Das erste Sommerkind - beinahe zu Hause geboren...

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Moderator: Phönix

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mila

Das erste Sommerkind - beinahe zu Hause geboren...

Beitrag von mila »

Das war meine erste Geburt: Es war Mittwoch, der 30. Mai 2007 und der Geburtstermin sollte der 6.6. sein. Ich persönlich wünschte mir den 7., da ich am 6. noch einen Kurs hatte und weil ich auch einfach noch ein bisschen Zeit für mich haben wollte und mich noch nicht ganz bereit fühlte. An jenem Mittwoch eben hatten wir Wasser in das für die Geburt gemietete Gebärbecken eingelassen und guckten bei Kerzenlicht „Polarexpress“ (passend zum Sommer). Von der ganzen Romantik wurde wohl so einiges angeregt, jedenfalls hatte ich die ganze Nacht ein heftiges Ziehen im Bauch.Tom hatte genau dann Kopfschmerzen und war nicht ansprechbar und ich fühlte mich unendlich allein und hatte Panik, es ginge schon los. Ich konnte die ganze Nacht nicht schlafen, doch am Morgen verschwanden die Schmerzen. Das war wie ein Zeichen für mich. Ich wusch dann alle Babysachen und bereitete alles vor und währenddessen begann ich langsam mit dem Gedanken zu spielen, schon früher zu gebären. Ich massierte mir den Bauch mit Zimtöl und trank meine selbst kreierte Teemischung aus scharfem Gewürztee, Himbeerblätter und Eisenkraut.

Am Samstag, dem 2.6., putzte ich die ganze Wohnung, wir füllten den Tiefkühlschrank, ich wusch alle Wäsche, putzte Schuhe (!) und sogar unsere eine Katzen erlebten eine Grundreinigung. Nach Mitternacht war ich bis ca. 2:00h damit beschäftigt, sämtliche Geburtsanzeigen fertig zu basteln und die Adressettiketten auf die Umschläge zu kleben. Schliesslich trugen Tom und ich aus Spass den 3.6.07 auf dem vorbereiteten Einlageblatt im PC als Geburtsdatum ein. Danach konnte ich endlich schlafen.

Wir erwachten gegen 11h und ich hatte einen harten Bauch, jedoch ohne Schmerzen. Ich war vollkommen sicher, dass unser Kind noch am selben Tag zur Welt kommen würde. Ich ging ausgiebig duschen, mit allem Schnickschnack wie Haare entfernen, Maske und Zehennägellackieren. Von der ganzen Anstrengung hatte ich jetzt doch ab und zu ein Ziehen im Bauch. Um 13:00h telefonierte ich mit meiner Mutter und als ich auflegte, spürte ich den Schmerz doch schon in ganz deutlichen Wellen. Ich begann die Zeit zu stoppen, der Abstand war so zwischen 5-10 Min. und die Wehen dauerten ca. 30-40 Sek. Ich freute mich, dass sich etwas tat und überredete Tom, mit dem Hund raus zu gehen. Er war nicht so begeistert von der Idee, aber ich dachte, das bringt alles noch mehr in Gang, denn ich hatte die Vorstellung im Kopf, dass es bei Erstgebärenden locker auch mal 17 Stunden dauern kann und das wollte ich etwas abkürzen. Schliesslich war auch schon Nachmittag und ich wollte doch ein Sonntagskind… Ich dachte sowieso, es würde noch ewig dauern.

Als wir im Wald waren, schmerzte es jeweils schon ziemlich während der Wehen. Ich sagte zu Tom, dass ich zuhause eine Freundin anrufen werde, die schon Kinder hat, und sie fragen, wie sich Wehen so anfühlen. Irgendwie hatte ich Angst, dass alles wieder aufhören würde und Fehlalarm war. Tom meinte, ich sollte lieber endlich mal die Hebamme anrufen. Bald musste ich während der Wehen jeweils stehen bleiben und ein bisschen jammern. Kurz nach 13:30h, die Wehen kamen alle 3-5 min. und dauerten ca. eine Minute und länger, spürte ich ein Knacksen im Bauch und eine Wehe, die mächtig intensiver war als die bisherigen. Ausserdem wurde die Always, die ich sehr vorausschauend in die Unterhose gelegt hatte, langsam nass. Nun war auch ich endlich überzeugt, dass es tatsächlich die beginnende Geburt sein könnte und wir nahmen den kürzesten Weg zurück, wobei ich während der Wehen stehen bleiben und stöhnen musste...

