Ihr Lieben!
(Liebe Schwups: AD(H)S ist tatsächlilch eine Krankheit, die sehr wohl auch psychische Krankheiten mit sich bringt)
Es ist leider so, dass eines der grössten Probleme dasjenige ist, dass nach einer Diagnose des Kindes, Eltern zwar gleich danach informiert werden, was AD(H)S bedeutet und welche Medis was mit dem Hirn machen, aber das wars dann schon.
In all den Jahren habe ich gemerkt, dass AD(H)S mit all seinen verschiedenen Facetten (die individuelle Persönlichkeit des Betroffenen mit seiner eigenen Sensibilität und der individuellen Intelligenz, Umgang und Reaktionen des Umfelds, die wachsenden Entwicklungsphasen, usw…) zu wenig klare und angebotene Unterstützungen gibt.
Für die Betroffenen selber, deren Eltern (erst recht) sowie in der Schule und später im Lehrbetrieb.
Möglicherweise ist es ortsbezogen unterschiedlich.
Ansonsten ist es wirklich so, dass ich als reife Frau, mit der Diagnose ADS keine Ahnung hatte und lange Zeit das «Träumerli» im Kleinkindalter schön fand.
Niemals war mir bewusst, wie schlimm die Demütigungen in der Schule – seitens Mitschüler wie auch Lehrer! – für den kleinen Träumer in der Primarschule würden.
Wie konnte ich auch: als 3jähriger war er das sonnigste, fantasievollste, lustigste und selbstbewussteste Kind. Alle anderen Kinder fanden seine Spielideen und seine mitreissende Art so toll, dass sie sich um ihn scharten und sich mitziehen liessen.
Er beobachtete intensiv, hörte gut zu, lernte mit Leichtigkeit weil er sehr viele Interessen hatte. Und wenn ihm etwas nicht gelang, da wurde er zum Teufelchen mit sich selber. Das war die erste «komische» Auffälligkeit.
Sein Sozialverhalten war ausserordentlich. Er beschützte Schwächere, holte Aussenseiter ab und trug enorm Sorge zu seinen Spielsachen und Bücher.
Die zweite Auffälligkeit war dann mit der Zeit seine enorme Langsamkeit, sein abgelenkt sei.
Irgendwann stellte sich heraus, dass er Dinge, die ihn nicht interessieren, einfach nicht tut.
Das erste Mal, als er mit zerkratzem Gesicht nach Hause kam, fand er es nicht nennenswert darüber zu berichten. «Wir waren im Wald und es ging etwas wild zu»
Die Lehrerin rief mich jedoch an und schilderte mir mit grossem Entsetzen, dass ihn ein Junge in der Klasse so malträtiert habe.
Es war der Junge, der seit Jahren sehr stark auffällig war und von allen anderen Kindern deswegen gemieden wurde. Nur eben unser sozialer Sohn verspürte den Drang, sich dem Jungen anzunehmen, was ich natürlich auch sehr schön fand.
Doch grade weil unser Sohn sich in diese Zeit auch gerne an anderen Kindern anschliessen wollte, fing er an unseren Sohn zu drangsalieren und auch sonst die ganze Schule zu terrorisieren.
Kurze Zeit später wurde der Junge in die Schulinsel verlegt.
Ab der 3. Klasse versuchte sich Junior in eine fixe Dreiergruppen-Gang einzuordnen. Das waren dann jene Jungs, die ihn mit hinterhältigen Spielchen und Beleidigungen zum ersten Mal in seinem Leben die dunklen Seiten der Mitmenschen spüren liessen. Von da an hatte er nur noch Gedanken für dieses Thema. Er wurde schluddrig, vergesslich, noch langsamer und stiller.
Einen Teil davon überforderte auch den Lehrer, dessen Pensionierung in greifnähe war und immer noch nach «alter Schule» unterrichtete und keinen blassen Schimmer davon hatte, was AD(H)S ist.
Auch da habe ich lange Zeit nichts mitbekommen.
An einem Elternabend jedoch, als der Lehrer von «guten und schlechten Kindern» sprach, wurde mir endlich vieles bewusst. Leider dauerte es ein weiteres Jahr, bis unser Sohn die richtige Diagnose erhielt, grade eben wegen Falschaussagen dieses Lehrers und dank der aufmerksamen Schulpsychologin. Von da an wurde er sofort medikamentös unterstützt (zuerst Ritalin, dann Concerta und später Medikinet MR – bis heute). Es stellte sich auch heraus, dass Junior einen sehr hohen Quotient bei der räumlich-mechanisch-mathematischen Intelligenz hatte aber bei der verbalen Intelligenz fast schon unterdurchschnittlich war.
