Wunder Geschehen...
Moderator: Phönix
Wunder Geschehen...
Jetzt ist es auf den Tag genau fünf Monate her, dass du das Licht der Welt erblickt hast.
Mir ist es, als wäre es erst gestern gewesen, denn ich erinnere mich noch ganz genau an die Tage, die vor deiner Geburt lagen.
Du hast am 26. Mai das Licht der Welt erblickt, und hast uns damit alle hoffnungslos überrumpelt…
Ich muss hier einen Tag vor deinem Geburtstag einsteigen. Denn alles fing am 25. Mai an.
Es war ein Sonntag und wir hatten ein kleines Grillfest geplant.
Am Nachmittag war ich ziemlich kaputt und legte ein kleines Mittagsschläfchen ein, während deine grosse Schwester das ihre machte. Nachts konnte ich schon länger nicht mehr so gut schlafen.
Später bereitete ich Salate und andere Kleinigkeiten für den Abend vor und spürte immer wieder recht kräftige Senkwehen. Allerdings war das nichts neues, denn die kamen nun schon ab und an.
An diesem Abend jedoch, traf ich eine prophetische Äusserung. Ich weiss noch genau, wie ich in unserer Küche stand und deinem Papa verkündete: „Die wartet keine drei Wochen mehr, darauf kannst du dich verlassen.“ Hätte ich gewusst, wie richtig ich lag.
Der Abend war schön. Deine grosse Schwester genoss die Abwechslung und blieb recht lange auf. Ich bekam sie schliesslich kaum ins Bett, so überdreht war sie.
Als sie endlich schlief fiel auch ich ins Bett, doch ich lag nur einige Minuten, als die Grosse laut zu weinen begann. Alle Bemühungen sie zu beruhigen schlugen fehl. Nach über einer Stunde gab ich mich geschlagen und nahm sie mit in unser Ehebett. Doch auch jetzt war nicht an Schlafen zu denken, denn nun begann unsere Maus zu erzählen und fand kein Ende mehr. Sie brabbelte und brabbelte und wälzte sich hin und her.
Es war gegen 3.00 Uhr Nachts, als ich schliesslich die Nase voll hatte. Ich erklärte der Grossen, dass nun endgültig genug sei, dass sie nun wieder in ihr eigenes Bett müsse und dass nun geschlafen wird. Basta!
Die Ansage zeigte Wirkung und ich konnte deine Schwester tatsächlich in ihr Bett verfrachten. Ich blieb noch eine halbe Stunde bei ihr, bis sie schliesslich tief atmete und ich mich leise aus dem Zimmer stahl. Kurz vor 4.00 Uhr liess ich mich schliesslich total erschöpft in mein Bett fallen und freute mich, jetzt endlich noch ein paar Stunden wohlverdienten Schlaf zu ergattern.
Hätte ich gewusst…
Die Wehe überraschte mich völlig.
Ich war gerade eingeschlafen, als mein Bauch hart wurde. Eine Empfindung, viel stärker als die Senkwehen der letzten Tage.
Und dann spürte ich das „Plopp“.
Dieses Ploppen, was mir so bekannt war. Diese kleine Explosion im Bauch, mit der auch die Geburt deiner Schwester, vor fast genau zwei Jahren ihren Anfang nahm.
Mit einem Satz war ich auf den Beinen und schaffte es gerade noch ins Bad und auf die Toilette zu hechten, bevor der erste Schwall Fruchtwasser abging.
Zu früh! Aber es ist doch noch viel zu früh!
Immer wieder schoss mir dieser Gedanke durch den Kopf.
Du hättest doch erst in über drei Wochen deinen Termin gehabt.
Ich brauchte einige Minuten um mich zu sammeln. Dann stopfte ich mir ein altes Badetuch zwischen die Beine und watschelte zurück ins Schlafzimmer, um deinen Papa zu wecken.
„Schatz, meine Fruchtblase ist geplatzt.“
Antwort: „Nein…“
„Schatz! Meine Fruchtblase ist geplatzt!“
Antwort:
„Neeeeeiiiiiin….“
„SCHATZ!!!“
Jetzt war der Papa wach und sofort auf den Beinen.
Während ich also wieder Stellung auf der Toilette bezog, rief er unsere Hebamme an.
Ursprünglich hatten wir eine Hausgeburt geplant. Doch diesen Zahn zog uns unsere Hebamme sofort. Keine Chance, viel zu früh. Für eine Hausgeburt hättest du noch mindestens zwei Wochen warten müssen. Sie wies uns stattdessen an, ins Spital zur Untersuchung zu fahren.
Tschüss, du Traum von einer Geburt in den eigenen vier Wänden.
Allerdings beschloss ich mich nicht zu beeilen. Von meiner ersten Geburt wusste ich nur zu gut, dass einiges an Zeit verstreichen konnte, zwischen Blasensprung und Geburt, und da ich bis auf diese eine Wehe völlig schmerzfrei wahr, stellte ich mich erstmal gemütlich unter die Dusche, während dein Papa das Grosi aus dem Schlaf klingelte, um sie zu bitten, sich auf den Weg zu uns zu machen. Denn sie sollte zur Grossen schauen.
Gegen 7.00 Uhr morgens machten wir uns schliesslich auf den Weg in das 30 Minuten weit entfernte Spital.
Ich ging um ehrlich zu sein davon aus, dass wir im Laufe des Nachmittags alles hinter uns hätten und wieder zu Hause wären.
