Was ist in der Pubertät "normal"?

Die Zeit des Erwachsenwerdens

Moderator: Züri Mami

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Cenis
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Was ist in der Pubertät "normal"?

Beitrag von Cenis »

Liebe Mamis

Ich habe einen knapp 17-jährigen Teenie zu Hause, der nicht raucht, nicht trinkt und abends einigermassen zeitig nach Hause kommt. Er ist freundlich gegenüber anderen Menschen und kommt generell gut an mit seinem Charme. Ihr denkt jetzt wahrscheinlich "Oh boah, was für ein Glück du hast, Cenis!"

Und jetzt kommt das Aber:
Er gehört mit starkem Tourette-Syndrom zu den Kids auf dem neurodiversen Spektrum und benimmt sich zu Hause, als wäre er ein Halbwilder:
Er putzt sich die Zähne nur sehr unregelmässig (3x pro Woche, denke ich).
Er wechselt zwar täglich seine Unterwäsche und die T-Shirts, aber die schmutzigen Shirts schmeisst er in eine Ecke seines Zimmers und zieht sie ein paar Tage später (ungewaschen) wieder an.
Er geht nicht duschen nach dem Gym, sondern geht in den Sportsachen schlafen (er duscht dann aber morgens).
Er nimmt sich sein Essen ins Zimmer und versteckt das Geschirr mit den Resten in seinem Schrank oder unter dem Bett.
Er gibt seinen gesamten Lehrlingslohn für Kleidung oder Snacks aus und legt nichts beiseite, obwohl wir das so abgemacht haben.

Mein Mann sagt immer, er habe halt eine Grossbaustelle im Hirn während der Teenager-Zeit, und dass es jetzt keinen Sinn mache, ihn erziehen zu wollen - entweder sei die gute Basis bereits drin und käme nach der Pubertät wieder zum Vorschein, oder falls er bis jetzt nichts gelern habe, würde er es im Moment sowieso nicht lernen.

Mich stört die Unordnung und der schlechte Geruch in seinem Zimmer. Ausserdem habe ich Angst, dass er später nicht auf eigenen Beinen stehen kann, wenn er die "Basics des zivilisierten Wohnens" nicht intus hat.
Und dass er einen falschen Umgang mit Geld hat, macht mir ebenfalls Sorgen.

Wieviel Teenagerbenehmen ist in diesem Alter normal? Und macht es Sinn, ihn zur Ordnung zu ermahnen?

Ich würde mich riesig freuen, mich mit anderen Leidensgenossinnen auszutauschen.

Liebe Grüsse,
Cenis

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Tinky
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Re: Was ist in der Pubertät "normal"?

Beitrag von Tinky »

Hallo Cenis

Ich habe zwei ADHS-ler Zuhause (18 und 14) und kann dir deshalb etwas nachfühlen.

Hier meine Regeln:

- Zum Zähneputzen -> wer sich die Zähne nicht putzt muss die Zahnarztrechnungen selber bezahlen.
- Wäsche die nicht im Waschkorb ist, wird nicht gewaschen.
- Wer stinkt muss das auf die harte Tour von Freunden und Kollegen erfahren. (ja ich sags ihnen auch, aber irgendwann ist es mir zu doof)
- Wer das Essen bzw die Resten nicht runter bringt muss das Zimmer selber putzen. Ich selber musste einmal mein Zimmer dank dicken fetten Fliegen auf dem "versteckten" Sandwich putzen. Diesen Gestank verfolgt mich heute noch - und das erzähle ich meinen Kids auch.
- Beim Geld ist es wohl am Schwierigsten. Wäre es eine Option, dass er euch etwas abgibt, dass ihr dann für den Junior spart? Oder eine Budgetberatung?

Gute Nerven!

Gruss Tinky
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Sternli05
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Re: Was ist in der Pubertät "normal"?

Beitrag von Sternli05 »

Cenis
Das kommt halt etwas auf den Jugendlichen an. Bei meinem 19 jährigen ADS ler kam das mit dem Duschen und frisch anziehen irgendwann von alleine. Es war erst auch schlimm, aber dann kippte es auf die Gute Seite. Mit Geld umgehen… tja das ist schon schwierig, aber er ist Erwachsen und ich gebe einfach Tipps.

