
31.März 2017
2h00:
Ich wache auf, durch ein leichtes Ziehen im unteren Rücken. Seltsam, es ist nicht so wie es schon seit Wochen manchmal stundenweise und ohne unterbrechung zieht, sondern es kommt und geht ganz regelmässig und schleichend. Ich empfinde es nicht als schmerzhaft, aber es hindert mich doch am schlafen. Ich bleibe im Bett und versuche mich nicht zu früh zu freuen, dass es vielleicht jetzt anfängt. Ich geniesse es einfach hier zu liegen und entspanne mich. Ich döse immer wider weg, werde aber auch immer wieder vom ziehen geweckt.
7h00:
Ich stand auf um auf die Toilette zu gehen und siehe da: ein grosser klumpen blutiger Schleim auf dem Toilettenpapier, das ist also der Schleimpfropf der sich gelöst hat. Juhui, es läuft was!
Zeit zum Frühstücken, komisch, mir ist irgendwie übel und sonst bin ich doch immer hungrig...ich zwinge mich ein paar Haferflocken zu schlucken. Das ziehen bleibt. Irgendwann rufe ich aufgeregt das Geburtshaus an. Ich soll zu einer Kontrolle vorbeikommen, sagt die Hebamme, eine sympatische, gelassene bernerin.
Ende Vormittag im Geburtshaus: Das CTG schreibt Wehen auf (das ziehen im Rücken sind also Wehen!) und der Muttermund Fingerdurchlässig. Die Hebamme sagte wir sollen uns bereithalten, es könne bald richtig anfangen, man könne aber nicht genau sagen wann. Ich solle mich noch etwas entspannen (haha!), ein schläfchen machen (ach so? wenn man so aufgeregt ist?) und etwas kleines essen (mir ist übel...). Diese Nacht wird die Habamme da sein welche ich mir insgeheim gewünscht habe für die Geburt...aber ich kann irgendwie noch immer nicht glauben, dass es wirklich losgeht und bilde mir ein, dass es noch ein paar Tage dauern könnte. Man hört doch immer von diesen Geburten die ewig lange dauern...
Anfang Nachmittag:
Ich weiss nicht was die Hebamme gemacht hat, aber seit der Kontrolle wird das Ziehen immer stärker und es wird langsam unangenemer. Wir Picknicken (ich kann aber fast nichts essen) und spazieren noch etwas im Wald mit meinem Schatz und seiner Schwester. Beim spazieren sind die Wehen am erträglichsten. Wir fahren mit dem Bus nachhause und da wird mir immer unwohler, ich muss jetzt die Wehen veratmen. Ich wollte nochmals spazieren gehen, aber daran ist jetzt nicht mehr zu denken. Zuhause gehe ich ins Bad, das tut gut. Ich glaube noch immer nicht das es anfängt...Main Mann denkt da aber anders und holt (zum Glück) das Mobility-Auto.
18h:
Ich finde keine angenehme Position mehr. Die Wehen werden langsam aber sicher stärker, kommen alle 3min und dauern 30s. Ich rufe nochmals im Geburtshaus an, sage dass ich mich zuhause im Bad eigentlich noch wohl fühle, aber dass ich mich Sorgen mache wie ich das im Auto aushalten soll... Die Hebamme meint ich solle noch warten bis die Wehen länger anhalten. Ok...so langsam dämmert es mir, dass mein Kind sich jetzt auf den Weg aus dem Bauch macht. Wir versuchen die Positionen welche wir im Geburtsvorbereitungskurs gelernt haben, aber im Bad habe ich mich besser gefühlt.
20h:
Wieder im Bad, die Wehen werden stärker und länger (45-60s) und ich gerate etwas in Panik. Ich weiss nicht mehr wie mit den Wehen umgehen. Ich frage mich wie ich überhaupt noch aus dem Bad rauskommen, mich anziehen und ins Auto steigen soll. Irgendwie krieg ich es dann doch hin, wir fahren zum Geburtshaus, 5min Autofahrt entfernt.
Die Hebamme empfängt uns mit viel ruhe und gelassenheit und ich fühle mich sofort in sicheren Händen. Sie weiss genau was tun um mich zu unterstützen, besser als mein Schatz jedenfalls