Bei deiner grossen Schwester lagen zwischen dem Blasensprung und ihrer Ankunft etwa fünf Stunden. Ich war optimistisch, dass es bei dir vielleicht sogar noch etwas schneller gehen könnte.
Hätte ich gewusst…
Als wir im Spital ankamen legte man mich an das CTG. Ich sah nun schwarz auf weiss, was ich ohnehin schon längst wusste: Keine Wehen weit und breit.
Der Muttermund war knappe zwei Zentimeter geöffnet.
Als man mir das Resultat der Untersuchung verkündet hatte, wollte ich mich eigentlich augenblicklich auf dem Absatz umkehren und sofort nach Hause fahren. Aber unsere Hebamme stellte sich quer.
Bereits von meiner ersten Entbindung kannte man hier meine Neigung zu zackigen Geburtsverläufen.
Hinzu kam die recht weite Anreise, die wir zum Spital hatten. Das endgültige Argument lieferte aber schliesslich eine Baustelle auf der Strecke, die die Fahrtzeit mal eben um mögliche 20 min hätte verlängern können. Zeit, die wir, laut unserer Hebamme möglicherweise plötzlich nicht mehr hätten.
Hätten wir gewusst…
Wir beugten uns also dem Unvermeidlichen, und handelten ein Maximum an Bewegungsfreiheit für uns aus.
Im und rund ums Spital durfte ich mich jetzt frei bewegen. Ausserdem waren auch längere Spaziergänge gestattet, solang ich eine Begleitung dabei hatte. Wenn sich nichts tat, sollte ich einfach alle Stunde zur Kontrolle im Kreissaal vorbeischauen.
Kaum hatten wir unseren Freigang durchgesetzt, machten wir uns auch schon auf.
Dass wir das Babybettchen, welches seit einigen Tagen beim Händler zur Abholung bereit stand, noch nicht hatten holen können, erwähnte ich der Hebamme gegenüber nicht. Ebenso wenig die Tatsache, dass wir uns, kaum hatten wir den Kreissaal verlassen, schnurstracks auf den Weg zu unserem Auto machten.
Für die Fahrt zum Babymarkt und zurück würden wir eine gute Stunde brauchen. Wir mussten uns also sputen, sollte unsere unerlaubte Flucht nicht auffallen.
Knappe 1 ½ Stunden später hing ich wieder – etwas abgehetzt – brav an meinem CTG.
Auch das Kistenschleppen mit geplatzter Fruchtblase hat dich nicht sonderlich beeindruckt.
Wehen hatte ich also immer noch keine, aber dafür wenigstens dein Babybettchen im Kofferraum…
Die restliche Zeit bis zum Mittag vertrieben wir uns nun artig mit Spaziergängen.
Irgendwann assen dein Papa und ich gemeinsam Mittag und dann überfiel mich eine bleierne Müdigkeit.
Die schlaflose vergangen Nacht holte mich nun ebenso ein, wie die Aufregung im Morgengrauen.
Ich rollte mich also auf dem gemütlichen Gebärbett zusammen, für ein Mittagsschläfchen.
Dein Papa machte sich derweil auf den Heimweg. Hier verpasste er nämlich gar nichts.
Schliesslich musste dein Bettchen zu Hause ja auch noch aufgebaut werden. Ausserdem fand am Nachmittag eine Sitzung statt, der dein Papa nur sehr ungern fernbleiben wollte. Warum sollte nicht wenigstens einer von uns die Wartezeit sinnvoll nutzten können?
Er nahm mir also das Versprechen ab, dass ich ihm beim kleinsten Ziepen sofort unterrichten würde und versprach seinerseits, am Abend wiederzukommen, wenn er die Grosse zuhause satt und im Bett hätte.
Dann blieben du und ich alleine zurück und suchten vergeblich nach ein bisschen Schlaf.
Nachdem ich mich einige Zeit lang von einer auf die andere Seite gewälzt hatte, gab ich das Unterfangen schliesslich auf. Stattdessen telefonierte ich eine Freundin herbei, die mir Gesellschaft leisten sollte. Schliesslich durfte ich das Spitalgelände alleine nicht verlassen, und es zog mich schon wieder nach Draussen.
Als mein Geleitschutz eingetroffen war, machten wir uns auf der Stelle auf.
So verging der Nachmittag mit Spazieren, Kaffeetrinken und Weiberklatsch.
Da meine Freundin ebenfalls schwanger war – sie entband genau zwei Monate nach mir ihren Sohn- unterzogen wir ausserdem den kompletten Kreissaal einer ausgiebigen Gütekontrolle.
Gegen 18.00 Uhr betrat dann die diensthabende Ärztin „unser Reich“.
Sie eröffnete mir, dass nun, nach über 12 Stunden mit gesprungener Blase, die übliche Wartezeit abgelaufen sei, die sie Mutter und Kind einräumten, um selbstständig Wehen zu entwickeln.
Die künstliche Einleitung sei nun zu empfehlen.
Und mir war augenblicklich klar: Nicht mit mir!
Nein. Bei uns würde ganz sicher niemand irgendwas einleiten. Ich lehnte dankend ab und erklärte, dass ich auf mindestens 36 Stunden Zeit bestünde, notfalls auch mit einer schriftlichen Einwilligung, in der ich erklärte, gegen den ausdrücklichen Rat der Ärzte zu handeln.
Solange es meinem Baby und mir gutginge, lehnte ich jede Art der künstlichen Einleitung konsequent ab.
Die Ärztin räumte schliesslich das Feld, betonte jedoch ausdrücklich, dass man bei der kleinsten Anomalie sofort mit der Einleitung beginnen würde.