Zu Hause rief ich dann meine Hebamme an und Tom kochte schon mal Wasser (für was braucht man eigentlich das doofe Wasser?!) und liess den Pool ein. Die Hebamme teilte mir dann mit, dass der seltene Zufall doch eingetreten war und sie bereits mit einer Frau beschäftigt sei, im 10min. entfernten Krankenhaus. Wir müssten dort vorbeikommen. Ich war einen kleinen Moment lang enttäuscht, doch dann dachte ich: ich lass mir meine Geburt jetzt nicht vermiesen, wenn es so sein muss, so soll es. Ausserdem glaubte ich, dass wir eh nochmal heim gehn würden, da man ja immer hört, dass die Erstgebärenden noch 2 mal heim müssen bis es richtig los geht... Ich hatte dann ein paar Wehen im Auto, guckte die Passanten an und dachte: ihr habt ja alle keine Ahnung... Im Krankenhaus (14:00h) nahmen wir die Treppe in den 2. Stock, da mir das Gehen besser bekam als das Stehen. Die Hebamme stand schon bereit und meinte, offensichtlich gehe es mir ja noch gut... In dem Moment überrollte mich eine weitere Wehe und danach fand sie, das sehe ziemlich echt aus.

Im Gebärzimmer (das Spital ist sehr schön eingerichtet und unter dem Motto sanfte Geburt und möglichst natürlich) wurde ich ans CTG angeschlossen, dann kontrollierte die Hebamme den Muttermund. Ich hatte wiederum Angst vor einer schlechten Meldung, doch er war bei 6cm offen und die Hebamme meinte grinsend, wir könnten nun wohl doch nicht mehr nach Hause. Ich hatte vor Aufregung nichts als die Handtasche dabei, keine Kleider, Papiere, nix... Kliniktasche hatte ich nie gepackt, weil wir ja nirgendwo hinwollten… Nun überkam mich von einer Sekunde auf die andere der ungeheure Drang, zu pressen. Mein ganzer Körper wollte pressen und ich versuchte, dagegen zu halten, da ich gehört hatte, dass man nicht zu früh darf. Ich bekam dann aber grünes Licht und los gings.

Ich stieg in die Wanne, wo es sofort erträglicher wurde. Der Muttermund war nun vollständig offen. Nach einigen Wehen schlug mir die Hebamme einen Positionswechsel vor, den ich auch ausführte. Nach einigen weiteren Wehen (ich hatte wegen der schnellen Eröffnungsphase dann etwa 3/4h Presswehen), sah sie aber auch selber, dass ich mit meiner gewählten Position besser zurecht kam, und so durfte ich wieder knien und mich am Wannenrand stützen. Tom kniete vor der Wanne. Dann kam noch mein Gynäkologe, der dort Chefarzt ist und Dienst hatte (auch sehr perfekt), und stellte sich diskret in die Ecke, um der Austreibungsphase ganz unaufdringlich beizuwohnen. Ich hing im Becken und presste während den Wehen, in den Pausen legte ich den Kopf auf die Arme und starrte mit leerem Geist die Dreckpartikelchen an, die im Wasser an mir vorbei trieben. Ich genoss die Wehenpausen, die bis am Schluss praktisch schmerzfrei waren. zwischendurch mochte ich sogar noch blöde Sprüche machen, aber immer weniger...

Endlich dachte ich, es gehe gar nicht mehr. Man riet mir, mit dem hysterischen Schreien aufzuhören und stattdessen die Energie unten raus zu pressen. Siehe da, das half, es ging vorwärts. Irgendwo weit hinten erinnerte ich mich, gelesen zu haben, dass dann, wenn die Frauen nicht mehr wollen und wütend und am Ende sind, das Kind gleich kommt. Ich dachte noch: das kann ja nicht schon sein... Ich glaubte nicht, dass noch irgendwas an meinem Unterleib ganz sein könnte, ich war überzeugt, dass alles in Fetzen herunterhängt und sämtliche Beckenknochen gebrochen sind, als die Hebamme verlauten liess: der Kopf ist draussen, komm, weiter, du hast es fast geschafft, mach weiter, gib alles... und ich presste eine Ewigkeit. Ich hörte eine Stimme sagen: guck mal, wer zu dir schwimmt... und fischte um 15:53h mein Baby aus dem Wasser, nach einer dreistündigen Geburt.

