Meine älteste Tochter kam am 17. Oktober 2008 in der 22. Schwangerschaftswoche tot zur Welt. Die kleine, süsse Maus war unheilbar krank. Wir haben unendlich viele Monate auf ihre Ankunft gewartet. Als wir dann endlich den positiven Test in den Händen hielten, konnten wir unser Glück kaum fassen. Es ging mir immer sehr sehr gut, hatte kaum Beschwerden und genoss jeden Tag meiner Schwangerschaft. Als ich dann endlich erfahren wollte/sollte, ob es ein Mädchen oder ein Junge wird, war ich erstarrt. Ich schaute auf den Monitor und wusste, da stimmt etwas nicht. Obwohl ich die ersten Male in den Genuss eines Ultraschalls kam, war auch mir schnell bewusst, dass jetzt eine Schock-Nachricht folgen wird. Es kam mir alles in Zeitlupe vor und mein Mann brach neben mir zusammen. Ich musste mich gleichzeitig um ihn, um mich, mein Herz, meine Seele und um die Tatsache kümmern, dass meine kleine Königin vermutlich unheilbar krank ist, und die Schwangerschaft wohl kaum überleben werde. Doch weshalb sieht man das erst in der 20. Woche? Weshalb hat man vorher nie was gemerkt? Weshalb waren alle bisherigen Untersuchungen perfekt? Fragen über Fragen. Die nächsten Tage waren voll gequetscht mit 1000 Untersuchungen und Ärzten ohne Feingefühl. Es war schrecklich. Das private Umfeld war noch viel schlimmer. Heute verstehe ich das jedoch ganz gut. Alle waren überfordert und jede wollte helfen. Aber statt zu helfen, redete jeder auf dich ein. Mein Mann und ich verbrachten Tage und Nächte hellwach, schweigend. Was erwartet uns? Wird unsere Beziehung ein krankes Kind überstehen? Was machen wir? Am Anfang war ich einfach nur wütend auf meine Tochter. Ich weinte, schrie und konnte keiner ihrer Bewegungen mehr geniessen. Es war die Hölle auf Erden. Glücklicherweise kam ich frühzeitig zur Besinnung und habe versucht, die Bindung wieder aufzubauen, die ich vorher hatte. Ich habe mit ihr gesprochen und ihr gesagt, so weh mir das tue, ich sie gehen liesse, wenn sie das möchte, ich ihr unendlich dankbar sei, dass sie so lange gekämpft habe. Ein Spezialist in Basel meinte noch, es grenze an ein Wunder, dass die Kleine das so lange überlebt habe. Ich glaube heute, dass das eine Botschaft an uns war und so bin ich heute unendlich dankbar, dass sie unser Leben bereichert hat. Und eines abends spürte ich ihre Bewegungen nicht mehr, und ich wusste, jetzt war es Zeit, Abschied zu nehmen. 2 Tage später durfte ich sie still gebären. Was für viele eine Horror-Vorstellung ist, war für mich ein Segen. Es war zwar mit seelischen und körperlichen Schmerzen verbunden, aber gleichzeitig auch mit Freude und Stolz, ein so prächtiges Mädchen im Arm halten zu dürfen. Ihre körperlichen Fehlbildungen waren uns sowas von egal, es war einfach nur wunderschön, sie kennen lernen zu dürfen. Danach kam dann der ganze Brocken an Trauerarbeit. Es hat lange gedauert, ehe ich akzeptieren konnte und nicht mehr stundenlang täglich geweint habe. Ich hatte wunderbare Hilfe von meinem Mann, der mich jeden Tag so nahm, wie ich war. Egal ob ich heulte, mich in Arbeit verkroch oder einfach nur wütend war. Wir wissen beide, dass nicht jede Ehe solch einen Schicksalsschlag überlebt. Wir verstehen jedes Paar, dass sich nach so etwas trennt, denn man geht sprichwörtlich durch die Hölle. Aber was ich in dieser Zeit gelernt habe, ist unglaublich. Ich wurde neu geboren und das nur Dank meiner wundervollen Tochter. Und als ich fast nicht mehr darüber nachgedacht habe, erfuhr ich Anfang Dezember 2009, dass ich wieder schwanger sein darf.
Es war von Anfang an Freude da. Keine Angst. Kein Misstrauen. Nichts. Und kurz vor Weihnachten sahen wir dann auch noch 2 Herzen schlagen. Ich konnte mich kaum noch Erholen vor Lachen. Die ¨neue¨Ärztin verstand die Welt nicht mehr, weil ich so herzhaft gelacht habe. Mein Mann meinte zuerst nur, ¨ja, jetzt brauchen wir ein neues Auto!¨