Seine Noten stiegen dank der Medikamente sofort in die Höhen. Er konnte sein Wissen endlich gesammelt aufs Papier bringen. Trotzdem litt er immer mehr an Traurigkeit.
Die Hoffnungen, dass der Lehrerwechsel ab der 5. Klasse unserem Sohn Erleichterung bringen würde, zerschlugen sich schon nach einem halben Jahr.
Die junge Klassenlehrerin wie auch die Französischlehrerin waren hauptsächlich auf ihr eigenes Leben konzentriert und verübten ihren Beruf unfassbar gleichgültig. Ich bekam das in jenen Schulbesuchen mit, die ich mir fortan immer herausholte, weil ich die starken psychischen Veränderungen meines Sohnes wahrnahm.
Nachdem der selbstgebackene Geburtstagskuchen, den Junior in die Schule mitbrachte, von den Mobbern direkt in den Abfall landete, meldete ich mich bei der Schulsozialarbeiterin.
Sie lernte dann sehr bald die Klasse kennen und besuchte die Klasse danach wöchentlich um zwei Lektionen soziales Verhalten zu unterrichten . Jetzt fühlten sich (es gab noch andere verhaltensauffällige Kinder) jene Schüler, die so toll zu mobben waren, wie auch Eltern endlich etwas ernst genommen.
In der Oberstufe dann, hatte unser Sohn endlich eine Lehrerin, die von sich aus Interesse an Sohnemanns Verhalten legte.
Es ist wirklich gewöhnungsbedürftig: in den Fächern, die ihn interessieren ist er überaus motiviert, klug und voll konzentriert und in anderen Fächern – wie auch «nur» die langweilige Eigenorganisation, ist er geistig abwesend. Hinzu kommt, dass er superfreundlich, zuvorkommend und fröhlich sein kann aber eben auch urplötzlich aggressiv und introvertiert.
Dank der Initiative dieser Lehrerin gab es Gespräche mit Psychiater, Schulleiter, der früheren Schulpsychologin, Schulsozialarbeiterin, Heilpädagogin und später auch mit einem Case Manager, der fortan für unseren Sohn nach der Schule zur Verfügung stand.
Wenn ich heute darüber nachdenke, wird mir wieder bewusst, dass so viele Fachkräfte für unseren Sohn unterstützend da waren, was mich damals zutiefst berührte aber schlussendlich alles etwas «zu spät» (IV nicht früh genug anerkannt für Förderunterricht mit Fachperson, sowie psychische Krankheiten) kam und nicht zu vergessen: direkte Unterstützung der Eltern, die kein Wissen und keine Erfahrung über die komplexe Krankheit haben.
Nun ist Junior im 2. Lehrjahr in einem Lehrbetrieb in dessen unser Sohn erst wegen seiner Superleistungen und seiner Art freudig aufgenommen wurde, dann aber bereits bald schon merkten, dass er ein ganz Spezieller ist.
Ich erfahre zum Glück direkt vom Lehrlingsverantwortlichen, wie sich Junior verhält. Und wie schon Jahre zuvor, habe ich den Eindruck, als hätte er autistische Züge. Das habe ich ein paar Male beim Psychiater angesprochen, doch er reagierte nie darauf. Also: schweige ich.
Jedenfalls ist es so, dass sich der Lehrlingsverantwortliche, so wie ich auch, mit Fachliteratur über das Thema AD(H)S eingedeckt hat, um mehr darüber zu erfahren.
Mittlerweile fanden zwei Gespräch mit dem neuen Case Manager und dem Lehrbetrieb statt, weil alle das Interesse daran haben unserem Sohn einen guten Lehrabschluss zu ermöglichen. Es wird immer eine Gratwanderung sein. Schulisch lernt er keine freie Minute (!) aber bringt in den Hauptfächern einen Durchschnitt von 5.5. Während der Arbeit selber ist er viiiiiel zu langsam (weil viiiiiel zu exakt und perfektionistisch) und er hat Ängste entwickelt, in die er sich tagtäglich reinsteigert (Asbest).
Lange Rede kurzer Sinn:
Ja, es ist wohl wirklich so, dass ich alleine dafür verantwortlich bin, weshalb es mir schlecht dabei geht.
Ich versuche nun den Fokus mehr auf mein persönliches Leben zu richten und betrachte meine ellenlangen Zeilen oben als Rausschreien und schliesse nun dieses Kapitel erst mal.
Danke euch, dass ihr da seid!
Liebe Grüsse, Mamuseli