Meine Hebamme unterstützte meine Entscheidung vorbehaltlos. Auch sie war der Ansicht, dass eine künstliche Oxytocingabe überstürzt war. Doch auch sie wies ausdrücklich darauf hin, dass unsere Uhr nun tickte. Schliesslich kam von ihr der Vorschlag zum Kompromiss.
Ein altes Hebammenhausmittel sollte helfen.
Gegen 18.30 Uhr schlürfte ich schliesslich einen leckeren Wehencocktail, aus Orangensaft und Verbene, verfeinert mit einem Schuss Sekt und etwas Rizinusöl. Dieser Trunk sollte nun meinen Darm anregen, was wiederrum die Gebärmutter stimulieren soll. Ausserdem sollte er die Durchblutung in eben dieser anregen und so die Wehen in Gang bringen.
Laut unserer Hebamme zeige dieser Drink bei 90% aller mehrfach Gebärenden eine durchschlagende Wirkung.
Ha! Wäre doch gelacht, wenn wir zu den restlichen 10% gehören würden…
Um 19.00 Uhr kam der Papa schliesslich wieder zu uns ins Spital. Zu Hause sei alles gut, die Grosse im Bett, das Grosi wieder da.
Bei mir…Nichts…
Wir starteten also zu einem erneuten Spaziergang und liefen plaudernd unsere, inzwischen altbekannte Route.
Einer Sache waren wir uns nun ganz gewiss.
Der Geburtstag unserer Tochter würde der 27.05. werden, denn heute, das war uns klar, würde sie es auf keinen Fall mehr auf diese Welt schaffen. Schliesslich war es inzwischen bereits nach 20.00 Uhr. Bis Mitternacht war das nun nicht mehr zu schaffen, hatte es ja bisher noch nicht mal angefangen.
Hätten wir gewusst…
Die Zeit verging, und mich packte eine immer stärker werdende innere Unruhe. Nach Nachtessen stand mir nicht mehr der Sinn und so leistete ich meinem Mann und meiner Freundin nur Gesellschaft, als diese sich gegen 21.00 Uhr ein spätes Nachtessen in der Cafeteria gönnten.
Ich biss gerade lustlos in ein Stück Peperoni, als es begann.
Ein ganz leichtes Ziepen nur, dann wurde mein Bauch plötzlich hart und aus dem Ziepen wurde ein Ziehen das immer stärker wurde, dann wieder abschwächte und vorbei war es.
Eine Wehe! Ich war mir ganz sicher. Das war die erste Wehe!
An unserem Tisch brach spontaner Jubel aus, und während wir noch über die Wehen fördernde Wirkung homöopathischer Dosen Peperoni fachsimpelten, wiederholte sich bei mir das Schauspiel bereits erneut.
Die kommen aber häufig, dachte ich noch, als wir unsere Freundin verabschiedeten und uns auf den Weg in den Kreissaal machten, um Bericht zu erstatten.
Dort erwartete mich leider eine schlechte Nachricht.
Da du nun schon seit 16 Stunden trocken lagst, war es für die Ärztin nun keine Diskussion mehr,
mit der Gabe von Antibiotika zu beginnen. Auch meine erfreuliche Nachricht über erste Wehen konnte sie nicht davon abbringen, denn noch immer war mein Muttermund bei gut zwei Zentimetern.
Ein paar Wehen würden noch keine Geburt machen, sagte sie.
Wenn die gewusst hätte…
Ich ergab mich also, und liess mir die Infusion legen. Während der nächsten 20 Minuten tröpfelte nun die Antibiotikalösung in meinen Handrücken, während das CTG meine Wehen aufzeichnete.
Alle drei bis fünf Minuten kamen nun die Kontraktionen, die ich artig, auf einem Gymnastikball hüpfend veratmete.
An dieser Stelle ein Hoch auf Mobile CTG-Geräte, denn an ein liegen, gefesselt durch Kabel, wäre für mich nicht zu denken gewesen.
Als ich schliesslich von der Nadel durfte, rangen der Papa und ich der Hebamme noch einen letzten Spaziergang ab. Ich musste unbedingt nochmal an die frische Luft.
Doch kaum hatten wir das Krankenhaus verlassen rollte die nächsten Wehe an und nur einige Meter weiter eine Zweite.
Unser Spaziergang viel etwas kürzer aus, als geplant. Wir umrundeten nur das Spital und machten uns recht schnell wieder auf den Weg in den Kreissaal. Auf der Treppe zur Entbindungsstation – Aufzüge sind was für Kranke- schwappte die nächste Welle über mich hinweg. Und diese riss mich nun fast mit sich fort.
Mit Müh und Not konnte ich mich auf den Beinen halten, indem ich mich mit aller Kraft an das Treppengeländer klammerte. Es war 21.45 Uhr.
Im Kreissaal schaffte ich es bis auf die Toilette, ehe mich die nächste Wehe packte. Erst nach einer gefühlten Ewigkeit schaffte ich es, mich wieder aufzurappeln und mich vom WC bis zum Mayahocker zu hangeln, vor dem ich mich auf die Knie sinken liess.
Auf allen Vieren, meine Hebamme neben mir, klammerte ich mich nun am Hocker fest und atmete und atmete, während warmes Wasser in die grosse Gebärwanne plätscherte und sanfter Lavendelduft den Raum erfüllte.
Das der Papa fehlte war mir gar nicht aufgefallen, hatte ich doch genug mit mir selber zu tun.
Erst als die Hebamme mich zögerlich nach meinem Mann fragte, realisierte ich, dass ich ihn schon länger nicht mehr gesehen hatte.