Ich bestehe darauf noch etwas in den Wald spazieren zu gehen, aber wir kommen nicht weit, ich stütze mich so sehr auf meinen Schatz, dass wir am Boden landen und ich wieder zurück will. Ich versuche dann noch verschiedene Positionen bevor ich in das Bad steige, aber es ist einfach alles...scheisse. Mir ist Kotzübel und ich übergebe mich mehrmals obwohl nichts in meinem Magen ist. Ich bin sehr durstig, aber es kommt einfach alles immer wieder raus. Bevor ich ins Bad gehe will ich noch aufs Klo. Dumme Idee, auf das Klo gehen mit Wehen geht definitif nicht. Die Wehen kommen gefühlt sehr nahe nacheinander.
Im Bad kann ich mich endlich etwas entspannen, keine Ahnung wie ich die Geburt ohne das Bad bestanden hätte. Während den Wehen versuche ich immer in Gedanken bei meinen Baby zu bleiben, die Hände auf den Bauch gelegt. Ich döse zwischen den Wehen weg, die Pausen zwischen den Wehen sind jetzt etwas länger, ich weiss noch nicht dass das die letzte Ruhe vor dem Sturm ist. Ich verliere jegliches Zeitgefühl.
23h:
Zweite Untersuchung: Muttermund 4-5cm offen. Die Hebamme scheint selber überrascht, dass es jetzt doch schnell vorwärts geht. Ich bin erleichtert das es vorwärts geht, weil ich weiss nicht wie lange ich es schaffe das auszuhalten. Ich bin müüüüüüde und schrecklich durstig!!!!
Die Wehen werden immer stärker und ich beklage mich, dass es schmerzt. Ich frage immer wieder nach dem Pause-Knopf.





Irgendwann habe ich angefangen zu schreien, immer lauter... ich wusste nicht, dass ich soooooo laut sein kann und das ich so eine grosse Variation an schreien ausstossen kann von tief bis hoch. Es ist in dem Moment mein einziges Ventil. Die Hebamme hält mich mit ihrem Blick fest, ich schaue ihr die Ganze Zeit in die Augen, es ist wie wenn ich mich an ihr festhalten würde.
Die Hebamme weist mich darauf hin, das der Kopf kommt, man könne ihn spühren.Ich sei ganz offen. Ich taste mich ran und ich kann ihn fühlen!!! Ganz weich und haarig. Bei jeder Wehe kommt er etwas weiter nach vorne, dann aber immer wieder zurück. Es macht mir ganz viel Mut das Köpfchen fühlen zu können. Ich presse und brülle was das zeug hält, ich will diesen schrecklichen Wehen ein Ende setzten. Man hat mir im Geburtsvorbereitungskurs gesagt, man solle gar nicht so fest pressen, sondern "sanft vorwärts schieben". Haha. Das ist mir gerade scheissegal, die Wehen sind so heftig, ich will dass das Kind da rauskommt und zwar so schnell es geht. Und fluuuuuutsch...da ist es auch schon, auf einmal.

Und ein riesen Wunder wird vor meinen Augen von der Nabelschnur befreit (einmal um die Schulter und einmal um den Hals gewickelt), es hat eine zarte Stimme, macht "mbääääh", weint nur kurz und wird mir auf die Brust gelegt. Mein kleines Baby schaut mich mit grossen Augen an. Ich bin hin und weg.
Irgendwann nach 1h00, am 1. April 2017:
Nachdem wir uns zum ersten mal bewundert haben, beten mich die Hebammen für die Nachgeburt aus der Badewanne zu steigen. Unser kleiner Sohn kommt in die Arme von seinem Papa. Ich fange plötzlich an zu zittern am ganzen Körper wie ich noch nie gezittert habe, einige Minuten lang. Die Hebammen wickeln mich in wunderbar warme Tücher und helfen mir auf das Bett. Dort kommt das kleine Riesenwunder wider zu mir, er sucht meine Brust und findet sie auch, trinkt ein paar schlückchen. Die Nachgeburt nehme ich nur halb wahr. Dann bekomme ich zu trinken, was für eine Wohltat!!! Dann werden wir eine Weile alleine gelassen. Ich kanns noch immer kaum glauben, fühle mich glücklich, überrumpelt und völlig erschöpft. Später werde ich noch genäht (ein kleiner Riss) und der kleine gemessen und gewogen. 3kg180gr, 50cm, 35cm KU
Ich bin sehr dankbar, dass alles so gut gelaufen ist, dass ich in diesem liebevollen Umfeld gebären konnte und dass die beiden Hebammen mich so gut unterstützt und umsorgt haben. Ohne die beiden, weiss ich nicht wie ich das bestanden hätte. Viele Frauen erzählen, dass sie die Presswehen als eine "Erleichterung" empfinden, weil sie dann aktiv mitmachen können. Ich habe diese als extrem heftig und als reine Qual empfunden. Ich habe mich ausgeliefert gefühlt, obwohl ich ja aktiv mitgemacht habe und es schnell gegangen ist. Die Szene der Presswehen dreht sich bis heute noch in meinem Kopf, 9 Wochen nach der Geburt. Aber um nichts in der Welt würde ich meinen kleinen Emil wieder wieder hergeben, er ist das allerschönste was mir je passiert ist.