Ein krönender Abschluss...

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Fiona1980
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Ein krönender Abschluss...

Beitrag von Fiona1980 »

Mein liebes kleines Mädchen. Da liegst du selig, schläfst, und lässt dich vom Brummen des Föns beruhigen. Du Wunder! Wie lieb ich dich hab. Du darfst nicht böse sein – dein Geburtsbericht wird um einiges kürzer ausfallen als der deines grossen Bruders. Das ist nicht negativ gemeint, im Gegenteil. Es zeigt, dass du für mich das Erlebnis Schwangerschaft und Geburt perfekt gemacht hast. Zu einem krönenden Abschluss gebracht. Weil es einfach so schön war, so schnell, so komplikationslos, so, so, so... wie es eben sein soll!

Ja, in der 39. Woche schwanger sein ist nicht lustig. Es ist anstrengend und man hat die Nase voll. Bei deinem Bruder bin ich ja erst gar nicht so weit gekommen. Und doch war es ein überwältigendes Gefühl nicht zu wissen, wann es losgeht, wie es losgeht – und wer uns am Ende des Weges erwartet. Wir kannten zu diesem Zeitpunkt ja nicht einmal dein Geschlecht. Das Spitalköfferchen stand schon seit ein paar Wochen so halb gepackt im Gästezimmer. Ich habe bereits versucht, dich ein bisschen anzulocken, dich zum Rauskommen zu bewegen. Bis dahin ohne Erfolg.

Der 04. November 2015 sollte noch einmal so richtig zur körperlichen Herausforderung werden für mich. Es war ein goldener Herbsttag, wunderbar sonnig und herrlich warm. Den Nachmittag verbrachten wir mit Freunden auf dem Spielplatz. Dein Bruder und sein kleiner Kumpel lieferten sich mit Laufrad und Kickboard ein Rennen – und die beiden schwangeren Mamis jagten japsend hinterher. Später gingen wir alle zu uns nach Hause, wir assen einen kleinen Znacht. Wir schlangen ihn eher hinunter, denn schon kurze Zeit darauf sollte der Räbeliechtliumzug beginnen. Wir waren bereits etwas zu spät dran und es dauerte ja doch ein bisschen bis zur Kirche, wo der Umzug starten sollte. So rannten wir beinahe durchs Dorf. Auch ich mit meiner Trommel. Das Spektakel wollten wir nicht verpassen – immerhin hatten wir noch eine schöne Räbe geschnitzt.

Die Kinder freuten sich über die Lieder, die schönen Lichter und natürlich über den Hotdog und den Punsch, den sie im Anschluss bekamen. Nach dem Umzug redeten wir noch auf dem Pausenplatz des Schulhauses. Grosi und Grossvater waren auch da. Der 05. November 2015 wäre doch ein tolles Geburtsdatum, meinten alle. Ich lachte nur – ich hatte mich schon auf eine längere Wartefrist eingestellt.
Zuhause war ich dann echt kaputt von diesem langen, bewegungsintensiven Tag. So gegen 22 Uhr schlief ich ein.

Nur eine knappe Stunde später wachte ich schon wieder auf. Das Bett war nass. Ich weckte deinen Papi: "Du, ich glaube, die Fruchtblase ist geplatzt." Er erwiderte nur: "Deswegen musst du mich doch nicht wecken..." Männer! Na gut, dachte ich, dann schlaf ich eben weiter. Wieder eine halbe Stunde später wurde das Bett noch mehr nass – für mich gab es keinen Zweifel mehr, das war das Startsignal. Ich weckte deinen Papi nun komplett auf und rief im Spital an. Ich glaube, meine Fruchtblase ist geplatzt. Wollen Sie kommen? Nein, eigentlich nicht, ich habe ja keine Wehen. Na gut, dann kommen Sie morgen um 7.

An Schlaf war aber irgendwie nicht mehr zu denken. Ich wälzte mich hin und her. Würde mein Körper dieses Mal richtig reagieren? War er in der Lage, selbst Wehen zu machen, eine Geburt voranzutreiben, das Baby ohne Hilfe zu bekommen? Oder würde ich wieder einleiten müssen, wie damals, bei deinem Bruder? So gegen 02 Uhr fing es an. Leichte Schmerzen, wie bei der Mens. Ein Kommen und Gehen. War es das? Waren das Wehen? Irgendwer hatte mal gesagt, wenn du nicht sicher bist, ob es Wehen sind, sind es keine. Doch hier war es eindeutig. Die Schmerzen wurden stärker, kamen und gingen. Schon 15 Minuten später rief dein Papi das Grosi an, sie solle sich auf den Weg zu uns machen, es gehe los. Ich informierte in der Zwischenzeit das Spital, dass wir doch schon kommen. Ich hatte noch die Worte meiner Frauenärztin im Hinterkopf. "Wenn es losgeht, wagen Sie keine Experimente. Gehen Sie nicht noch in die Badewanne. Gehen Sie ins Spital. Sonst kommt Ihr Baby im Auto zur Welt..." Na gut!. Aber eine Dusche und eine Rasur, das musste einfach noch sein. Die Wehen wurden stärker. Ich packte noch die restlichen Gegenstände, die ich brauchte, in mein Köfferchen und zog mich an. Inzwischen war auch das Grosi eingetroffen. Dein Bruder schlief selig – er bekam von der Aufregung nichts mit.