Mein ASS Kind, 15, zieht nach dem duschen seine verschwitzten Kleider wieder an. Ihm muss ich frische bereit legen. Das hat mit seinem ASS zu tun. Ich weiss nicht ob euer Sohn auch etwas mehr Unterstützung braucht.
Ja gewaschen wird in der Regel was im Wäschekorb ist. Aber auch da, ihm ist es egal wenn’s nicht gewaschen ist. Wenn er stinkt ist das nach seiner Meinung, nicht sein Problem, sondern das Problem der anderen… darum hole ich die Wäsche aus seinem Zimmer. Er isst auch mal im Zimmer. Wenn ich ihm sage er soll das Geschirr in die Küche bringen macht er es, von alleine funktioniert es aber nicht. Zähne putzen muss ich immer sagen, dsnebenstehrn, geht praktisch nie von alleine. Ich könnte mir vorstellen, dass dein Sohn evtl. Etwas mehr Unterstützung braucht wie andere Jugendliche..

sonrie
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Re: Was ist in der Pubertät "normal"?

Beitrag von sonrie »

Was "normal" ist, ist vielleicht nicht mal unbedingt ausschlaggebend, sondern viel mehr, was für euch die ihr mit ihm zusammenlebt erträglich ist. Mag ja sein, dass sich sein Hirn umbaut und auch, dass auch noch zusätzlichen Ballast mit sich herum trägt, aber dennoch befreit das niemandem davor, gewisse Regeln im Zusammenleben mit anderen zu befolgen, dies gilt ja nicht nur für zu Hause sondern ist ja auch in der Lehre / in der Schule der Fall.

Ich würde mal versuchen mit deinem Mann zusammen zu definieren, was für euch eingehalten werden MUSS oder was gar nicht geht und das dann auch durchziehen. Muss ja nicht gleich alles sein, aber so Eckpunkte sollten schon eingehalten werden können wenn man miteinander wohnt, Pubertät hin oder her.
"Wenn Aufregung helfen würde, Probleme zu lösen, würde ich mich aufregen." (Angela Merkel in "Die Getriebenen")

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krista
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Re: Was ist in der Pubertät "normal"?

Beitrag von krista »

Ich schliesse mich sonrie an.
Dazu würde ich auch sichtbar machen, was Ihr erlaubt und was von Eurer Seite drin liegt /entgegenkommt, obwohl Ihr es vielleicht nicht mögt. Vielleicht hat Euer Sohn ja auch noch ein paar Wünsche an Euch, die er gern verhandeln würde.
Also ein gemeinsames Aushandeln, das in beide Richtungen geht.

Beispiele bei uns wären z.B.
Gamezeit, finanzielle Wünsche bezüglich Kleidung/Bücher/Ausgehen, Fahrdienste etc.
Da zeigen wir als Eltern ja auch Entgegenkommen und das machen wir gern.

Vielleicht hilft dies, zu erkennen, dass Zusammenleben etwas ist, was vom Geben und Nehmen lebt, in alle Richtungen.

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Savuti
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Re: Was ist in der Pubertät "normal"?

Beitrag von Savuti »

Ich selber habe noch kein Kind so richtig in der Pubertät.bei der Grossen startet es. Mir ist eine Aussage von einem Nachbar hängen geblieben: „ihm war die gute Beziehung wichtiger, als Regeln/Ämtli etc. durchzusetzen. Die Beziehung ist das was bleibt.“

Ich habe 2 neurodiverse Kinder.
@sonrie und Krista: habt ihr Erfahrung damit? Was ihr schreibt, tönt gut und hätte ich vor 13 Jahren auch geschrieben. Inzwischen hat mich die Realität eingeholt. Einiges ist mit neurodiversen Kindern nicht möglich, wie man es sich vorgestellt hat. Daher begleitet mich diese Aussage bezüglich der Beziehung von meiner Nachbar immer wieder.

Ich finde den Input von Sternli gut. Wie weit unterstützt ihr euren Sohn noch in diesen Dingen? Der Untrtstützungsbedarf ist halt wirklich grösser als bei neurotypischen Kindern. Das sehe ich auch immer wieder bei uns.
Grosse 10/12
Kleiner 04/15

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Dillon
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Re: Was ist in der Pubertät "normal"?