Als bei der nächsten Wehe ein unwiderstehlicher Druck nach unten dazukam konnte ich es kaum glauben.
Jetzt schon?
Auch die Hebamme hatte den Unterschied bemerkt.
„Kann es sein, dass du schon pressen musst?“, fragte sie mich und ich konnte nur nicken.
„Sollen wir deinen Mann vielleicht schnell anrufen und fragen wo er steckt?“
Gute Idee eigentlich, doch wie verflixt nochmal war denn nur die Handynummer???
Wir einigten uns schliesslich darauf, dass eine Schwester von der Wochenbettstation ausgesandt werden sollte, den Papa zu suchen.
Gott sei Dank war diese schon nach wenigen Minuten erfolgreich.
Man hatte ihn auf der Patiententoilette ausfindig gemacht. Anscheinend war er der Meinung, dort noch schnell ein paar E-Mails beantworten zu können.
Männer…
Nachdem nun also wieder alle Beteiligten in einem Raum waren, halfen mir die Hebamme und der Papa aus meinen Kleidern und wuchteten mich in die Badewanne.
Kaum hatten meine Füsse das warme Wasser berührt, zwang mich auch schon die nächste Welle in die Knie. Ich liess mich fallen, wo ich gerade war und konzentrierte mich ganz auf diese unendlich starke Empfindung. Ja, es war so weit, du wolltest raus. Jetzt!
Unter der nächsten Wehe kontrollierte unsere Hebamme den Muttermund und bestätigte erstaunt, was ich schon längst wusste. Der Weg war frei, du warst bereit.
Der Muttermund hatte sich binnen 1 ½ Stunden völlig geöffnet.
Es war ca. 22.45 Uhr, als ich mich meinen Wehen endlich hingab und dich mit all meiner Kraft nach unten zu drücken begann. Jetzt durfte ich etwas tun, die Gefühle waren überwältigend.
Als die Hebamme meine Hand fasste und sie mir zwischen die Beine legte konnte ich es kaum fassen.
Da warst du. Dein Köpfchen. Deine weichen Haare.
Nach jeder Wehe zogst du dich wieder ein kleines Stückchen zurück, als wollest du mich necken. Aber ich konnte nicht mehr aufhören dich zu berühren. Ich streichelte dich sanft, redete dir mit zärtlichen Berührungen gut zu. Ich war ganz bei dir, die Welt um uns existierte nicht mehr.
Mit der nächsten Wehe glitt dein Köpfchen nun ganz heraus.
Weich und warm lag es in meiner Hand.
Ich hätte dich so gerne selber in Empfang genommen, doch unsre Hebamme erklärte uns kurz, dass du dir die Nabelschnur einige male um den Hals geschlungen hättest.
Sie müsste dich während des Herausgleitens entwirren, daher würde ich dich leider nicht in meine eigenen Hände gebären können.
Die nächste Wehe kam. Ich schob mit aller Kraft. Die Spannung war unerträglich und dann liess sie plötzlich nach und mit einer weichen Bewegung glittest du ins warme Wasser.
26.Mai 2014.
23.08 Uhr.
Eine schnelle, geübte Drehung der Hebamme befreite dich von der Nebelschnurrschlinge und schon lagst du auf meiner Brust.
Du und ich, im herrlich warmen Wasser und um uns herum, nichts mehr.
Ein 3050gr leichtes Bündel. 50cm Leben.
Ich werde nie vergessen, wie ich dich das erste Mal an mich drückte. Werde nie vergessen, wie ich dich betrachtete, und unter Tränen nur stammelte: „Die ist so klein. Mein Gott ist sie klein.“
Ich weinte wie ein Schlosshund. Schluchzte wie ein kleines Kind in deinen Armen.
Ich schnupperte an dir und sah dir tief in deine unendlich weisen Augen.
Alle Geheimnisse dieses Universums schienen dir bekannt. Du wusstest so unendlich viel mehr als ich, als wir alle.
Diese Tiefe in deinem Blick, dieses Göttliche in deinen Augen.
Ein Wink, ein Kuss, von ganz weit oben…
Gottes Hand hat uns in dieser Nacht gestreichelt. Und ich danke ihm für das Wunder, das er uns in jener Nacht geschenkt hat.
Mir ist es, als wäre es erst gestern gewesen, denn ich erinnere mich noch ganz genau an die Tage, die vor deiner Geburt lagen.
Du hast am 26. Mai das Licht der Welt erblickt, und hast uns damit alle hoffnungslos überrumpelt…
Ich muss hier einen Tag vor deinem Geburtstag einsteigen. Denn alles fing am 25. Mai an.
Es war ein Sonntag und wir hatten ein kleines Grillfest geplant.
Am Nachmittag war ich ziemlich kaputt und legte ein kleines Mittagsschläfchen ein, während deine grosse Schwester das ihre machte. Nachts konnte ich schon länger nicht mehr so gut schlafen.
Später bereitete ich Salate und andere Kleinigkeiten für den Abend vor und spürte immer wieder recht kräftige Senkwehen. Allerdings war das nichts neues, denn die kamen nun schon ab und an.
An diesem Abend jedoch, traf ich eine prophetische Äusserung. Ich weiss noch genau, wie ich in unserer Küche stand und deinem Papa verkündete: „Die wartet keine drei Wochen mehr, darauf kannst du dich verlassen.“ Hätte ich gewusst, wie richtig ich lag.
Der Abend war schön. Deine grosse Schwester genoss die Abwechslung und blieb recht lange auf. Ich bekam sie schliesslich kaum ins Bett, so überdreht war sie.
