venezuela hat geschrieben:
jedoch sehe auch ich, dass es in unserer gesellschaft einfach noch oft solche 'spielregeln' gibt, in der einfach der stärkere/ranghöhere gewinnt. und diese spiel sollten meine kinder wohl auch irgendwie kennen und in gewissen situationen mitspielen könne, sprich ruhig sein und sich unterordnen und eben auch gelegentlich strafen akzeptieren. müssen wir ja auch...
Ja, das ist so. Ich sage mir aber: Dass muss er nicht bei uns in der Familie lernen, "da draussen" kommt er dann schon noch früh genug damit in Kontakt - aber spät genug, dass er rational schon verstehen kann, warum und wieso.
Wird ein kleines Kind bestraft, spürt es die Demütigung und es spürt, dass seine Eltern ihm absichtlich etwas Unangenehmes zufügen. Aber sehr oft versteht es nicht, weshalb und wieso und sieht den Zusammenhang zu seinem "Vergehen" nicht (das in seinen Augen vielleicht gar keines ist).
Ich möchte das aber nicht. Das ist nicht die Beziehung, die ich zu meinem Kind pflegen möchte. Wenn mein Mann ein Glas zerschlägt gehe ich ja nicht automatisch davon aus, dass er es extra gemacht hat - wieso also sollte ich das beim Kind?
Ich möchte, dass mein Kind etwas anderes lernt, als in der "Umgebungsgesellschaft" üblich ist. Weil das "andere" meinen Werten entspricht. Dann muss ich das zuhause so leben, einen anderen Weg gibt es nicht.
Unabhängig davon: Würde ich zuhause ein Erziehungssystem anwenden, das ich für falsch halte, ich wäre unglaubwürdig und dann würde es auch nicht funktionieren. In der Erziehung funktioniert gar nichts, wenn man nicht zu 100% dahinter steht. Die Kurzen reagieren nämlich nie auf das, was man sagt und will, sondern auf das was man
eigentlich will.
venezuela hat geschrieben:
nun baut dieser weg ja darauf auf, dass die kinder einsehen, verstehen und nicht nur gehorchen. dies setzt auch ein gewisses mass an verantwortung voraus und scheint auch mir der nachhaltigste weg zu sein...
aber es stellt sich mir auch die frage, ob da nicht manchmal zu viel verlangt wird, wenn sie immer vernünftig sein müssen und ob es manchmal nicht auch entlastend sein kann, wenn man einfach folgen muss, damit strafe xy nicht eintrifft...?
Man sieht viele verunsicherte Kinder, das stimmt. Das liegt aber meines Erachtens nicht an einem Mangel an Angst und Strafe, sondern an einem Mangel an Führung und Leitung. Führung und Anleitung ist natürlich um einiges anstrengender und zeitaufwändiger, als mit Drohungen und Strafen um sich zu werfen.
venezuela hat geschrieben:
beispiele:
- ich soll mit dem auto nicht zu schnell fahren und auch nicht am steuer telefonieren - das sehe ich voll und ganz ein und darf somit vernünftigerweise nie zu schnell fahren oder einen anruf schnell annehmen...
es scheint mir oft jedoch auch für mich einfacher nicht zu telefonieren und zu schnell zu fahren, weil ich gebüsst werden könnte...
Wenn Bussen effizient wären im Sinne von "Übertretungen vermeiden", dann müsste eine Verdoppelung oder Verdreifachung der Busse logischerweise dazu führen, dass es weniger Übertretungen gäbe, nicht wahr? Das passiert aber nicht: Die Anzahl der Übertretungen ist immer gleich hoch.
Und ja, Du fährst dort, wo ein Radar stehen könnte, aus Angst vor der Strafe in der korrekten Geschwindigkeit. Aber wenn Du weisst, dass kein Radar dort ist, fährst Du locker 100 im 80er.
Das beweist ja gerade, dass Strafen zu keinerlei Einsicht führen sondern einzig und allein zur Vermeidung der Strafe.