Beitrag von Dillon »

Regeln durchzusetzen ist bei manchen Kindern einfacher wie bei anderen. Ich würde versuchen zu vereinfachen. Mit Vorschlägen darf er auch selbst gerne kommen. Dein Mann sieht es anders wie du. Darum muss es für dich stimmen. Das mit Savutis Nachbarn finde ich so schön. Mit Vereinfachen meine ich: Z.b. ein Tischlein oder Servierwagen (echt, ich finde wenn einem Zeugs belastet, darfs auch ausgefallen werden). Auf dem Servierwagen kommt alles essbare (damit es nicht mehr unter das Bett oder in den Schrank muss) unten am Servierwagen sind die dreckigen Kleider. Das bringt der Junge hin und du transportierst es (für den Moment...) ab.

Für das Duschen nach dem Sport bin ich grad Ideenlos. Oder vielleicht einen Duschkopf mit Leds und Musik. Etwas Neues für ein neues Ritual. Da soll er selbst etwas hirnen. Es ist einfach doof, verschwitzt ins Bett zu gehen vor allem wegen dem Duft.

Zähneputzen. Ojee, das ist richtig schwierig. Vielleicht grad unter der Dusche putzen? Aber gell, es wird ihm einfach egal sein.

Manana
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Re: Was ist in der Pubertät "normal"?

Beitrag von Manana »

Ich habe auch zwei Jugendliche in der Pubertät (17 und 19).
Den einen mussten wir sehr viel unterstützen. Die Problematik hier war aber, dass er sich von den Eltern nichts mehr sagen lassen wollte.
Es kann wohl niemand sagen, was während dieser Zeit "normal" ist.
Wir haben immer versucht die Kinder soweit zu lenken, dass sie in der Gesellschaft nicht negativ auffallen.
Manchmal braucht es aber auch genau die Aussenstehenden, die Regeln aufstellen und durchsetzen. Bei der Hygiene z.B. ging es erst besser, als sich der Lehrbetrieb beschwert hat, dass er manchmal schlecht rieche. Da haben wir mit unserem Junior Lösungen gesucht, die für ihn machbar sind.
Zudem gibts spezielle Anlässe, wenn er dorthin gehen will, muss er vorher duschen und entsprechende passende Kleider anziehen.

Zu Hause haben wir gewisse minimale Regeln, die eingehalten werden müssen.
Wäsche muss im Korb sein, damit sie gewaschen wird.
Die Hauptmahlzeiten werden gemeinsam am Esstisch eingenommen. Geschirr das ins Zimmer geht muss wieder heraufgebracht werden bevor die Abwaschmaschine läuft (da fordere ich jeweils dazu auf) oder wenn Junior am Sonntagabend ins Wohnheim geht.

Geld haben wir noch keine Probleme. Haben mit ihm aber auch schon ein Budget erstellt um aufzulisten für was er wieviel Geld ausgeben kann.
Unserer muss mit dem Lehrlingslohn seine ÖV Tickets selber bezahlen. Über den Rest kann er selber verfügen. Essen unterwegsmusste er sich bis anhin auch selber bezahlen, durfte aber von zu Hause mitnehmen, wenn er wollte. Nun ist er in einer betreuten Wohngemeinschaft. Dort bekommt er Geld fürs Essen.

Tochter ist am Gym und braucht ihr Geld vorallem für Kleider und Essen. Sie hatte auch schon keines mehr und musste dann halt Essen mitnehmen von zu Hause und warten mit Kleider kaufen. Sie lernt es langsam. Da sind wir konsequent und geben ihr keinen Vorschuss.
So klappt es.

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Netterl
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Re: Was ist in der Pubertät "normal"?

Beitrag von Netterl »

@savuti: Das mit den neurodiversen Kindern ist mir auch durch den Kopf gegangen. Vieles, was bei „normalen“ Jugendlichen klappt, funktioniert da nicht.

Am besten gefiel mir der Satz bzgl Beziehung pflegen.

Ich bin auch immer wieder am hirnen, wo man am besten ansetzt. Ich schaue halt auch, wo meine Grenzen sind.

Wie ist es denn so in der Beziehung mit ihm? Könnt ihr gut miteinander reden?

Bzgl mancher Dinge kann man evtl. gemeinsam erarbeiten, wie es klappen könnte.
Beispielsweise das Essen unterm Bett wäre für mich aus hygienischen Gründen ein no go. Da wäre ich bereit, hinterher zu räumen. Anderes könnte ich lieber ihm selbst überlassen. Aber da ist jeder anders.

