Die Schwangerschaft verlief leider von Anfang an mit einigen Schwierigkeiten. Bereits in der Frühschwangerschaft besuchte ich die Frauenärztin, weil ich wie schon im Frühling starke Blutungen hatte. Eigentlich rechnete ich bereits mit dem Schlimmsten.

Zu meiner Überraschung sah man auf dem Ultraschall aber zwei Fruchthöhlen – ich war mit Zwillingen schwanger!

Immer wieder hatte ich mit starken Blutungen zu kämpfen, da sich die leere Fruchthöhle löste und musste weit über die kritische Zeit Angst haben, auch das andere Würmchen zu verlieren. Erst in der 18. Woche war die Gefahr gebannt und ich genoss die Schwangerschaft mit dem kleinen Wunder in mir. Es war nun gross genug, den Kampf zu gewinnen – auch wenn die leere, immer noch sichtbare Fruchthöhle sich noch ganz verabschieden sollte. Das Geschlecht wollten wir nicht wissen und uns diesmal überraschen lassen.
Ab der 35. Woche hatte ich immer wieder mit wilden Wehen zu kämpfen. Die Hebamme rechnete mit einer früheren Geburt und meinte, ich solle mir nicht mehr zuviel vornehmen. In der 37. Woche war der Muttermund butterweich, das Kind hatte scheinbar eine wunderbare Grösse, die Plazenta sehe recht verkalkt aus – einer Geburt stehe nichts im Weg! Schlussendlich wollte mein Kleiner aber doch länger in meinem Bauch bleiben.
Am Montag, 8. April, meinem ET, hatte ich wieder Kontrolle im Spital. Als sie ein CTG machten, waren sie mit den Herztönchen meines Kleinen nicht sehr zufrieden. Im Ultraschall sahen sie dann, dass ich nur noch sehr wenig Fruchtwasser hatte. Sie meinten, dass das Baby wohl auch etwas auf „Sparmodus“ umgestellt habe und es wirklich bald kommen sollte.. Ich solle gut auf meinen Körper hören und mich melden, wenn die Kindsbewegungen noch mehr zurückgehen.
Was für eine schwierige Aufgabe! Ich konzentrierte mich fast nur noch auf die Bewegungen des Babies, machte mich halb kaputt deswegen.
Zwei Tage später der nächste Untersuch, ich langsam aber sicher am Rande der Verzweiflung, weil ich immer wieder Wehen hatte, der Muttermund weich und inzwischen 2 cm offen war und dennoch.. es wollte einfach nicht losgehen. Inzwischen war das Fruchtwasser noch mehr zurückgegangen und die Hebamme unterstütze meine Idee – es war Mittwoch und wir beschlossen, am nächsten Tag die Geburt einzuleiten.
Die Hebamme vermutete bei mir eine „Wehenschwäche“. Mein Körper schüttet anscheinend dieses Hormon (Oxytocin) nicht aus, durch welches die Geburt in Gang gesetzt wird. Sie meinte, dass es bei mir wohl nur wenig von der Infusion brauche und es dann richtig losgehe.. ich war gespannt und wollte mein Baby endlich in die Arme schliessen!
So traf ich einen Tag später pünktlich um 9.00 Uhr ins Spital ein und begab mich ins Wartezimmer. Es war ein komisches Gefühl, zu wissen, dass es bald losgeht… Im Warteraum traf ich einen frischgebackenen Papi, mit dem ich mich eine Weile unterhielt (wink zu Joja, falls du das liest

Es dauerte etwas länger, bis ich dann ins Gebärzimmer gehen konnte. Komisch, wenn man mit Rollköfferchen und ohne Wehen an den „Ort des Geschehens“ läuft. Ich zog bequeme Kleider an, richtete mich ein und wartete auf die Hebamme und ihre Praktikantin. Langsam wurde ich nervös.
Um 11.00 Uhr erhielt ich die Infusion, zuerst war es nur eine geringe Dosis. Ich spürte noch nichts – aber das sei normal. Mein Mann war inzwischen auch eingetroffen und wir hatten es sehr gemütlich. Langsam merkte ich, wie leichte Wehen kamen. Die Dosis wurde nach 45 min erhöht. Die Wehen wurden etwas stärker. Ich durfte herumlaufen und die verschiedenen Varianten im Gebärsaal testen. Immer wieder lachten wir, es ging mir blendend und alle staunten über meine Lockerheit.
Um 14.00 Uhr waren die Wehen dann so stark, dass ich veratmen musste. Wir spazierten gemeinsam mit meinem fahrenden Freund (Infusion) kurz im Gang der Wöchnerinnen-Abteilung herum. Allzu wohl fühlte ich mich aber nicht, es hatte mir zu viele Leute. Und der netten Nachbarin vom Gebärsaal nebenan wollte ich eigentlich auch nicht unbedingt zuhören…
Wieder im Gebärsaal, schien es dann wirklich langsam los zu gehen. Die Hebamme liess Wasser in die Wanne und ich konnte mich im warmen Wasser entspannen. Ich freute mich sehr darüber, dass ich ins Wasser gehen konnte und hoffte, dass es mit der Geburt im Wasser klappt.
Inzwischen war es 16.00 Uhr. Die Wehen wurden immer intensiver, die Infusion brauchte ich längst nicht mehr. Ich schaffte es, mich während den Wehen zu entspannen, war völlig in meiner Welt. Immer wieder überrollten mich diese Wehen, die Pausen wurden kürzer. Die Hebamme untersuchte den Muttermund, er war nun fast offen. Irgendwo ertastete sie eine Überlappung und versuchte diese in der nächsten Wehe zu lösen – huch das tat weh! Am liebsten hätte ich sie in diesem Moment auf den Mond geschickt! Aber sie tat mir sonst so viel Gutes, war einfühlsam und hilfsbereit – sie verstand mich ohne Worte.
Ich veränderte meine Position immer wieder, wurde von der Praktikantin während jeder Wehe am Rücken massiert. Mein Mann kniete vor mir und hielt meine Hand. Aller waren so nett zu mir.
Ich spürte, dass es nicht wirklich vorwärts ging. Ich sagte dies auch (natürlich leicht erschöpft, eher verzweifelt) – alle motivierten mich und redeten mir zu. Doch ich wollte eigentlich nicht mehr. Es tat so weh. Was ich zuvor wochenlang in der Geburtsvorbereitung geübt hatte, warf ich nun über Bord. Ich gab auf, weinte und konnte nicht mehr. Mir fehlte in diesem Moment die Kraft, mich zu motivieren, weil die Schmerzen zu stark waren und ich mir bei diesem Druck auf mein Becken im besten Willen nicht vorstellen konnte, dass dieses Baby da jemals herauskommen würde. In diesem Moment war ich enttäuscht von mir selber. Ich wollte doch stark und tapfer sein!

