
Mein liebstes Plaudertäschli
Du hast Dich genauso unerwartet in unser Leben geschlichen wie Dein Bruder und wir haben uns genauso fest auf Dich gefreut. Die Schwangerschaft mit Dir war allerdings sehr viel anstrengender als die mit Deinem Bruder. Erst musste ich mich wochenlang übergeben, dann wegen Blutungen in der 20. Ssw kürzer treten (gar nicht so einfach mit einem kleinen Wirbelwind zu Hause, aber wir haben es irgendwie geschafft


Dein Bruder hatte es gar nicht eilig, die Welt kennen zu lernen, so dass nach neun Tagen über Termin wegen zu wenig Fruchtwasser eingeleitet wurde. Es folgten 36h heftigste Wehen und schlussendlich ein Notkaiserschnitt mit Vollnarkose, weil es ihm nach all den Strapazen gar nicht mehr gut ging (unser Sternguckerchen war total im Becken verkeilt). Ich war zwar traurig, dass es mit der Spontangeburt nicht geklappt hat, aber dennoch heilfroh, dass wir beide alles gesund überstanden haben.
Du bist ab Mitte der Schwangerschaft genauso fleissig gewachsen wie Dein Bruder, so dass Frauenärztin, Hebamme und die Ärzte im Spital mit ähnlichen Massen rechneten (4230gr, 54cm und Kopfumfang 37.5cm


Dein errechneter Termin war der 24. März. Weil dein Bruder sich so viel Zeit gelassen hat, hab ich nicht mit Deiner Geburt vor diesem Termin gerechnet. Die Tage davor habe ich regelrecht mit Terminen vollgestopft

Am 19. März bin ich mit deinem grossen Bruder und deiner Njanja ins Einkaufszentrum gefahren, wo er sich austoben und ich ein Geschenk für das Geburtstagsfest, zu dem wir am nächsten Tag eingeladen waren, besorgen konnte. Es hat geschüttet wie aus Eimern, drum sind wir erst kurz vor dem Znacht supermüde nach Hause gekommen. Dein Papa hat an diesem Samstag noch gearbeitet, wir haben uns drum beide auf einen ruhigen Abend gefreut und haben uns, nachdem dein Bruder im Bett war, vor den Fernseher gepflanzt. Gegen halb elf gingen wir ins Bett und wie jeden Abend in den letzten Wochen haben genau zu diesem Zeitpunkt die Wehen wieder angefangen. Nicht sehr schmerzhaft, aber doch so, dass ich nicht schlafen konnte. Die Frauenärztin hat mir für diese Fälle ein chmerzmittel "verordnet", damit ich trotzdem zu genügend Schlaf komme. Habe also so ein Tablettli mit schlechtem Gewissen eingeworfen und mich wieder hingelegt und auf das Sandmännchen gewartet. Doch statt schwächer wurden die Wehen stärker und stärker, so dass ich es nach einer guten Stunde im Bett nicht mehr ausgehalten habe. Nachdem ich eine Weile im Wohnzimmer umhergetigert bin, hab ich das Badewasser einlaufen lassen. Dein Papa muss das gehört haben, jedenfalls ist er schlaftrunken ins Badezimmer gewankt und meinte "liebevoll": "Hesch än Eggä ab, äs isch mittä i dä Nacht". Bevor ich etwas sagen konnte, war er bereits wieder im Bett. Die Wehen waren schon recht heftig, im warmen Wasser aber gut auszuhalten. Ich lag seit einer Stunde Wehe um Wehe veratmend und dazwischen leise mit dir plaudernd im Wasser, als plötzlich dein Papa ins Badezimmer gestürzt kam und fragte: "säg ämol, warum liegsch du denn i dä Badwannä, hesch öppä Wehä?"


Dort wurden wir gleich von zwei Hebammen in Empfang genommen, wir waren die einzigen und durften in den grossen Gebärsaal mit der Wanne. In die wäre ich auch am liebsten sofort gestiegen, an Land fand ich die Wehen inzwischen mehr als unaushaltbar. Zudem hatte ich Angst, mich auch bei dieser Geburt wieder ständig übergeben zu müssen. Doch zuerst wollten die Hebammen dem Muttermund kontrollieren und ein CTG schreiben, ich war stinksauer. Immerhin war der Muttermund schon vier Zentimeter geöffnet und mein Mann konnte durchsetzen, dass sie die Wanne wenigstens schon einmal volllaufen liessen. Leider hat das nichts mehr genützt, denn kurz, nachdem sie mich ans CTG angehängt hatten, bekam ich einen Wehensturm und die grosse Brecherei ging los. So halbwegs bekam ich mit, dass die Hebamme sich beim Legen des Zugangs x-mal verstochen hat und entnervt den Anästhesisten rief. Dass der den Zugang gelegt hat, hab ich nicht mitbekommen, und auch nicht, dass sie mir Wehenhemmer gespritzt haben. Ich war damit beschäftigt, Schüssel um Schüssel zu füllen und dazwischen irgendwie nach Luft zu schnappen. Für diesen Fall, den ich schon von der ersten Geburt her kannte, habe ich mit Deinem Papa ein Codewort verabredet, damit er die PDA durchsetzt. Nach einer gefüllten Ewigkeit kam der Narkosearzt ein zweites Mal und hat die PDA gesetzt, wofür ich zum Glück liegen bleiben konnte. Leider hat die PDA nur in den Beinen gewirkt. Also kam der Anästhesist ein drittes Mal und hat nochmals gestochen. Was für ein Segen, die Schmerzen und die Brecherei waren innerhalb von Minuten Vergangenheit und ich habe mit Erstaunen festgestellt, dass es inzwischen draussen hell war, die Uhr neun anzeigte und wir nach dem Schichtwechsel durch eine neue Hebamme betreut wurden





Zu dem See aus Fruchtwasser floss nun ein Bach aus Freudentränen über Deine Ankunft, über das gesunde Menschlein, dass da verwundert um sich guckte und kurz darauf empört schrie, über das Erlebnis einer spontanen Geburt. Was ich in diesem Moment empfunden habe, kann ich gar nicht in Worte fassen.... Dein Papa hat die Nabelschnur durchgeschnitten und ich hab dich auf meinen Bauch gelegt, wo du gleich die Brust gesucht und getrunken hast.
Grössen- und gewichtsmässig bist du übrigens nah an deinen Bruder rangekommen mit 3890gr, 53 cm und 36.5cm Kopfumfang

Mein liebstes Plaudertäschli, ich bin so stolz, dass wir uns trotz aller negativen Vorhersagen an die spontane Geburt gewagt haben und mit einem wunderbaren Erlebnis belohnt wurden. Du bist zusammen mit deinem Bruder unser grösstes Geschenk und wir sind unendlich stolz und dankbar, dich auf deinem Weg begleiten zu dürfen.
In Liebe, deine Mama