Die Idee mit Budget von außen klingt nicht schlecht. Evtl liegt es aber auch daran, dass er gar kein Gespür dafür hat Ich hab so ein Kind und wir überlegen auch schon, wie das wohl werden wird später und wie man da am besten rankommt.
Nothing is forever, except death, taxes and bad design

sonrie
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Re: Was ist in der Pubertät "normal"?

Beitrag von sonrie »

Nein, ich habe keine Erfahrung mit neurodiversen Kindern, ich finde einfach man muss sich weniger fragen was "normal" ist als sich einzugestehen, dass man selber auch Bedürfnisse und Grenzen hat. Man darf dort Grenzen ziehen wo man es selber nicht mehr so mittragen kann. Ob dies durchsetzbar ist's ob es funktioniert, ob es hilft - das weiss ich nicht, da hast du recht. Aber sich überlegen was genau wirklich nicht passt und womit man leben kann, dies kommunizieren und versuchen in einen Dialog zu treten kann meines Erachtens nie falsch sein. im besten Fall verbessert sich die Situation, im blöderen Fall wars vergebene Liebesmüh.
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Mirabelle391
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Re: Was ist in der Pubertät "normal"?

Beitrag von Mirabelle391 »

Ich habe ein Geschwister, dem es während der Pubertät psychisch sehr schlecht ging, mit vielen Ängsten und vielen Zwangshandlungen. Wenn’s jeweils gerade akut war, nahm mein Geschwister nach dem Essen am Tisch sein ganzes benutztes Geschirr ins Zimmer und lagerte es dort (neben anderen seltsamen Handlungen und Verhaltensweisen). Aufforderungen es herauszugeben, fruchteten nur, wenn meine Mutter das ganz „süüferli“ an die Hand nahm (und niemand durfte es anfassen, mein Geschwister hat es in die Abwaschmaschine getan, die dann sofort gestartet werden musste). Das Geschirr einfach herausholen hätte einen so dramatischen Zusammenbruch ausgelöst, dass das schlicht keine Option war (auch aus Angst vor den Folgen). Meine Eltern haben Vieles probiert und sich beraten lassen. Aber mein Geschwister musste für sich selber den Knoten lösen, lösen wollen; auch mit Therapie (ich glaube, es besserte aber bereits vor der Therapie). Meiner Erfahrung nach kann man nicht immer viel machen. Und das Aushalten war für meine Eltern brutal. Danach gab es aber keine Krisen in demselben Ausmass mehr (soweit ich es überblicke). Hilft jetzt nicht im Sinne von „was tun?“, aber manchmal tut’s ja schon gut zu wissen, dass auch andere sowas kennen.

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Stella*
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Re: Was ist in der Pubertät "normal"?

Beitrag von Stella* »

Savuti hat geschrieben: Fr 13. Jun 2025, 16:55 Ich selber habe noch kein Kind so richtig in der Pubertät.bei der Grossen startet es. Mir ist eine Aussage von einem Nachbar hängen geblieben: „ihm war die gute Beziehung wichtiger, als Regeln/Ämtli etc. durchzusetzen. Die Beziehung ist das was bleibt.“
Dieser Satz könnte von mir sein.

Mich stört eine schlechte Beziehung zu meinem Kind viel mehr als ein unordentliches Zimmer.

Wenn ich ohnehin schon am Putzen bin, reinige ich das Kinderzimmer gleich mit und stelle schmutziges Geschirr in die Küche. Vor dem Waschen sammle ich kurz die dreckigen Kleider im Zimmer ein. Ich merke einfach, dass ein Teenie mit so vielen anderen Dingen beschäftigt ist, dass solche Dinge einfach total unwichtig sind. Da ich weiss, dass mein Kind durchaus selber alles aufräumen/putzen kann (zB je nach bevorstehendem Besuch), mache ich mir über die Zukunft keine Sorgen. Das kommt sicher gut.

Anstatt immer über die gleichen Themen zu diskutieren, führen wir lieber gute Gespräche und verbringen schöne Momente zusammen. Ebenso stellt es mich auf, wenn ich merke, dass meinem Teenie meine Meinung zu gewissen Themen wichtig ist.

Genau das wird mir später in Erinnerung bleiben.

Geld ist bei unserem Teenie übrigens kein Thema. Das würde ich jedoch sonst sicher ansprechen und ev. einen Kostgeldbetrag einfordern (um diesen für den Teenie zu sparen). Als Diskussionsgrundlage gibt es online gute Vorlagen, die man unter Budgetberatung findet.

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