Als wir losfuhren, musste ich die Wehen schon veratmen. So heftig waren sie. Insgesamt hatte ich während der 10-minütigen Fahrt ins Spital vier Wehen. Um 03 Uhr waren wir da. Wir wurden von einer Hebamme in Empfang genommen. Ich kam ans CTG. Die Untersuchung zeigte, dass der Muttermund bereits drei Zentimeter geöffnet war. Die Hebamme drückte am Bauch herum. Ein kleines, feines Baby sei es, sagte sie. Ein tolles Datum, der 05. November 2015, meinte sie dann. Ja, wenn es denn dabei bleibe, erwiderte ich. Jaja, lachte sie. Das IST das Datum. Papi trug noch den Mädchen- und den Jungennamen in ein Formular ein. "Oh, was für ein schöner Mädchenname", sagte die Hebamme, als sie es las. Papi hatte Hunger. Die Hebamme schlug vor, dass ich ein bisschen herumlaufe und ihn auf der Suche nach etwas Essbarem begleite. Ich watschelte durch die Spitalgänge, hielt alle paar Meter an, um mich über das Geländer zu hängen und vor mich hin zu stöhnen. Papi kriegte jedoch sein Sandwich, ich eine Packung Chips.

Dann kamen wir in den Kreisssaal. Ich wusste ja, dass das meine letzte Geburt werden würde. Und ich wollte nichts unversucht lassen, mir das Erlebnis so schön und angenehm wie möglich zu machen. Ich bat deshalb um ein Bad, welches mir auch genehmigt wurde. Das Badezimmer war toll. Modern, schön gedämpftes Licht, Musik, feiner Lavendelduft und eine Lounge zum Liegen für Papi. Es ging mir gut in der Wanne. Die Wehen waren schmerzhaft, aber erträglich. Ich lag bestimmt zwei Stunden im Wasser. Oder länger. Ich weiss es nicht mehr so genau.

Trotzdem kam ich irgendwann raus. Ich legte mich auf das Bett, die Wehen wurden immer stärker, schlimmer und kamen in immer kürzeren Abständen. Ich bat um eine PDA. Die Hebamme jedoch ignorierte meinen Wunsch komplett. Sie sagte noch nicht einmal Nein, sie sagte einfach gar nichts. Ich ging dann noch kurz auf die Toilette – diesen Trip hab ich nicht als den allerbesten in meiner Erinnerung!
Zurück auf dem Schragen bettelte ich erneut um die PDA. Wieder wurde mein Wunsch ignoriert. Ich konnte langsam nicht mehr. Die Hebamme machte mir dann den Vorschlag, ich könnte es mit einer Schmerzpumpe versuchen. Dein Papi klärte mich in der Zwischenzeit auf, dass es für die PDA zu spät sei. Die Hebamme hatte ihm dies während meines WC-Trips gesteckt. Na gut, dann eben die Pumpe. Ich bekam eine neue Infusion und so ein Drück-Dings. Wenn ich spüre, dass eine Wehe kommt, soll ich da drauf drücken, meinte die Hebamme. Ja, noch so gerne! Ich drückte wie eine Irre – ich könnte aber nicht sagen, dass die Wehen dadurch weniger schmerzhaft geworden wären. Ich fand einfach alles furchtbar lustig. Es war inzwischen 06 Uhr. Ich wollte von der Hebamme wissen, wie lange es denn noch dauere. Sie meinte, sie habe um 06.45 Uhr Feierabend – und sie wolle noch wissen, ob du ein Mädchen oder ein Junge bist.

45 Minuten. Das klang für mich zwar hart, aber annehmbar. Ich sei offen, hiess es dann. Ich solle pressen. Wie bei deinem Bruder spürte ich auch bei dir überhaupt keinen Pressdrang. Ich presste nur, weil mir die Hebamme sagte, ich soll. Ich presste. Und presste. Und presste! Nichts passierte. Es war der blanke Horror. 06.45 Uhr war längst vorbei. Die neue Hebamme hatte mir die Pumpe weggenommen. "Ich will die Pumpe", schrie ich, "geben Sie mir die verdammte Pumpe." "ICH KANN NICHT MEHR!" "WANN IST ES VORBEI?" "Hören Sie auf zu reden, pressen Sie lieber." "MACHEN SIE EINEN KAISERSCHNITT!!" Dein Papi hielt sich vornehm zurück. Nachdem er bei der Geburt deines Bruders alle 20 Sekunden gesagt hatte: "Du machst das suuuuper, weiter so!" und ich ihm am liebsten eins aufs Maul gehauen hätte, traute er sich jetzt kaum mehr, überhaupt etwas zu sagen.

