@Zwacki
Das ist schon so, dass es nur nur "ein HR" gibt. Wenn ich aber mit Berufskollegen und -kolleginnen spreche, habe ich schon das Gefühl, dass wir zu 90% im Geschäft sehr ähnlich ticken bzw. auch ähnliche Vorgehensweise bei der Rekrutierung haben. Aber eben: Ich spreche da nur von HR-Leuten mit dem Fachausweis (die ja auch dementsprechend ausgebildet wurden). Wie richtig geschrieben: Es gibt auch Firmen, wo Leute ohne HR-Ausbildung rekrutieren - und dass es dort anders läuft, ist klar.
Und was das sorgfältige Sichten von Bewerbungen angeht: Habe ich mir als Greenhorn auch geschworen - in jede Bewerbung mind 10-15 Minuten Zeit zu investieren. Die Realität hat mich dann ziemlich schnell eingeholt

. Wenn ich 2-3 Vakanzen habe, bekomme ich nicht selten 30-40 Bewerbungen pro Tag. "Daneben" muss ich noch unsere Mitarbeiter betreuen, 2-3 Eintritte und 4-5 Austritte vorbereiten, die ALS für unsere Lernende vorbereiten, pendente QST-Angelegenheiten regeln und irgendwelchen KiZu-Formularen nachrennen und und und

. Da merkt man relativ rasch, dass man relativ effizient beim Sichten und Vorentscheiden von Bewerbungen arbeiten muss - das geht gar nicht anders. Wobei ich persönlich noch in einer relativ angenehmen Situation bin und verhältnismässig viel Zeit zur Verfügung habe. Ich kenne Kolleginnen und Kollegen, die als Recruiter in Grossfirmen arbeiten und die haben dann wirklich 30-40 Vakanzen - was da an Mengen Bewerbungen jeden Tag reinkommt, kann man sich denken

. Klar, die haben dann wirklich nur Rekrutierungsaufgaben - aber das beinhaltet ja auch, in Frage kommende Bewerber einzuladen, sich immer wieder mal mit der Linie zu besprechen, Telefoninterviews zu führen, Inserate zu schalten, Geduldsbriefe zu schreiben oder in Auftrag zu geben und und und. Da in jede Bewerbung 15 Minuten Zeit zu investieren, ist ein Ding der Unmöglichkeit. Darum muss man sich in der Praxis wirklich darauf beschränken, zuerst einfach mal den CV zu überfliegen und so zu entscheiden, ob man sich die Bewerbung näher anschaut oder grad absagt, weil halt die Voraussetzungen einfach nicht stimmen.
Dass man das in einem Kleinbetrieb, wo man vielleicht max. 1-2 Vakanzen pro Monat hat (wenn überhaupt) anders handhaben kann, ist klar. Aber eben: Sobald es mehr Vakanzen gibt - und dann ja meistens auch ein professionelles HR (d.h. da macht nicht die GL-Assistentin nebenbei noch HR-Aufgaben) - wird meistens auch dementsprechend rekrutiert.
Was ich für meinen Teil - egal, wie knapp die Zeit ist - aber immer mache (oder es zumindest versuche

): Von mir bekommt jeder innert 48 Stunden nach Eingang der Bewerbung einen Geduldsbrief (bzw. ein Geduldsmail

) und ich versuche jede Absage möglichst individuell zu formulieren. Das heisst, ich schreibe nicht einfach standardmässig bei jedem, das es nicht gepasst hat, sondern versuche auch rein zu bringen, was nicht gepasst hat. Wir haben zwar ein Tool mit Standardabsagen - aber eben: Wenn immer möglich versuche ich, diese zu individualisieren und vielleicht noch den einen oder anderen Tipp mitzugeben. Da bekomme ich des öfteren auch Rückmeldungen von den Kandidaten, dass sie wirklich dankbar für den Input bzw. die ehrliche Absage seien (weil sie sonst immer nur für sie nicht hilfreiche Standard-Absagen bekommen haben).
Aber logisch: Es braucht bei jeder Vakanz irgendwie ein bisschen den Faktor Glück - halt zur richtigen Zeit am richtigen Ort... und vielleicht auch grad den "richtigen" Rekrutierer, dem per Zufall das Dossier grad am Besten passt

.
Ich habe mich z.B. vor ein paar Jahren mal auf eine Stelle beworben, bei der ich sehr schnell eingeladen wurde und auch schon nach dem 1. Gespräch (gab dann noch 2 weitere) als Top-Favoritin gesetzt war. Leider hat dann aber das Timing für mich nicht gestimmt und ich habe abgesagt. 2 Jahre später war die Stelle wieder ausgeschrieben - genau gleich (wirklich Wort für Wort). Da es für mich vom Timing her dann gepasst hätte, habe ich mich wieder beworben - und praktisch postwendend einen Absagebrief erhalten, dass meine Voraussetzungen für die Stelle nicht passen würden

. Notabene: Es war wirklich genau die gleiche Stelle und ich brachte ja auch nach 2 Jahren noch immer die gleichen Voraussetzungen mit

. Aber eben: Die HR-Verantwortliche hatten indessen gewechselt, d.h. für die eine war ich die Top-Favoritin, für die andere kam ich offenbar nicht mal ansatzweise in Frage

(wobei der Absagebrief schon etwas gaga war, da ich wirklich ALLE im Inserat gelisteten Voraussetzungen zu 100% mitbrachte

, d.h. da hätte man mir zumindest mit einer anderen Begründung absagen müssen

) . Von daher: Klar spielt die Person, die die Bewerbungen sichtet, auch eine Rolle - und nicht zuletzt auch die anderen Bewerbungen bzw. wie stark die Konkurrenz ist. Da gibt es sicherlich mehrere Faktoren, die darüber entscheiden, ob man zu den Auserwählten gehört oder nicht.