Als sie endlich schlief fiel auch ich ins Bett, doch ich lag nur einige Minuten, als die Grosse laut zu weinen begann. Alle Bemühungen sie zu beruhigen schlugen fehl. Nach über einer Stunde gab ich mich geschlagen und nahm sie mit in unser Ehebett. Doch auch jetzt war nicht an Schlafen zu denken, denn nun begann unsere Maus zu erzählen und fand kein Ende mehr. Sie brabbelte und brabbelte und wälzte sich hin und her.
Es war gegen 3.00 Uhr Nachts, als ich schliesslich die Nase voll hatte. Ich erklärte der Grossen, dass nun endgültig genug sei, dass sie nun wieder in ihr eigenes Bett müsse und dass nun geschlafen wird. Basta!
Die Ansage zeigte Wirkung und ich konnte deine Schwester tatsächlich in ihr Bett verfrachten. Ich blieb noch eine halbe Stunde bei ihr, bis sie schliesslich tief atmete und ich mich leise aus dem Zimmer stahl. Kurz vor 4.00 Uhr liess ich mich schliesslich total erschöpft in mein Bett fallen und freute mich, jetzt endlich noch ein paar Stunden wohlverdienten Schlaf zu ergattern.
Hätte ich gewusst…
Die Wehe überraschte mich völlig.
Ich war gerade eingeschlafen, als mein Bauch hart wurde. Eine Empfindung, viel stärker als die Senkwehen der letzten Tage.
Und dann spürte ich das „Plopp“.
Dieses Ploppen, was mir so bekannt war. Diese kleine Explosion im Bauch, mit der auch die Geburt deiner Schwester, vor fast genau zwei Jahren ihren Anfang nahm.
Mit einem Satz war ich auf den Beinen und schaffte es gerade noch ins Bad und auf die Toilette zu hechten, bevor der erste Schwall Fruchtwasser abging.
Zu früh! Aber es ist doch noch viel zu früh!
Immer wieder schoss mir dieser Gedanke durch den Kopf.
Du hättest doch erst in über drei Wochen deinen Termin gehabt.
Ich brauchte einige Minuten um mich zu sammeln. Dann stopfte ich mir ein altes Badetuch zwischen die Beine und watschelte zurück ins Schlafzimmer, um deinen Papa zu wecken.
„Schatz, meine Fruchtblase ist geplatzt.“
Antwort: „Nein…“
„Schatz! Meine Fruchtblase ist geplatzt!“
Antwort:
„Neeeeeiiiiiin….“
„SCHATZ!!!“
Jetzt war der Papa wach und sofort auf den Beinen.
Während ich also wieder Stellung auf der Toilette bezog, rief er unsere Hebamme an.
Ursprünglich hatten wir eine Hausgeburt geplant. Doch diesen Zahn zog uns unsere Hebamme sofort. Keine Chance, viel zu früh. Für eine Hausgeburt hättest du noch mindestens zwei Wochen warten müssen. Sie wies uns stattdessen an, ins Spital zur Untersuchung zu fahren.
Tschüss, du Traum von einer Geburt in den eigenen vier Wänden.
Allerdings beschloss ich mich nicht zu beeilen. Von meiner ersten Geburt wusste ich nur zu gut, dass einiges an Zeit verstreichen konnte, zwischen Blasensprung und Geburt, und da ich bis auf diese eine Wehe völlig schmerzfrei wahr, stellte ich mich erstmal gemütlich unter die Dusche, während dein Papa das Grosi aus dem Schlaf klingelte, um sie zu bitten, sich auf den Weg zu uns zu machen. Denn sie sollte zur Grossen schauen.
Gegen 7.00 Uhr morgens machten wir uns schliesslich auf den Weg in das 30 Minuten weit entfernte Spital.
Ich ging um ehrlich zu sein davon aus, dass wir im Laufe des Nachmittags alles hinter uns hätten und wieder zu Hause wären.
Bei deiner grossen Schwester lagen zwischen dem Blasensprung und ihrer Ankunft etwa fünf Stunden. Ich war optimistisch, dass es bei dir vielleicht sogar noch etwas schneller gehen könnte.
Hätte ich gewusst…
Als wir im Spital ankamen legte man mich an das CTG. Ich sah nun schwarz auf weiss, was ich ohnehin schon längst wusste: Keine Wehen weit und breit.
Der Muttermund war knappe zwei Zentimeter geöffnet.
Als man mir das Resultat der Untersuchung verkündet hatte, wollte ich mich eigentlich augenblicklich auf dem Absatz umkehren und sofort nach Hause fahren. Aber unsere Hebamme stellte sich quer.
Bereits von meiner ersten Entbindung kannte man hier meine Neigung zu zackigen Geburtsverläufen.
Hinzu kam die recht weite Anreise, die wir zum Spital hatten. Das endgültige Argument lieferte aber schliesslich eine Baustelle auf der Strecke, die die Fahrtzeit mal eben um mögliche 20 min hätte verlängern können. Zeit, die wir, laut unserer Hebamme möglicherweise plötzlich nicht mehr hätten.
Hätten wir gewusst…
Wir beugten uns also dem Unvermeidlichen, und handelten ein Maximum an Bewegungsfreiheit für uns aus.
Im und rund ums Spital durfte ich mich jetzt frei bewegen. Ausserdem waren auch längere Spaziergänge gestattet, solang ich eine Begleitung dabei hatte. Wenn sich nichts tat, sollte ich einfach alle Stunde zur Kontrolle im Kreissaal vorbeischauen.