Als erstes guckte ich nach dem Geschlecht und beschloss, dass die weibliche Intuition bei mir nicht existiert. Mein gespürter Junge war ein Mädchen. Tom durchtrennte die Nabelschnur, von deren Aussehen er sehr fasziniert war („Irgendwie so Goa-mässig, gell!“). Dann wickelte er die Kleine in ein warmes Tuch. Ich kriegte einen warmen Bademantel und legte mich aufs Bett. Kaum lag ich, kam auch schon die Plazenta und dann fühlte ich mich eigentlich gleich viel besser. Sie fand schnell die Brust und trank, danach schlief sie ein und erwachte nur kurz beim Anziehen und beim Untersuch. Wir wurden schön allein gelassen, um 18:00h bekamen wir Essen und unser Kind wurde vermessen und angezogen. Um 20:00h wurden wir nochmal untersucht und anschliessend durften wir heim. Mit geliehenen Babykleidern, da wir ja nix dabei hatten, und wir fuhren die 10 Minuten nachhause ganz schuldbewusst und sehr langsam mit dem Kind aufm Schoss, da wir auch nicht ans Maxi-Cosy gedacht hatten...

Zu Hause luden wir enge Freunde ein, mit denen wir ein Glas Wein tranken. Unser Kind entschied sich, erstmal ein paar Stunden zu schlafen, zur Erholung. Bis nach Mitternacht sassen wir alle ganz erschlagen von der Neuigkeit und der Geschwindigkeit, mit der unsere Tochter angekommen war, auf dem Balkon und konnten es gar nicht fassen. Wir waren uns einig: an einigen Tagen passiert wesentlich mehr als an anderen!

methi

Re: Das erste Sommerkind - beinahe zu Hause geboren...

Beitrag von methi »

Das ist ein super spannender Geburtsbericht. Ich musste selten so viel lachen wie bei deinem. Einfach genial geschrieben. Ich mag es wirklich, wie du in diese Geburt hinein gegangen bist und es einfach wie am Schnürchen gelaufen ist. Viel Spass mit der Prinzessin.

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Leona
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Re: Das erste Sommerkind - beinahe zu Hause geboren...

Beitrag von Leona »

jööö, mega cool - ächt toll.
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swissalicious
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Re: Das erste Sommerkind - beinahe zu Hause geboren...

Beitrag von swissalicious »

Wow das ist mega schön geschrieben!

Gratuliere euch auch nach fast 4 Jahren noch zur Geburt eurer Tochter und heute ist sie bestimmt ein Wirbelwind und hält euch auf Trab!

:lol:
“Children must be taught how to think, not what to think.”
― Margaret Mead

Without my daughter my house would be clean and my wallet would be full but my heart would be empty.

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Minchen
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Re: Das erste Sommerkind - beinahe zu Hause geboren...

Beitrag von Minchen »

Donnerwetter, mila, da wollte euer Kleine aber ziemlich schnell zu euch kommen :D
Was für ein schöner, spannender und erfüllender GB!
Ich kann mir richtig vorstellen, wie du und dein GG abends dann auf dem Balkon sasset und ihr euer neues Glück noch gar nicht richtig fassen konntet und es erst noch habt verarbeiten müssen.
So schön!!
Habt weiterhin ganz ganz viel Freude mit euem kleinen Spatz!
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aufdererbse
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Re: Das erste Sommerkind - beinahe zu Hause geboren...

Beitrag von aufdererbse »

hihihi

megalässige geburt,
sieht danach aus, du hättest schon ein bisschen spass dran gehabt ;-)

das mit dem glas wein auf dem balkon war sicher eine ganz gute idee, nächstes mal nehm ich die flasche mit und geh mit GG vor die türe vom spital ;-)
oder vielleicht auchh nur ein bier...

love,

prinzessin auf der erbse
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mila

Re: Das erste Sommerkind - beinahe zu Hause geboren...

Beitrag von mila »

Danke für eure Antworten, es freut mich immer, wenn ich jemanden unterhalten kann... Oder sogar ein bisschen Mut machen, dass Geburten auch irgendwie schön sein können, man hört ja auch soviel anderes. Ja, ich bin wirklich zufrieden mit den Erlebnissen und warte gespannt, welche Geschichte unser drittes Kind schreiben wird!

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