln stehen ließ, die dich so aufgeregt bei mir anrufen ließ. Hmm… herrlich….“ Und Alex erzählte: von Gerts Verdacht, den Maiglöckchen, dem Kindesmord in der Frühe und dem schnellen Abgang von Matthias, als er merkte, dass es brenzlig wurde. Hannah kommentierte alles mit den notwendigen Einwürfen, um das Frauengespräch am Laufen zu halten. „Nee, `ne?“ oder „Echt, das wusste ich gar nicht…“ und „Na, das ist ja typisch.“ Wer sagt denn, dass es bei Frauen vieler Worte bedarf? Hier bewahrheitete sich einmal mehr, dass auch hierin ein Vorurteil liegt, Hannah kam mit ganz wenigen Antworten aus.
„Ist ja krass“, war ihre Abschlussbewertung. „Ganz schön schlau, deine Männer.“ Damit lachte sie verschmitzt. „Und nun, wie geht es weiter?“
„Ich werde definitiv heute Abend mit Matthias über ein Spermiogramm sprechen. Anders geht es ja gar nicht. Nun stell dir vor, ich tue und mache alles, lasse mir den Bauch für eine Bauchspiegelung aufritzen, und Matthias macht nichts, weil es ja auch viel einfacher ist, die Frau machen zu lassen. Und dabei hatte ich gedacht, er wäre so weit.“
Hannah prustete laut los. „Wo lebst du denn? Glaubst du ernsthaft, ein Mann wie Matthias würde ohne Druck an seiner Männlichkeit zweifeln lassen? Also ich würde ihm erst mal diesen Artikel hinlegen, und vielleicht würde ich erst einmal auch gar nicht mit ihm reden, je nach meiner Verfassung und Gekränktheit. Und so eine Bauchspiegelung soll ja auch nicht so schlimm sein… nein, ich mache Scherze. Aber nun stell dir vor, ein super aussehender Oberarzt mit seinem weißen Kittel, der die leckere Patientin auf dem OP-Tisch sieht, alles knusprig und so schön steril, sie also in Narkose…er schickt die anderen kurz zum Kaffeetrinken, die Narkose wird etwas verlängert – und schwups ist sie schwanger. Und der Männe weiß gar nichts vom schlechten Spermiogramm und ist sich seiner Männlichkeit immer noch sicher. Hmmm… nur eine 2. Bauchspiegelung für ein zweites Kind…?“ Hannah lachte sich halb tot, und während Alex erst einmal leicht eingeschnappt, dass sie so wenig ernst genommen wurde, einwarf „Super Idee“ mit dem absolut ironischsten Unterton, den sie hervorbringen konnte, stimmte auch sie ein und spann die Geschichte weiter. „Nja, es soll ja auch verpfuschte Bauchspiegelungen geben, und dann sag ich Matthias einfach, die hätten die Seiten verwechselt und mein neuer Arzt hätte gesagt, die Bilder seien sehr schlecht, es müsse also noch einmal sein… Sag mal, gibt es denn Internetseiten von Frauenärzten mit Bild?“ Und so wurde es denn doch noch ein fröhliches Frühstück…
Alex kommentierte diesen Kindermord nur noch mit einem Blick. Für sie war in diesem Augenblick eines klar geworden: Das böse Omen hatte sich erfüllt, es würde sich auf natürlichem Wege keine Schwangerschaft einstellen. Dessen war sie sich gewiß.
„Komm, wir frühstücken erst einmal“, sagte sie ruhig zu Matthias und nahm die Waffeln und die heißen Kirschen mit zum Esstisch. Sie hatte eigentlich zwar gar keinen Hunger mehr, aber das war nun Nebensache. Sie wusste, dass sich an ihrem Leben und in Hinblick auf den Kinderwunsch solange nichts Entscheidendes ändern würde, wenn sie nicht die Initiative ergriff. Und so schwer ihr das auch fiel, wenn sie nun nicht aktiv werden würde, würde sie beides verlieren, den Kampf um ein Kind – und ihre Ehe. Denn wenn sie beide nicht über so wichtige Dinge sprechen konnten, was hielt sie dann zusammen?
Nur leider sind Männer noch heute, auch wenn sie keine Mammuts mehr jagen müssen, mit erstaunlichem Instinkt ausgestattete Wesen. Und wie so viele seiner Gattung gehörte auch Matthias zu denjenigen, die sofort merkten, wenn ihre Frau es ernst meinte. Jede Frau kennt diese Situationen, in denen die geliebten männlichen Wesen neue zuvor unentdeckte Sensibilität an den Tag legen, wenn ihre Welt ins Wanken gebracht werden sollte- und zwar häufig durch ihre Partnerinnen.