Kaum hatten wir unseren Freigang durchgesetzt, machten wir uns auch schon auf.
Dass wir das Babybettchen, welches seit einigen Tagen beim Händler zur Abholung bereit stand, noch nicht hatten holen können, erwähnte ich der Hebamme gegenüber nicht. Ebenso wenig die Tatsache, dass wir uns, kaum hatten wir den Kreissaal verlassen, schnurstracks auf den Weg zu unserem Auto machten.
Für die Fahrt zum Babymarkt und zurück würden wir eine gute Stunde brauchen. Wir mussten uns also sputen, sollte unsere unerlaubte Flucht nicht auffallen.
Knappe 1 ½ Stunden später hing ich wieder – etwas abgehetzt – brav an meinem CTG.
Auch das Kistenschleppen mit geplatzter Fruchtblase hat dich nicht sonderlich beeindruckt.
Wehen hatte ich also immer noch keine, aber dafür wenigstens dein Babybettchen im Kofferraum…
Die restliche Zeit bis zum Mittag vertrieben wir uns nun artig mit Spaziergängen.
Irgendwann assen dein Papa und ich gemeinsam Mittag und dann überfiel mich eine bleierne Müdigkeit.
Die schlaflose vergangen Nacht holte mich nun ebenso ein, wie die Aufregung im Morgengrauen.
Ich rollte mich also auf dem gemütlichen Gebärbett zusammen, für ein Mittagsschläfchen.
Dein Papa machte sich derweil auf den Heimweg. Hier verpasste er nämlich gar nichts.
Schliesslich musste dein Bettchen zu Hause ja auch noch aufgebaut werden. Ausserdem fand am Nachmittag eine Sitzung statt, der dein Papa nur sehr ungern fernbleiben wollte. Warum sollte nicht wenigstens einer von uns die Wartezeit sinnvoll nutzten können?
Er nahm mir also das Versprechen ab, dass ich ihm beim kleinsten Ziepen sofort unterrichten würde und versprach seinerseits, am Abend wiederzukommen, wenn er die Grosse zuhause satt und im Bett hätte.
Dann blieben du und ich alleine zurück und suchten vergeblich nach ein bisschen Schlaf.
Nachdem ich mich einige Zeit lang von einer auf die andere Seite gewälzt hatte, gab ich das Unterfangen schliesslich auf. Stattdessen telefonierte ich eine Freundin herbei, die mir Gesellschaft leisten sollte. Schliesslich durfte ich das Spitalgelände alleine nicht verlassen, und es zog mich schon wieder nach Draussen.
Als mein Geleitschutz eingetroffen war, machten wir uns auf der Stelle auf.
So verging der Nachmittag mit Spazieren, Kaffeetrinken und Weiberklatsch.
Da meine Freundin ebenfalls schwanger war – sie entband genau zwei Monate nach mir ihren Sohn- unterzogen wir ausserdem den kompletten Kreissaal einer ausgiebigen Gütekontrolle.
Gegen 18.00 Uhr betrat dann die diensthabende Ärztin „unser Reich“.
Sie eröffnete mir, dass nun, nach über 12 Stunden mit gesprungener Blase, die übliche Wartezeit abgelaufen sei, die sie Mutter und Kind einräumten, um selbstständig Wehen zu entwickeln.
Die künstliche Einleitung sei nun zu empfehlen.
Und mir war augenblicklich klar: Nicht mit mir!
Nein. Bei uns würde ganz sicher niemand irgendwas einleiten. Ich lehnte dankend ab und erklärte, dass ich auf mindestens 36 Stunden Zeit bestünde, notfalls auch mit einer schriftlichen Einwilligung, in der ich erklärte, gegen den ausdrücklichen Rat der Ärzte zu handeln.
Solange es meinem Baby und mir gutginge, lehnte ich jede Art der künstlichen Einleitung konsequent ab.
Die Ärztin räumte schliesslich das Feld, betonte jedoch ausdrücklich, dass man bei der kleinsten Anomalie sofort mit der Einleitung beginnen würde.
Meine Hebamme unterstützte meine Entscheidung vorbehaltlos. Auch sie war der Ansicht, dass eine künstliche Oxytocingabe überstürzt war. Doch auch sie wies ausdrücklich darauf hin, dass unsere Uhr nun tickte. Schliesslich kam von ihr der Vorschlag zum Kompromiss.
Ein altes Hebammenhausmittel sollte helfen.
Gegen 18.30 Uhr schlürfte ich schliesslich einen leckeren Wehencocktail, aus Orangensaft und Verbene, verfeinert mit einem Schuss Sekt und etwas Rizinusöl. Dieser Trunk sollte nun meinen Darm anregen, was wiederrum die Gebärmutter stimulieren soll. Ausserdem sollte er die Durchblutung in eben dieser anregen und so die Wehen in Gang bringen.
Laut unserer Hebamme zeige dieser Drink bei 90% aller mehrfach Gebärenden eine durchschlagende Wirkung.
Ha! Wäre doch gelacht, wenn wir zu den restlichen 10% gehören würden…
Um 19.00 Uhr kam der Papa schliesslich wieder zu uns ins Spital. Zu Hause sei alles gut, die Grosse im Bett, das Grosi wieder da.
Bei mir…Nichts…
Wir starteten also zu einem erneuten Spaziergang und liefen plaudernd unsere, inzwischen altbekannte Route.
Einer Sache waren wir uns nun ganz gewiss.