Am Freitag Abend, den 16. Juli 2010, meinte mein Mann dann, he, geniessen wir vermutlich das letzte Wochenende. Es wird wohl das letzte Mal ausschlafen sein. Wir waren mittlerweile Mitte 37. Schwangerschaftswoche, und wir wussten, viel weiter werden wir's vielleicht nicht schaffen. Und siehe da. Am nächsten Morgen drehte ich mich von der einer zur anderen Seite. Es knackste im Unterleib, und ich dachte mir noch, was war das? Als ich dann zur Toilette lief, 7 Uhr morgens, platschte es dann einen Schwall Fruchtwasser auf den Boden. Mein Mann meinte im Halbschlaf, ich bilde mir das doch nur ein, aber als er dann auf den Boden schaute, wussten wir, da wird nichts mehr mit ausschlafen. Die Hebamme am Telefon meinte, ich solle noch gemütlich zu Hause frühstücken, duschen und dann Mal in die Klinik kommen. Mit dem Handtuch zwischen den Beinen

In der Klinik scherzte ich dann noch, es müsste mir doch jetzt schlechter gehen. Die Hebamme meinte dann, warten sie nur, ihnen wird das Lachen schon noch vergehen. Und siehe da, gegen Mittag gingen dann die Wehen so richtig los. Wir hatten das grosse Glück, dass die Hebamme von der stillen Geburt wieder mit von Partie war. Ich habe sie vorher angefragt, ob sie das machen würde, da es uns viel bedeuten würde. Es war einfach unglaublich lieb, dass sie sich die Zeit genommen hat. Mein Sohnemann hatte nach wie vor Kopflage und da die Wehen so schnell einsetzten und ich wie eine Wahnsinnige mitgemacht habe, dauerte es vier Stunden und meine wunderhübsche Tochter kam mit 2600g gesund zur Welt. 15 Minuten später mein Sohn mit 2620g. Wenn einer behauptet, das zweite Kind flutsche dann nur raus, also dem muss ich widersprechen. Bei mir zumindest, war dem garnicht so.


Leider habe ich 2 Liter Blut unter der Geburt verloren. Wieso, das weiss man heute noch nicht so genau. Ich hab davon nicht so viel mitbekommen. Für mein Mann war das heftiger zu sehen. Er meinte nur, ein Schlachtfeld sei nichts dagegen. Ich war einfach etwas gaga und müde, aber an sich überglücklich. Ich musste dann Bluttransfusionen haben und noch in den OP, zur Sicherheit schauen, ob da noch etwas Plazenta drin war, weils so geblutet hat. Am Ende konnte die Blutung gestoppt werden, und ich 3 Tage mit Blasenkatheter nicht aufstehen. Ich weiss, noch vor einigen Jahren wäre ich verblutet, aber das kann bei einer Einlingsgeburt genauso passieren. Ich kann das jetzt auch so locker dahin schreiben, weil ich es garnicht als schlimm empfand. Ich hab's weder gesehen, noch wirklich gespürt. Ich war einfach erschöpft und müde, das war für mich vollkommen normal. Mein Mann hat lang darunter gelitten, beinahe seine Frau verloren zu haben. Heute betrachte ich das auch etwas anders und weiss, ich hatte einen ganz lieben, wunderhübschen Schutzengel, welche etwas anderes für mich geplant hatte. Kleine Königin sei Dank!
Die beiden galten (wegen 2 Tagen!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!) noch als Frühgeburt. Obwohl sie ein stolzes Gewicht hatten und bereits Muttermilch an der Brust nahmen, musste das Prozedere mit der Magensonde trotzdem sein. Es war eine Tortur, echt. Das war das Schlimmste an der Sache. Wehe eines trank Mal nicht gerade so viel, wie erwartet. Die beiden zogen die Sonde in der ersten Nacht schon raus. Ha! Sie haben dann normal ab- und wieder zugenommen, also bestens. Trotz allem wusste ich bis zum letzten Tag nicht, ob die beiden jetzt mit nach Hause durften oder nicht. Zu alledem man nach natürlicher Geburt nach 5 Tagen fast rausgeschmissen wird. Hätte ich einen Kaiserschnitt gehabt, hätte ich länger bleiben dürfen, dann hätten sich die Kinder auch länger anklimatisieren können. Aber ich bin zur Löwenmama mutiert und hab gekämpft und am Ende gingen wir zu viert nach Hause.
Die ersten drei Monate waren streng. Stillen, abpumpen, absolut kein Schlaf, völlig andere Rhythmen etc. etc. Keine Ahnung wie ich diese überlebt habe


Ich kann mein Glück heute noch kaum fassen, auch wenn mir meine kleine Königin im Himmel immer fehlen wird. Sie kann man nicht ersetzen. Aber es gibt immer auch ein Licht am Ende des Tunnels. Es war eine unendlich lange Reise und manchmal glaubte ich, für immer aufgeben zu wollen. Heute weiss ich, mein Kampf hat sich gelohnt. Ich bin stärker denn je zuvor und so manage ich jeden Moment den Alltag mit meinen Zwillingen. Manchmal sind die Tage und Nächte wahnsinnig anstrengend, aber am Ende habe ich immer ein Lächeln auf den Lippen und weiss, meine Engelstochter wollte es mir extra nicht einfach machen. Und ich werde ihr schon beweisen, dass ich das stets packe, auch wenn ich manchmal auf dem Zahnfleisch laufe!
Ihr lieben Mami's da draussen - ihr könnt alle stolz auf euch sein.
Luna0904