Als Alex also am Tisch saß und ihrem Mann den Kaffee eingeschenkt hatte, nahm sie den Artikel über die Koinzidenz von Maiglöckchenduft und Spermienqualität von der Ablage und faltete ihn langsam auseinander.
„Hier, lies das mal…“, bat sie ihren Mann. Doch der winkte ab.
„Nicht jetzt, ich habe nicht mehr viel Zeit,“ und biß in eine Waffel, die er zuvor mit den heißen Kirschen belegt hatte. Sein Verhalten wurde hektisch, und mit einem gehetztem Blick auf seine Uhr stöhnte er kurz: „Oh Gott, schon so spät!“ stand auf, wischte sich das Kirschrot aus dem Mundwinkel, murmelte etwas von einem vorgezogenen Termin und ließ seine Frau mit dem DIN A 4 Blatt in der Hand sitzen. Mit den Worten „Wir sprechen heute Abend, Schatzi!“ rauschte er zur Tür, wobei er den Mantel so heftig vom Haken riss, dass der Aufhänger als Klügerer nachgab.
Alex wollte ihn noch aufhalten, aber sie war so perplex über die Geschehnisse, dass sie ihm nur noch durch die geschlossene Tür hinterherrufen konnte: „Aber der Artikel!?“ Nun saß sie da, alleine vor dem schönen Frühstück. Und mit der vagen Zusage ihres Mannes, sich am Abend über ernste Dinge zu unterhalten.
Eine Freundin tat Not, und da Bea aufgrund ihrer fragwürdigen geistigen Verfassung als solche bis auf weiteres ausschied, rief sie Hannah an.
„Hallo Hannah, ich bin’s. Hast du Lust auf ein Frühstück? Es ist schon fertig – und ich brauche dich…“ Kurz informierte sie ihre Freundin über Matthias schnellen Abgang, erzählte aber noch nichts über den tieferen Auslöser seiner Panik, und wenige Minuten später war Hannah unterwegs.
Alex fiel erneut auf, dass Hannah es immer möglich machte, Zeit für sie zu haben, egal, wann sie anrief, während sie sich mit Bea immer erst verabreden musste. Komisch, das hatte sie früher gar nicht bemerkt. Aber Hannah war eben immer die Ruhige von den Dreien gewesen, der Fels in der Brandung.
Kurze Zeit später lagen sich die Freundinnen innig im freundschaftlichen Arm. Wahre Freundschaft gab es eben nur unter Frauen, jedem Vorurteil zum Trotz.
„Boah, super Frühstück, wie nett von Matthias, mir das alles zu hinterlassen“, sagte Hannah scherzhaft. „Also, dann erzähl mal, es wird ja nicht die Tatsache gewesen sein, dass er die Waffeln stehen ließ, die dich so aufgeregt bei mir anrufen ließ. Hmm… herrlich….“ Und Alex erzählte: von Gerts Verdacht, den Maiglöckchen, dem Kindesmord in der Frühe und dem schnellen Abgang von Matthias, als er merkte, dass es brenzlig wurde. Hannah kommentierte alles mit den notwendigen Einwürfen, um das Frauengespräch am Laufen zu halten. „Nee, `ne?“ oder „Echt, das wusste ich gar nicht…“ und „Na, das ist ja typisch.“ Wer sagt denn, dass es bei Frauen vieler Worte bedarf? Hier bewahrheitete sich einmal mehr, dass auch hierin ein Vorurteil liegt, Hannah kam mit ganz wenigen Antworten aus.