Der Geburtstag unserer Tochter würde der 27.05. werden, denn heute, das war uns klar, würde sie es auf keinen Fall mehr auf diese Welt schaffen. Schliesslich war es inzwischen bereits nach 20.00 Uhr. Bis Mitternacht war das nun nicht mehr zu schaffen, hatte es ja bisher noch nicht mal angefangen.
Hätten wir gewusst…
Die Zeit verging, und mich packte eine immer stärker werdende innere Unruhe. Nach Nachtessen stand mir nicht mehr der Sinn und so leistete ich meinem Mann und meiner Freundin nur Gesellschaft, als diese sich gegen 21.00 Uhr ein spätes Nachtessen in der Cafeteria gönnten.
Ich biss gerade lustlos in ein Stück Peperoni, als es begann.
Ein ganz leichtes Ziepen nur, dann wurde mein Bauch plötzlich hart und aus dem Ziepen wurde ein Ziehen das immer stärker wurde, dann wieder abschwächte und vorbei war es.
Eine Wehe! Ich war mir ganz sicher. Das war die erste Wehe!
An unserem Tisch brach spontaner Jubel aus, und während wir noch über die Wehen fördernde Wirkung homöopathischer Dosen Peperoni fachsimpelten, wiederholte sich bei mir das Schauspiel bereits erneut.
Die kommen aber häufig, dachte ich noch, als wir unsere Freundin verabschiedeten und uns auf den Weg in den Kreissaal machten, um Bericht zu erstatten.
Dort erwartete mich leider eine schlechte Nachricht.
Da du nun schon seit 16 Stunden trocken lagst, war es für die Ärztin nun keine Diskussion mehr,
mit der Gabe von Antibiotika zu beginnen. Auch meine erfreuliche Nachricht über erste Wehen konnte sie nicht davon abbringen, denn noch immer war mein Muttermund bei gut zwei Zentimetern.
Ein paar Wehen würden noch keine Geburt machen, sagte sie.
Wenn die gewusst hätte…
Ich ergab mich also, und liess mir die Infusion legen. Während der nächsten 20 Minuten tröpfelte nun die Antibiotikalösung in meinen Handrücken, während das CTG meine Wehen aufzeichnete.
Alle drei bis fünf Minuten kamen nun die Kontraktionen, die ich artig, auf einem Gymnastikball hüpfend veratmete.
An dieser Stelle ein Hoch auf Mobile CTG-Geräte, denn an ein liegen, gefesselt durch Kabel, wäre für mich nicht zu denken gewesen.
Als ich schliesslich von der Nadel durfte, rangen der Papa und ich der Hebamme noch einen letzten Spaziergang ab. Ich musste unbedingt nochmal an die frische Luft.
Doch kaum hatten wir das Krankenhaus verlassen rollte die nächsten Wehe an und nur einige Meter weiter eine Zweite.
Unser Spaziergang viel etwas kürzer aus, als geplant. Wir umrundeten nur das Spital und machten uns recht schnell wieder auf den Weg in den Kreissaal. Auf der Treppe zur Entbindungsstation – Aufzüge sind was für Kranke- schwappte die nächste Welle über mich hinweg. Und diese riss mich nun fast mit sich fort.
Mit Müh und Not konnte ich mich auf den Beinen halten, indem ich mich mit aller Kraft an das Treppengeländer klammerte. Es war 21.45 Uhr.
Im Kreissaal schaffte ich es bis auf die Toilette, ehe mich die nächste Wehe packte. Erst nach einer gefühlten Ewigkeit schaffte ich es, mich wieder aufzurappeln und mich vom WC bis zum Mayahocker zu hangeln, vor dem ich mich auf die Knie sinken liess.
Auf allen Vieren, meine Hebamme neben mir, klammerte ich mich nun am Hocker fest und atmete und atmete, während warmes Wasser in die grosse Gebärwanne plätscherte und sanfter Lavendelduft den Raum erfüllte.
Das der Papa fehlte war mir gar nicht aufgefallen, hatte ich doch genug mit mir selber zu tun.
Erst als die Hebamme mich zögerlich nach meinem Mann fragte, realisierte ich, dass ich ihn schon länger nicht mehr gesehen hatte.
Als bei der nächsten Wehe ein unwiderstehlicher Druck nach unten dazukam konnte ich es kaum glauben.
Jetzt schon?
Auch die Hebamme hatte den Unterschied bemerkt.
„Kann es sein, dass du schon pressen musst?“, fragte sie mich und ich konnte nur nicken.
„Sollen wir deinen Mann vielleicht schnell anrufen und fragen wo er steckt?“
Gute Idee eigentlich, doch wie verflixt nochmal war denn nur die Handynummer???
Wir einigten uns schliesslich darauf, dass eine Schwester von der Wochenbettstation ausgesandt werden sollte, den Papa zu suchen.
Gott sei Dank war diese schon nach wenigen Minuten erfolgreich.
Man hatte ihn auf der Patiententoilette ausfindig gemacht. Anscheinend war er der Meinung, dort noch schnell ein paar E-Mails beantworten zu können.
Männer…
Nachdem nun also wieder alle Beteiligten in einem Raum waren, halfen mir die Hebamme und der Papa aus meinen Kleidern und wuchteten mich in die Badewanne.
Kaum hatten meine Füsse das warme Wasser berührt, zwang mich auch schon die nächste Welle in die Knie. Ich liess mich fallen, wo ich gerade war und konzentrierte mich ganz auf diese unendlich starke Empfindung. Ja, es war so weit, du wolltest raus. Jetzt!