Ich presste. Und presste. Und presste! Ich war am Ende meiner Kräfte. Ich überlegte mir nur die ganze Zeit, was ich tun könnte, um diesem Horror ein Ende zu bereiten. Ich war komplett nass geschwitzt. Ich schrie und stöhnte. Ich wusste nicht mehr, woher ich die Kraft nehmen sollte, um dich noch einmal nach unten zu pressen. Und noch einmal. Und noch einmal... Zwischen den Presswehen hatte ich keine Pause. Es reichte grad zum Luft holen, dann ging es schon wieder los. Es war jetzt 07.15 Uhr. Die Hebamme hatte zwar Feierabend, war aber noch immer da.

Plötzlich bemerkte ich eine Veränderung. Du schienst unten "hängengeblieben". "Der Kopf. DER KOPF. ICH SEH IHN!", brüllte dein Papi. Eine Presswehe später war dein Köpfchen draussen. Ich atmete tief durch. Ich wusste, es war geschafft. Mit der nächsten Wehe kam dein Körper raus. Tränen liefen mir über die Wangen. Vor Freude. Vor Erleichterung. "Was ist es?", fragte ich sofort. Ich hätte nicht gedacht, dass mir das nach neun Monaten des Wartens dann doch so wichtig ist. "Sehen Sie selber", sagte die Hebamme und hielt deinen kleinen, glitschigen Körper in die Luft. Ein Mädchen! Dann sah ich deinen dunklen Schopf. Das hat mich auch etwas überrascht, nachdem dein Bruder gar keine Haare hatte. Die Hebamme legte dich auf meinen Bauch und deckte uns beide zu. Da warst du. Ein Wunder. So vollkommen. Zehn kleine Fingerchen, zehn klitzekleine Zehen. Dein Köpfchen war etwas zerknautscht. Papi schnitt später die Nabelschnur durch. Die Plazenta kam raus. Mein Damm hat etwas gelitten, ein Minirisschen musste genäht werden. Die Nabelschnur war sehr lang und um deinen Körper gewickelt. Ich habe dich nach unten gepresst, die Nabelschnur hat dich wieder nach oben gezogen. Wie ein Jojo. Deshalb hatte ich so lange Presswehen, deshalb ging es nicht vorwärts.

Alles egal! Jetzt warst du da. Mein kleines, grosses Wunder. Wenn man eine Frau fragen würde, wie sie sich die perfekte Geburt vorstellt, würde sie wohl genau unsere Geschichte erzählen. Ich werde nie wieder schwanger sein, nie wieder gebären. Es ist gut so für mich! Du hast für einen wundervollen, perfekten Abschluss gesorgt. Ich habe zwei gesunde, wunderschöne Kinder. Und ich hatte eine Traumgeburt (auch wenn das einem in dem Moment nicht so vorkommt). Mein Körper kann Wehen machen, er kann gebären. Ich bin dir so dankbar dafür, mein kleines Mädchen. Und ja, die Liebe verdoppelt sich. Wir haben so grosse Freude an dir. Wir freuen uns darauf, dich durch dein Leben zu begleiten. Es fängt alles erst an!
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Toli
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Re: Ein krönender Abschluss...

Beitrag von Toli »

Vielen Dank für deinen Bericht! Musste gerade eine Träne verdrücken. Mir ging es ähnlich wie dir. Erste Geburt eingeleitet und für mich der Horror. Die zweite Geburt am 10.4.16 ging alleine los und war wunderschön. Auch ich wollte alles noch geniessen, da wir auch keine weiteren Kinder möchten. Toll, hast du deine Traumgeburt erleben dürfen!

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maenia
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Re: Ein krönender Abschluss...

Beitrag von maenia »

Ein wunderbarer Bericht, merci! Auch bei mir wurde eingeleitet, leider bei beiden Geburten. Obwohl beide problemlos verliefen, waren sie doch sehr unterschiedlich. Und auch ich wusste, dass es die letzte Geburt sein würde und hatte so sehr auf Versöhnung mit der ersten Geburt gehofft. Je mehr Zeit vergeht, desto mehr wird die Geburt für mich zur perfekten Geburt (im Geburtsbericht habe ich das noch ein wenig anders empfunden). Schön, dass wir mit einem guten Gefühl an unsere Geburten zurückdenken dürfen!
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Fiona1980
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Re: Ein krönender Abschluss...

Beitrag von Fiona1980 »

Vielen Dank euch beiden für die Glückwünsche! :-) Maenia, eine Einleitung muss ja nicht zwangsläufig ein negatives Geburtserlebnis bedeuten. Für mich war auch die erste nicht schlecht. Ich kannte es halt nicht anders. Trotzdem war es schön, mal zu sehen, dass mein Körper auch alleine kann! Ich glaube, man sollte einfach offen sein für jede Art von Geburt. Wenn man sich zu sehr versteift, leidet man nachher darunter, dass es nicht so lief wie erhofft oder gewünscht...
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