„Ist ja krass“, war ihre Abschlussbewertung. „Ganz schön schlau, deine Männer.“ Damit lachte sie verschmitzt. „Und nun, wie geht es weiter?“
„Ich werde definitiv heute Abend mit Matthias über ein Spermiogramm sprechen. Anders geht es ja gar nicht. Nun stell dir vor, ich tue und mache alles, lasse mir den Bauch für eine Bauchspiegelung aufritzen, und Matthias macht nichts, weil es ja auch viel einfacher ist, die Frau machen zu lassen. Und dabei hatte ich gedacht, er wäre so weit.“
Hannah prustete laut los. „Wo lebst du denn? Glaubst du ernsthaft, ein Mann wie Matthias würde ohne Druck an seiner Männlichkeit zweifeln lassen? Also ich würde ihm erst mal diesen Artikel hinlegen, und vielleicht würde ich erst einmal auch gar nicht mit ihm reden, je nach meiner Verfassung und Gekränktheit. Und so eine Bauchspiegelung soll ja auch nicht so schlimm sein… nein, ich mache Scherze. Aber nun stell dir vor, ein super aussehender Oberarzt mit seinem weißen Kittel, der die leckere Patientin auf dem OP-Tisch sieht, alles knusprig und so schön steril, sie also in Narkose…er schickt die anderen kurz zum Kaffeetrinken, die Narkose wird etwas verlängert – und schwups ist sie schwanger. Und der Männe weiß gar nichts vom schlechten Spermiogramm und ist sich seiner Männlichkeit immer noch sicher. Hmmm… nur eine 2. Bauchspiegelung für ein zweites Kind…?“ Hannah lachte sich halb tot, und während Alex erst einmal leicht eingeschnappt, dass sie so wenig ernst genommen wurde, einwarf „Super Idee“ mit dem absolut ironischsten Unterton, den sie hervorbringen konnte, stimmte auch sie ein und spann die Geschichte weiter. „Nja, es soll ja auch verpfuschte Bauchspiegelungen geben, und dann sag ich Matthias einfach, die hätten die Seiten verwechselt und mein neuer Arzt hätte gesagt, die Bilder seien sehr schlecht, es müsse also noch einmal sein… Sag mal, gibt es denn Internetseiten von Frauenärzten mit Bild?“ Und so wurde es denn doch noch ein fröhliches Frühstück…
Alex 76
Entgegen der Überzeugung seiner Frau war Matthias nun aber nicht so ahnungslos von Instinkten geleitet, wie er den Eindruck erweckte. Zwar hatte der Anblick der Blumen auf dem Tisch keinen Verdacht aufkommen lassen, dass es sich um einen Test handelte, und er hatte die Blumen auch nicht als Maiglöckchen identifiziert – wie sollte er auch, für deren Blüte war es ja auch viel zu früh. Aber als Alex dann das Stichwort sagte, regte sich eine Erinnerung ganz hinten in seinem Gedächtnis. Allerdings konnte er sie nicht einordnen. Erst als seine Frau den Artikel hervorzog, wurde ihm schlagartig klar, dass er in seiner Recherche zur Spermienqualität etwas gesehen hatte, das mit Maiglöckchen zu tun hatte. Und da der Gesichtsausdruck von seiner Gattin höchste Anspannung verriet, zog er die schnelle Konsequenz: Er brauchte einen Wissensvorsprung.
Und so stürmte er nach unkonzentrierter Autofahrt ins Büro, begrüßte nur kurz seine Mitarbeiterin und informierte sie bestimmt: „Ich möchte die nächsten zwei Stunden nicht gestört werden.“ Mit diesen Worten verschwand er in seinem Zimmer.
Der Suchlauf im PC ergab zahlreiche Treffer zu „Maiglöckchen“ und „Spermien“. Matthias las sich durch wissenschaftliche Untersuchungen zur Kinderwunschbehandlung und zu den Möglichkeiten einer hormonfreien Verhütung, die aus der Fähigkeit der Spermien, den Duft der Blume der reinen Liebe wahrzunehmen, erwuchs.
„Und warum war Alex dann so aufgeregt?“ Matthias ahnte, dass er weitere Informationen brauchte und suchte weiter. Und schließlich blieb er bei einem Artikel hängen, in dem geargwöhnt wurde, dass die Spermien von Männern, die den Duft der Pflanze nicht riechen konnten, langsam und ziellos seien. Und dass sie daher kaum eine Chance hatten, eine Eizelle zu befruchten.
Matthias war wie vor den Kopf geschlagen. Konnte es sein, dass er den Duft neben den Waffeln nicht zuordnen konnte? Oder hatte er eine Erkältung? Oder…. Vermutlich kannte er den Duft einfach nicht, Alex konnte ihm ja wohl kaum etwas abverlangen, was er nicht zuordnen konnte.
„Genau, das ist es. Ich wusste ja nicht, was ich riechen sollte.“ Erleichtert lehnte er sich in seinem Bürostuhl zurück. Er schaute aus dem Fenster, legte seine Beine auf den geöffneten Rollcontainer und sog die Büroluft tief ein. Hier roch es ja auch wie immer, leicht nach Papier, sonst nichts. „Dass Frauen immer so übertrieben reagieren müssen. Für alles gab es doch eine logische Erklärung, und wenn Alex vernünftig mit mir gesprochen hätte…“, – an dieser Stelle verdrängte er kurz und brutal die Tatsache, dass er ja überstürzt das gemeinsame Heim verlassen hatte – „…dann hätten wir das sofort klären können“, sinnierte Matthias vor sich hin und betrachtete nun gut gelaunt den blauen Himmel.