Unter der nächsten Wehe kontrollierte unsere Hebamme den Muttermund und bestätigte erstaunt, was ich schon längst wusste. Der Weg war frei, du warst bereit.
Der Muttermund hatte sich binnen 1 ½ Stunden völlig geöffnet.
Es war ca. 22.45 Uhr, als ich mich meinen Wehen endlich hingab und dich mit all meiner Kraft nach unten zu drücken begann. Jetzt durfte ich etwas tun, die Gefühle waren überwältigend.
Als die Hebamme meine Hand fasste und sie mir zwischen die Beine legte konnte ich es kaum fassen.
Da warst du. Dein Köpfchen. Deine weichen Haare.
Nach jeder Wehe zogst du dich wieder ein kleines Stückchen zurück, als wollest du mich necken. Aber ich konnte nicht mehr aufhören dich zu berühren. Ich streichelte dich sanft, redete dir mit zärtlichen Berührungen gut zu. Ich war ganz bei dir, die Welt um uns existierte nicht mehr.
Mit der nächsten Wehe glitt dein Köpfchen nun ganz heraus.
Weich und warm lag es in meiner Hand.
Ich hätte dich so gerne selber in Empfang genommen, doch unsre Hebamme erklärte uns kurz, dass du dir die Nabelschnur einige male um den Hals geschlungen hättest.
Sie müsste dich während des Herausgleitens entwirren, daher würde ich dich leider nicht in meine eigenen Hände gebären können.
Die nächste Wehe kam. Ich schob mit aller Kraft. Die Spannung war unerträglich und dann liess sie plötzlich nach und mit einer weichen Bewegung glittest du ins warme Wasser.
26.Mai 2014.
23.08 Uhr.
Eine schnelle, geübte Drehung der Hebamme befreite dich von der Nebelschnurrschlinge und schon lagst du auf meiner Brust.
Du und ich, im herrlich warmen Wasser und um uns herum, nichts mehr.
Ein 3050gr leichtes Bündel. 50cm Leben.
Ich werde nie vergessen, wie ich dich das erste Mal an mich drückte. Werde nie vergessen, wie ich dich betrachtete, und unter Tränen nur stammelte: „Die ist so klein. Mein Gott ist sie klein.“
Ich weinte wie ein Schlosshund. Schluchzte wie ein kleines Kind in deinen Armen.
Ich schnupperte an dir und sah dir tief in deine unendlich weisen Augen.
Alle Geheimnisse dieses Universums schienen dir bekannt. Du wusstest so unendlich viel mehr als ich, als wir alle.
Diese Tiefe in deinem Blick, dieses Göttliche in deinen Augen.
Ein Wink, ein Kuss, von ganz weit oben…
Gottes Hand hat uns in dieser Nacht gestreichelt. Und ich danke ihm für das Wunder, das er uns in jener Nacht geschenkt hat.
Zuletzt geändert von Fritzi am Fr 2. Dez 2016, 16:55, insgesamt 1-mal geändert.
Re: Wunder Geschehen...
Der letzte Abschnitt ist...
...wow, einfach nur wow!!
Herzliche Gratulation zum kleinen riesengrossen Wunder!
Jamiro
...wow, einfach nur wow!!
Herzliche Gratulation zum kleinen riesengrossen Wunder!
Jamiro
Re: Wunder Geschehen...
Danke
Unglaublich, dass überhaupt jemand bis zum Ende gelesen hat. Ist ein bisschen lang geworden...
Habe den Text aber auch nicht in erster Linie fürs Forum verfasst, sondern für meine Tochter selber. Vielleicht mal als Lektüre, wenn sie selber dabei ist mein Enkelkind auszubrüten

Unglaublich, dass überhaupt jemand bis zum Ende gelesen hat. Ist ein bisschen lang geworden...
Habe den Text aber auch nicht in erster Linie fürs Forum verfasst, sondern für meine Tochter selber. Vielleicht mal als Lektüre, wenn sie selber dabei ist mein Enkelkind auszubrüten

- big_girl
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Re: Wunder Geschehen...
Ein wunderschoener bericht!
Hab traenen in den augen...
Danke, dass du ihn mit uns teilst...
Alles gute zu 4.!!!
Hab traenen in den augen...
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Alles gute zu 4.!!!


- Krambambuli
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Re: Wunder Geschehen...
Wunderschöner Bericht ! Hat mich sehr berührt.......
Alles alles Gute weiterhin !
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Re: Wunder Geschehen...
Danke für deinen Bericht. Ist toll geschrieben. Jede Geburt und jedes Kind ist so einzigartig, ein solches Wunder, für das man einfach nur dankbar sein kann.
Ich habe auch für alle meine Kinder einen SS- und Geburtsbericht geschrieben (einer ist hier veröffentlicht), damit sie später einmal lesen können, wie sie zur Welt kamen. Denke, gerade für die Mädchen ist das spannend...
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Re: Wunder Geschehen...
Danke für deinen Bericht. Ist toll geschrieben. Jede Geburt und jedes Kind ist so einzigartig, ein solches Wunder, für das man einfach nur dankbar sein kann.
Ich habe auch für alle meine Kinder einen SS- und Geburtsbericht geschrieben (einer ist hier veröffentlicht), damit sie später einmal lesen können, wie sie zur Welt kamen. Denke, gerade für die Mädchen ist das spannend...
Ich habe auch für alle meine Kinder einen SS- und Geburtsbericht geschrieben (einer ist hier veröffentlicht), damit sie später einmal lesen können, wie sie zur Welt kamen. Denke, gerade für die Mädchen ist das spannend...