Wie schon weiter oben geschrieben: Ich möchte, dass sich mein Sohn immer die Zähne putzt und nicht nur, wenn ich daneben stehe und mit der Peitsche knalle.
venezuela hat geschrieben:
- ich will nicht, dass meine kinder alkohol und nikotin, etc. konsumieren - zumindest nicht zu früh, da es mit 14 einfach noch viel schädlicher ist, als später...
also will ich verhindern, dass sie bis 18 regelmässig rauchen und zu viel trinken.
mir ist absolut klar, dass es viel besser und ev. einfacher wäre, sie würden dies einsehen und es deshalb lassen, als dass ich kontrollieren und ev. strafen müsste... jedoch denke ich an meine zeit zurück, als ich in diesem alter war. ich wusste, dass mir 'der kopf abgerissen würde', wenn ich erwischt würde und habe es darum vorerst gelassen und als ich doch anfing zu rauchen, konnte ich dies nur eingeschränkt tun, also viel weniger, als wenn ich die erlaubnis gehabt hätte...
wenn ich hier also den weg des strafens gehen würde, könnte ich mein ziel ev. besser erreichen, als wenn ich auf einsicht hoffe, die dann ev. nicht kommt... und die gesundheit meiner kinder ist mir doch so wichtig... was also tun?
Das erste Problem mit der Strafe bei solchen Themen ist: Was tun sie, wenn Du ihnen den Rücken zudrehst? Kannst Du ihnen vertrauen, wenn sie etwas nicht aus Einsicht unterlassen, sondern nur aus Angst vor Strafe? (oder "fahren sie 100 im 80er wenn kein Radar dort ist"?)
Das zweite Problem mit der Strafe ist: Wie weit kannst Du die Strafe gegebenenfalls erhöhen, wenn der Jugendliche sich über das Verbot hinwegsetzt, sie in Kauf nimmt? Oder sich über die Strafe auch hinwegsetzt? (mein Vater hat beispielsweise Ausgangsverbot erteilt, da war ich 16 oder 17 und sagte, das akzeptiere ich nicht. er hat mich im Zimmer eingeschlossen. Ich bin zum Fenster raus. Als ich heim kam, hat er mir eine gescheuert.). Wie weit würdest Du gehen, um ein Verbot durchzusetzen?
venezuela hat geschrieben:
ich nehme an, dass ich doch den weg ohne verbote und über die einsicht und vor allem die beziehung gehen werde, aber die überlegung bleibt; ist es immer so sinnvoll und für die kinder leistbar, dass wir an ihre vernunft appelieren?
Für mich ist das definitiv langfristig der einzige Weg, der überhaupt funkioniert. Funktioniert im Sinne von dass ich nur dann sicher sein kann, dass das Kind von sich auch gewisse Dinge tut oder nicht tut, also auch wenn keine Strafe droht.
venezuela hat geschrieben:übrigens kam mir beim thema 'macht' eine tolle ärztin in den sinn, die mir sagte, dass zur verantwortung, die man für jemanden oder etwas hat, immer auch macht gehört und dass man ohne diese macht seine verantwortung auch nicht wahrnehmen kann. das hat mich dann auch wieder zum denken angeregt, da ich machtkämpfe ja nicht mag und trotzdem immer wieder merke, dass ich halt einfach mehr macht habe, als mutter oder auch als lehrerin...
Die Frage ist ja auch nicht,
ob man seine Macht einsetzt.
Als Eltern sind wir die Anführer der Familie und wir sind den Kindern um Lichtjahre intellektuell und körperlich überlegen. Als Eltern von Säuglingen haben wir sogar Macht über ihr Leben oder ihren Tod, so hilflos sind sie, dass sie ohne uns gar nicht überleben könnten.
Für mich ist die Frage,
auf welche Weise man als Eltern seine Macht einsetzt und wo der Machtmissbrauch anfängt.
Machtkämpfe gibt es meiner Erfahrung nach übrigens vor allem immer dann, wenn ich nicht anführen mag oder beispielsweise auch lieber im Piji abhängen möchte statt mich anzuziehen.... dann stellt sich Kurzer solange quer, bis von mir eine klare Ansage und ein klares Vorausgehen kommt, statt einem zweideutigen Wischiwaschi à la "eigentlich sollte ich, aber eigentlich mag ich nicht".
Die andere Art Machtkämpfe entstehen dort, wo er sich seine Unabhängigkeit regelrecht ertrotzt, beispielweise weil er findet, er könne jetzt dieses und jenes schon selber und ich ihn darin unterschätze.