„Und jetzt eine schöne Tasse Kaffee“, dachte er aufgeräumt und stand auf. Als er seine Bürotür geöffnet hatte, schaute seine Schreibkraft kurz auf:
„Kann ich Ihnen helfen?“ sagte sie hilfsbereit. Sie kannte ihren Chef, und wenn er so stürmisch ins Büro kam wie heute Morgen, dann musste man ihn solange in Ruhe lassen, bis die Tür von alleine aufging. Und dann wollte er meist einen Kaffee.
„Soll ich Ihnen einen Kaffee holen?“ fragte sie folgerichtig. Aber Matthias war sehr gut gelaunt und antwortete nur: „Nein, nein, das mache ich schon selber, danke. Möchten Sie auch einen? Übrigens: Die Bluse steht Ihnen ausgezeichnet.“ Und mit diesen Worten schritt er den Korridor entlang zur Kaffeemaschine.
Wie so oft traf er hier Ralph, den passionierten Kaffeetrinker. „Hallo Ralph, na, auch einen Dope?“ grinste Matthias. Der Tag war schön geworden, fand er. „Wollen wir uns kurz über das Projekt „Cross Mentoring“ unterhalten, die Firmenspitze sucht noch freiwillige Opfer…“ Matthias lächelte großherzig, er fand die Idee, im Rahmen des Gender Mainstreen jungen aufstrebenden Frauen aus Sicht der Männer die Strukturen näher zu bringen, irgendwie albern, aber nun gut, so war es vorgegeben.
„Klar, ich habe gerade Zeit, oder besser, ich stocke eh’ in meiner Bilanz, also wollen wir gleich…?“ gemeinsam gingen sie also traut und mit Kaffeetassen in der Hand in Matthias Büro.
Beim Betreten schnüffelte Ralph: „Hast du ein neues After Shave? Wenn du mich fragst, ich würde es nicht nehmen, es riecht so weiblich… genau… nach Maiglöckchen…“
Matthias erstarrte. „Nein, habe ich nicht, wieso?“ Ihm wurde ganz heiß. Was sollte das bedeuten? Steckte Ralph mit Alex unter einer Decke?
Ralph schnüffelte sich durch den Raum und blieb am Mantel stehen. „Riech mal, hier muss es sein. Hat Alex Parfüm darüber gekippt? Muss aber gewesen sein, um dich zu ärgern, stinkt ja wie ein ganzer Damenpuff.“ Ralph amüsierte sich köstlich.
Matthias ging um den Schreibtisch herum, an dem er sich gerade niederlassen wollte, und untersuchte seine Manteltaschen. Und tatsächlich, in einer seiner zahlreichen Innentaschen fand sich ein kleines Bündel Maiglöckchenblüten, die Alex dort versteckt hatte.
Entgegen der Überzeugung seiner Frau war Matthias nun aber nicht so ahnungslos von Instinkten geleitet, wie er den Eindruck erweckte. Zwar hatte der Anblick der Blumen auf dem Tisch keinen Verdacht aufkommen lassen, dass es sich um einen Test handelte, und er hatte die Blumen auch nicht als Maiglöckchen identifiziert – wie sollte er auch, für deren Blüte war es ja auch viel zu früh. Aber als Alex dann das Stichwort sagte, regte sich eine Erinnerung ganz hinten in seinem Gedächtnis. Allerdings konnte er sie nicht einordnen. Erst als seine Frau den Artikel hervorzog, wurde ihm schlagartig klar, dass er in seiner Recherche zur Spermienqualität etwas gesehen hatte, das mit Maiglöckchen zu tun hatte. Und da der Gesichtsausdruck von seiner Gattin höchste Anspannung verriet, zog er die schnelle Konsequenz: Er brauchte einen Wissensvorsprung.
Und so stürmte er nach unkonzentrierter Autofahrt ins Büro, begrüßte nur kurz seine Mitarbeiterin und informierte sie bestimmt: „Ich möchte die nächsten zwei Stunden nicht gestört werden.“ Mit diesen Worten verschwand er in seinem Zimmer.
Der Suchlauf im PC ergab zahlreiche Treffer zu „Maiglöckchen“ und „Spermien“. Matthias las sich durch wissenschaftliche Untersuchungen zur Kinderwunschbehandlung und zu den Möglichkeiten einer hormonfreien Verhütung, die aus der Fähigkeit der Spermien, den Duft der Blume der reinen Liebe wahrzunehmen, erwuchs.