Ich spürte den Drang zum Pressen, tat dies auch und alle sprachen mir Mut zu. Ich wendete alle meine Kraft auf. Die Hebamme meinte plötzlich: „Noch eine Wehe, dann ist dein Kind da! Ich werde es dir direkt in deine Hände geben, wenn es noch unter Wasser ist, okay?“ Die Wehe kam, ich presste – doch leider warst du immer noch in mir drin. Ich war etwas wütend, doch Zeit zum Schimpfen blieb mir nicht, die nächste Wehe rollte auf mich zu. „Bist du parat, wenn ich dir das Baby gebe, mh?“, meinte meine Hebamme noch einmal. „Schon bald ist das Köpfchen da! Du kannst es fühlen, wenn du möchtest!“ Doch ich war überhaupt nicht mehr kooperativ, reagierte kaum. Bei der nächsten Wehe presste ich noch einmal mit voller Kraft – und flutsch … mein zweites Wunder rutschte mit einer Presswehe komplett aus mir heraus ins Wasser! „Huch, was haben wir denn da!?“, meinte die Hebamme. Ich hatte die Augen geschlossen und schon Angst, es sei etwas nicht in Ordnung.
Und da hielt ich unser kleines Baby in meinen Händen, legte es mir auf den Bauch, lehnte mich zurück, genoss seine Wärme, schloss die Augen wieder und erholte mich die ersten Sekunden von den Schmerzen. Mein Mann war gerührt und unglaublich stolz auf uns. Ich war wieder in meiner Welt – musste diese vergangenen Minuten erst einmal verarbeiten. Unser Baby weinte lange, es hatte es auch nicht gerade leicht.. Irgendwann merkte ich, dass ich ja noch gar nicht wusste, ob unser Baby nun ein Mädchen oder ein Junge ist. Schnell fühlte ich, dass es ein Junge war und wir unserem ersten Wunder ein Brüderchen geschenkt hatten.

Wir hatten nun alle Zeit der Welt, uns kennenzulernen. Ich genoss diesen einmaligen Augenblick in vollen Zügen und fühlte mich schnell wieder besser.
Im Nachhinein war klar, weshalb die Geburt nicht weiterging. Unser Sohn war ein Sternguckerli. Die Hebamme konnte es nicht spüren, weil die Haut der Fruchtblase sehr dick war und sie somit die Fontanelle nicht ertasten konnte. Alle staunten plötzlich, wie ich es ohne Hilfe geschafft hatte, unser Sternguckerli auf die Welt zu bringen. Ich meinte dann nur: „Ich habe ja gesagt, es geht nicht. Doch keiner hat mir geglaubt“. Die Hebamme antwortete, dass viele Frauen vor der Geburt an diesen Punkt gelangen und sie über meinen Kommentar nicht allzu überrascht war. Recht hatte sie ja schon!
Die Geburt hinterliess bei uns Spuren.
Ich musste genäht werden, hatte eine grosse Wunde und verlor viel Blut. Die Heilung dauerte lange, war mit starken Schmerzen verbunden und führte zu Komplikationen. Es wäre ja langweilig gewesen, wenn nach dem turbulenten Start der Schwangerschaft und der heftigen Geburt plötzlich alles total „ruhig“ verlaufen wäre..
Ich war sehr froh um meine Familie und die Unterstützung, als ich nur liegen und mich lange Zeit kaum ohne Schmerzen bewegen konnte.
Unser Sohn hatte einen etwas schweren Start auf dieser Welt und weinte zu Beginn viele Stunden. Die Osteopathie und viele viele Stunden ganz nahe beim Mami halfen ihm aber.
Inzwischen ist der kleine Mann fast 9 Monate alt, bei uns „angekommen“, gedeiht prächtig und ist ein richtig neugieriger, zufriedener Strahlemann.
Wir sind unglaublich dankbar, dass wir zwei gesunde Wunder haben dürfen.