„Und warum war Alex dann so aufgeregt?“ Matthias ahnte, dass er weitere Informationen brauchte und suchte weiter. Und schließlich blieb er bei einem Artikel hängen, in dem geargwöhnt wurde, dass die Spermien von Männern, die den Duft der Pflanze nicht riechen konnten, langsam und ziellos seien. Und dass sie daher kaum eine Chance hatten, eine Eizelle zu befruchten.
Matthias war wie vor den Kopf geschlagen. Konnte es sein, dass er den Duft neben den Waffeln nicht zuordnen konnte? Oder hatte er eine Erkältung? Oder…. Vermutlich kannte er den Duft einfach nicht, Alex konnte ihm ja wohl kaum etwas abverlangen, was er nicht zuordnen konnte.
„Genau, das ist es. Ich wusste ja nicht, was ich riechen sollte.“ Erleichtert lehnte er sich in seinem Bürostuhl zurück. Er schaute aus dem Fenster, legte seine Beine auf den geöffneten Rollcontainer und sog die Büroluft tief ein. Hier roch es ja auch wie immer, leicht nach Papier, sonst nichts. „Dass Frauen immer so übertrieben reagieren müssen. Für alles gab es doch eine logische Erklärung, und wenn Alex vernünftig mit mir gesprochen hätte…“, – an dieser Stelle verdrängte er kurz und brutal die Tatsache, dass er ja überstürzt das gemeinsame Heim verlassen hatte – „…dann hätten wir das sofort klären können“, sinnierte Matthias vor sich hin und betrachtete nun gut gelaunt den blauen Himmel.
„Und jetzt eine schöne Tasse Kaffee“, dachte er aufgeräumt und stand auf. Als er seine Bürotür geöffnet hatte, schaute seine Schreibkraft kurz auf:
„Kann ich Ihnen helfen?“ sagte sie hilfsbereit. Sie kannte ihren Chef, und wenn er so stürmisch ins Büro kam wie heute Morgen, dann musste man ihn solange in Ruhe lassen, bis die Tür von alleine aufging. Und dann wollte er meist einen Kaffee.
„Soll ich Ihnen einen Kaffee holen?“ fragte sie folgerichtig. Aber Matthias war sehr gut gelaunt und antwortete nur: „Nein, nein, das mache ich schon selber, danke. Möchten Sie auch einen? Übrigens: Die Bluse steht Ihnen ausgezeichnet.“ Und mit diesen Worten schritt er den Korridor entlang zur Kaffeemaschine.
Wie so oft traf er hier Ralph, den passionierten Kaffeetrinker. „Hallo Ralph, na, auch einen Dope?“ grinste Matthias. Der Tag war schön geworden, fand er. „Wollen wir uns kurz über das Projekt „Cross Mentoring“ unterhalten, die Firmenspitze sucht noch freiwillige Opfer…“ Matthias lächelte großherzig, er fand die Idee, im Rahmen des Gender Mainstreen jungen aufstrebenden Frauen aus Sicht der Männer die Strukturen näher zu bringen, irgendwie albern, aber nun gut, so war es vorgegeben.
„Klar, ich habe gerade Zeit, oder besser, ich stocke eh’ in meiner Bilanz, also wollen wir gleich…?“ gemeinsam gingen sie also traut und mit Kaffeetassen in der Hand in Matthias Büro.
Beim Betreten schnüffelte Ralph: „Hast du ein neues After Shave? Wenn du mich fragst, ich würde es nicht nehmen, es riecht so weiblich… genau… nach Maiglöckchen…“
Matthias erstarrte. „Nein, habe ich nicht, wieso?“ Ihm wurde ganz heiß. Was sollte das bedeuten? Steckte Ralph mit Alex unter einer Decke?
Ralph schnüffelte sich durch den Raum und blieb am Mantel stehen. „Riech mal, hier muss es sein. Hat Alex Parfüm darüber gekippt? Muss aber gewesen sein, um dich zu ärgern, stinkt ja wie ein ganzer Damenpuff.“ Ralph amüsierte sich köstlich.
Matthias ging um den Schreibtisch herum, an dem er sich gerade niederlassen wollte, und untersuchte seine Manteltaschen. Und tatsächlich, in einer seiner zahlreichen Innentaschen fand sich ein kleines Bündel Maiglöckchenblüten, die Alex dort versteckt hatte.